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Schaumwein und seine vielen Gesichter

Seit Jahren liegt Deutschland an der Spitze des weltweiten Konsums von Schaumwein. Aber welche Stilistiken gibt es da eigentlich? Und wie unterscheiden sie sich? Hier erfahren Sie alles Wissenswerte zum Thema.

Viele Geschichten ranken sich um die Entstehung von Schaumwein. Fest steht: den ersten Prickler produzierten nicht die Winzer in der Champagne, sondern Mönche aus Limoux im Süden Frankreichs. Und das bereits im Jahr 1531. Sicherlich gab es zu dieser Zeit in allen Weinregionen der Welt Schäumer, da es damals unüblich war, Weine komplett zu vergären. Somit blieben immer Reste von Zucker und Hefe vorhanden, die bei höheren Temperaturen mit schöner Regelmäßigkeit wieder die Arbeit aufnahmen.

Allerdings ist es der Champagne zu verdanken, dass Schaumwein zu dem wurde, was wir heute im Glas so genießen. Die steigende Beliebtheit von Champagner in England löste im 17. Jahrhundert eine regelrechte Produktionswelle aus. Dabei war der Mönch Pierre Pérignon einer der Ersten, der erkannte, welche Inhalte im Wein für die Verwandlung zu einem Schaumwein verantwortlich sind. Die Herstellungsprozesse wurden stetig optimiert und es entwickelte sich die sehr aufwändige Méthode champenoise. Sie gilt heute als die Königsdisziplin der Schaumweinherstellung und ist auch als Méthode traditionnelle bekannt. Aber dazu gleich mehr.

Sektglas auf einem festlich gedeckten Tisch

Sammelbegriff für Prickler

Schaumwein ist der Oberbegriff, unter den alle Weine fallen, die Kohlensäure enthalten. Prominente Vertreter sind Champagner, Sekt, Crémant, Cava sowie Prosecco. Sie unterscheiden sich nicht nur im Preis und im Ausdruck, sondern auch in der Herstellungsmethode. Hier haben Winzer nämlich viele Möglichkeiten, um so den finalen Charakter eines Schaumweins festzulegen.

Schaumwein gehört zu den aufwändigsten und technischsten Weinen der Welt. Zwei Gärvorgänge sind vonnöten, und lange Zeit vollbrachte dieses Kunststück nur die kostspielige Méthode traditionnelle. Kein Wunder, dass manche Hersteller nach Alternativen suchten, die zum einen günstiger und schneller waren, zum anderen aber auch mit einem guten Endprodukt aufwarten konnten. Heutigen Kellermeistern stehen fünf Verfahren zur Verfügung, um Kohlensäure in den Wein zu bekommen. Allen Methoden ist gemein, dass die Trauben mit einer hohen Weinsäure, wenig Zucker, aber mit phenolischer Reife (ohne grüne Aromen) geerntet werden müssen, um die prägende Frische eines finalen Schaumweines zu erhalten. 

Ein Glas Sekt aus der Vogelperspektive aufgenommen
Fünf Wege führen zu einem Schaumwein.

Königsdisziplin: Traditionelle Flaschengärung

Auch als Metodo classico, Méthode champenoise oder Méthode traditionnelle bezeichnet. Als angesehenstes Herstellungsverfahren bringt sie höchste Qualität sowie feinste Kohlensäure hervor und produziert unter anderem die teuersten Schaumweine der Welt. Hochwertiges, handverlesenes und schonend gepresstes Traubenmaterial vinifiziert der Chef de Cave (Kellermeister) erst zu einem Grundwein. Anschließend werden bevorzugt verschiedene Grundweine zu einer Cuvée assembliert, um den besten Ausdruck im finalen Prickler zu erhalten. Dieser Verschnitt kommt mit einer Mischung aus Zucker und Hefe (Tirage) in die Flasche, die dann ein Kronkorken verschließt. Die beginnende zweite Gärung erzeugt so lange die gewünschten Bläschen, bis der Zucker vollständig abgebaut ist.

Langsam sammelt sich die abgestorbene Hefe in der Flasche und der Schäumer verbringt eine festgesetzte Zeit auf dem Hefedepot (Autolyse), um das gewünschte Aromenprofil zu entwickeln. Durch sukzessives Aufstellen und Drehen der Flaschen im Rüttelpult wird die Hefe in den Flaschenhals manövriert, im Kältebad angefroren und beim Öffnen des Kronkorkens anschließenden herauskatapultiert. Der finale Schritt ist die Dosage, bei der die Flasche mit Wein und Zucker wieder aufgefüllt wird. Der Anteil an Zucker richtet sich dabei nach dem gewünschten Süßegrad.

Kreidegang mit Rüttelpulten in der Champagne.
Bei der klassischen Flaschengärung kommen oft noch traditionelle Rüttelpulte zum Einsatz.

Klassische Flaschengärung: Checkliste

Geschmack

Der für diese Methode typische längere Hefekontakt erzeugt feine autolytische Aromen von gerösteten oder blanchierte Nüssen, frischem Brotteig oder süßem Gebäck. Je länger die Flaschenreife andauert, umso cremiger und feinperliger wird die Perlage.

Fakten

  • 5 bis 7 bar Flaschendruck
  • Verwendet für: Champagner, Crémant, Cava, Franciacorta, Winzersekt, Cap Classique
  • Minimale Hefelagerzeit in Monaten: Sekt und Cava 9, Champagner 12, Cava Gran Reserva 30, Vintage-Champagner und Franciacorta Riserva 60 

Ökonomisch: Tankgärungsverfahren

Hierbei handelt sich um eine relative junge Methode, die erst seit 1910 für die Schaumweinproduktion eingesetzt wird, auch als Méthode charmat oder Metodo Martinotti bekannt ist. Im Gegensatz zur klassischen Flaschengärung findet die zweite Gärung nicht in einer Glasflasche, sondern in großen Drucktanks statt. Der Grundwein erhält wie bei der traditionellen Methode zum Start der Fermentierung eine Mischung aus Zucker und Hefe (Tirage). Sobald der gewünschte Druck erreicht ist, wird der Wein gefiltert, mit der Dosage auf die gewollte Süße gebracht und abgefüllt. Damit ist das Verfahren wesentlich schneller und kostengünstiger als die Flaschengärmethode.

Drei Weingläser mit Sekt vor schwarzem Hintergrund

Tankgärungsverfahren: Checkliste

Geschmack

Aufgrund der sehr kurzen Autolysezeit sind Hefe- oder Brotaromen selten zu finden. Markant sind der florale, zitrische und fruchtbetonte Ausdruck, gepaart mit offensichtlicher Fruchtsüße. Die Perlage selbst kann sowohl fein als auch gröber ausfallen. 

Fakten

  • 2 bis 4 bar Flaschendruck
  • Verwendet für: Prosecco Spumante, Sekt, Asti Spumante
  • Minimale Hefelagerzeit: 90 Tage im Tank

Brückenschläger: Transvasierverfahren

Diese Methode verknüpft die klassische Flaschengärung und das Tankgärungsverfahren miteinander. Zu Beginn ähneln die Abläufe denen der Méthode traditionnelle. Aus ökonomischen Gründen aber werden die Flaschen nicht mehr gerüttelt und degorgiert, sondern in einen großen Drucktank umgefüllt. Anschließend erfolgen Filtrierung sowie eine abrundende Dosage. Der fertige Schaumwein kann nun in Flaschen jeglicher Größe wie zum Beispiel auch einer Doppelmagnum ohne Probleme abgefüllt werden.

Aus einer Sektflasche werden mehrere Sektgläser mit Schaumwein gefüllt
Traditionelle Flaschengärung oder Transvasierverfahren? Schmecken kann man den Unterschied nicht.

Transvasierverfahren: Checkliste

Geschmack

Sowohl Qualität, Perlage als auch das Geschmacksprofil ähnelt dem der Schaumweine, die mithilfe der Méthode traditionnelle entstehen.

Fakten

  • 5 bis 7 bar Flaschendruck
  • Verwendet für Prosecco Spumante und Sekt 
  • Minimale Hefelagerzeit: ähnlich der traditionellen Flaschengärung

Wiederentdeckung: Méthode Ancestrale 

Als Pétillant Naturel (Pet Nat) oder Méthode Rurale bekannt, ist sie die Ursprungsform der Schaumweinherstellung. Lange vor dem 16. Jahrhundert wurden bereits gärende Grundweine in einem Gefäß verschlossen und die entstehende Kohlensäure so eingefangen. Aktuell erlebt die Methode ein Comeback. Dabei entscheidet heute alleine der Kellermeister, ob gefiltert wird oder nicht. Ungefilterte erfreuen sich vor allen Dingen bei Naturweinfreunden einer immer größer werdenden Beliebtheit. Allerdings schwankt der Anteil des unvergorenen Zuckers in den einzelnen Flaschen - und somit auch der Druck selbst. Da der dieser Wein in der Flasche weiter gärt, ist beim Öffnen dieser Weine größte Vorsicht geboten. 

Méthode Ancestrale: Checkliste

Geschmack

Rurale Schaumweine sind frisch, oft schäumend und neigen zu einer gröberen Perlage. Der Geschmack hängt stark von der gewählten Rebsorte sowie der Länge des Schalenkontaktes ab. Prägnant ist ihr an Cidre erinnerndes Aroma, die schmeckbare Fruchtsüße, ein niedriger Alkohol sowie der herbe, gerbstoffgeprägte Charakter.

Fakten

  • bis zu 7 bar Flaschendruck
  • Verwendet für Clairette de Die, Pet Nat, Prosecco Col Fondo
Gestapelte Flaschen mit dem Schaumwein Rosé-Pet-Nat
Pet Nat liegt voll im Trend.

Schnell und günstig: Karbonisierung 

Das Karbonisieren, beziehungsweise das Imprägnierverfahren ist die einfachste und gängigste Methode zur Herstellung von Schaumweinen mit einem derart niedrigen Druck, dass dafür nicht mal die legendäre Sektsteuer fällig ist. Hier wird dem Stillwein unter Druck Kohlensäure beigesetzt, die für eine leichte, unkomplizierte Frische im Wein sorgt. Bevorzugt werden aromatische Rebsorten mit kräftigem Bouquet wie zum Beispiel Scheurebe oder Muskateller

Karbonisierung: Checkliste

Geschmack

Fruchtiger, perlender Wein mit Restsüße und niedrigem Alkoholgehalt.

Fakten

  • bis zu 3 bar Flaschendruck
  • Verwendet für Perlweine und Prosecco Frizzante

Schaumwein: Ländersache?

Könnte man vermuten, oder? Aber das wäre zu klein gedacht. Gewiss verbindet man mit einigen Ländern einen speziellen Schaumweintypus, aber beim genaueren Hinschauen entpuppen sich markante regionale Unterschiede. Begründet  liegen diese sowohl in der Kultur, den örtlichen Gegebenheiten wie Klima und Rebsorten, aber auch in der Wahl der Herstellungsmethode sowie der Autolysezeit. 

Schaumwein aus Frankreich

Die Champagne gilt mit Fug und Recht als die Wiege des Schaumweins. Um im kühlen, unbeständigen Klima das bestmögliche Weinergebnis zu erzielen, entwickelten die Winzer über Jahrzehnte hinweg die perfekte Methode zur Schaumweinherstellung. Bewusst lag der Fokus weniger auf Fruchtausdruck als auf minutiöser Kellerarbeit. Cool-Climate-Rebsorten wie Pinot Noir, Chardonnay und Pinot Meunier liefern dabei die besten Ergebnisse. Gepaart mit einer langen Hefereifung entstehen so komplexe Schaumweine. Sie begeistern durch ihre prägnanten autolytischen Aromen wie Brioche oder Nuss, die in spannendem Kontrast zur mineralischen, prägnanten Frische stehen. Kein Wunder, dass die Méthode traditionnelle, die nur in der Champagne auch Méthode champenoise heißen darf, bis heute inspirierend für alle Weinregionen der Welt ist.

Daneben hat sich noch ein weiterer interessanter Schaumwein aus Frankreich weltweit etabliert. In vielen Regionen produzieren Weingüter aus lokalen Rebsorten, aber auch aus den klassischen Champagnersorten nach der Méthode traditionnelle den sehr beliebten Crémant. Regionale Gegebenheiten sowie eine kürzere Hefereife machen ihn zu einem fruchtig erfrischenden, cremigen Wein mit dezenten Hefearomen.

Schaumwein aus Italien

Auch die Geschichte des Proseccos reicht bis in das 18. Jahrhundert zurück. Zu dieser Zeit wurde Prosecco als Col Fondo nach der Méthode Rurale aus der autochthonen Rebsorte Glera hergestellt. Die Erfindung der Tankgärmethode im 20. Jahrhundert führte jedoch dazu, dass sehr viele Produzenten auf die kostengünstigere Variante umstiegen. Geblieben ist die Rebsorte, aber entwickelt hat sich ein Stil, der bewusst auf autolytische Aromen verzichtet. Fruchtigkeit, leichte Frische sowie eine dezente Restsüße zeichnen den preislich attraktiven Italiener aus. 

Ganz anders entschieden haben sich dagegen die Regionen Franciacorta und das Alto Adige. Sie halten an der aufwändigen Méthode traditionnelle fest. Dementsprechend befinden sich die Schaumweine im hochpreisigen Segment. Rebsorten, die ein kühleres Klima benötigen, wie Pinot Nero (Pinot Noir), Chardonnay sowie Pinot Bianco (Weißburgunder) ergeben wunderbare Schäumer. Deutlich wird, dass jeder Schaumwein seine regionalen Besonderheit ausdrückt, die aber nicht nur auf das Terroir zurückzuführen ist. So ist der Satén Brut aus Franciacorta ein Prickler, der bewusst mit etwas weniger Druck in der Flasche entsteht und dadurch samtig und seidig am Gaumen wirkt. Das vielfältige Bouquet von Blumen, reifen Früchten sowie Haselnuss komplettiert diesen einzigartigen Stil.

Hügel mit Weingärten in Valdobbiadene in Italien
Herz des Prosecco-Gebiets: Valdobbiadene.

Schaumwein aus Spanien

Neben Crémant und Champagner ist Cava einer der bekanntesten Schaumweinvertreter. Hergestellt nach der traditionellen Flaschengärmethode, setzt man hier auf die drei autochthone Rebsorten Xarel.lo, Parellada sowie Macabeo. Da der Espumoso überwiegend aus dem mediterran geprägten Katalonien stammt, hat sich ein Stil von herber Würze, konzentrierter Frucht und mineralischer Frische eingeprägt. Vergessen wird dabei, dass es über ganz Spanien verteilt noch drei weitere klimatisch sehr unterschiedlichen Regionen gibt, die Schaumwein produzieren. Die Zone Valle del Ebro im Nordosten ist zum Beispiel wesentlich kontinentaler und liegt im Einflussgebiet des Atlantiks. So bestimmen Macabeo und Chardonnay den außerordentlich animierenden, salzigen und weiß-fruchtigen Cava.

Schaumwein aus Deutschland

Jedes der 13 Anbaugebiete besitzt eine eigene Rebsortenauswahl, auch die klimatischen Bedingungen sind unterschiedlich. Von daher kann man von einer regionalitätsbetonten Schaumweinwelt in Deutschland sprechen, die sich im Winzersekt finden lässt. Die Masse an Sekt wird zwar im kostengünstigen Tankgärverfahren produziert, aber immer mehr Kellereien bereiten ihren Schaumwein nach der aufwändigen Flaschengärungsmethode mit zum Teil langen Hefereifezeiten. 

Neben den lokalen Rebsortenbesonderheiten besticht vor allen Dingen Riesling als Schaumwein. Rassig, mal mit mehr oder weniger ausgeprägtem Fruchtausdruck, etwas frischen Briochearomen - das sind die Zutaten für einen einzigartigen Geschmackstil. Doch Chardonnay- und Spätburgundersekte legen in Deutschland zu. Gerade hier kann man den unterschiedlichen Ausdruck zu einem Champagner erkennen. Obwohl gleiche Herstellungsmethode, erlaubt das Klima in Deutschland eine längere Reifezeit und damit eine feine Nuance mehr Frucht im Wein. So setzt sich ein Schaumweinstil in der Tat aus den regionalen Gegebenheiten in Kombination mit dem Herstellungsprozess zusammen.

Riesling-Traube am Rebstock in einer Detailaufnahme
Aus Riesling entstehen in Deutschland einzigartige Schaumweine.

Schaumwein und der Rest der Welt

In den vergangenen Jahren haben sich weitere interessante Schaumweintypen wie zum Beispiel der aus Südafrika stammende Cap Classique hervorgetan. Dieser wird auch mithilfe der Méthode traditionnelle bereitet, die hier Méthode Cap Classique heißt. Aus diesem Grund nennt man ihn auch liebevoll abgekürzt MCC. Eine weitere Schaumwein-Spezialität kommt aus Australien. Sparkling Shiraz. Dabei verwendet man tatsächlich Rotwein aus der Rebsorte Shiraz als Basis. In Deutschland ist Rotsekt eine Rarität, in Down Under ist dieser Schäumer indes heiß begehrt. Er darf mittels Flaschen- oder Tankgärung bereitet werden. Welche Methode zum Einsatz kam, lässt sich in der Regel vom Verkaufspreis ableiten. Je günstiger solch ein Sparkler ist, desto wahrscheinlicher stammt er aus dem Tank.

Sie sehen: die Schaumweinwelt ist ebenso vielfältig wie spannend. Da bietet sich doch mal ein Tasting an! Es lohnt sich nämlich sehr, Champagner, Winzersekt, Cava und MCC nebeneinander zu verkosten. Oder aber Schaumweine, die ein unterschiedlich langes Hefelager hinter sich haben. Es gibt so viele Möglichkeiten, Prickler miteinander zu vergleichen! Wir wünschen Ihnen dabei viel Vergnügen.

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