Es sieht schon eindrucksvoll aus, wenn Sommeliers gekonnt einhändig Schaumwein aus einer Champagnerflasche ins Glas einschenken. Wie praktisch, dass diese Flaschenform eine Mulde unten im Boden hat, mit der man die Flasche besser festhalten kann. Und das ist auch nötig, denn sie ist durch ihre dicken Wände meist schwerer als etwa eine Rotweinflasche gleichen Volumens. Was uns direkt zu der Frage bringt: Warum gibt es eigentlich verschiedene Flaschenformen? Wein ist ja nicht gleich Wein. Bleiben wir beim Prickler.
Bei Schaumwein ist durch die feinen Kohlensäurebläschen halt etwas mehr Druck auf der Flasche. Damit die dann nicht - wie in der Geschichte des Champagners oft passiert - die Flasche zum Platzen bringen, hat man die Glaswände stabiler gemacht als bei anderen. Und dabei hilft dann eben auch die sogenannte Culot de Bouteille, die Mulde im Flaschenboden. Denn die verteilt den Druck schön gleichmäßig in der Flasche. Weil Stillweine dieses Problem nicht haben, sind sie mit dünneren Wänden ausgestattet. Nähern wir uns mal weiteren Flaschenformen: Wein aus dem Burgund ist dafür ein gutes Stichwort. Denn von dort kommt die Variante, auf die die Champagner-Form zurückgeht.
Schlanker Hals: Burgunder-Flasche
Wie es ihr Name vermuten lässt, kommt diese aus dem Burgund, im Osten Frankreichs. Bei ihr geht der Hals in sogenannten abfallenden Schultern (also einer sanften, schrägen Linie) in den bauchigen Körper über. Von der nördlichsten Burgunder-Appellation Chablis bis hin zur südlichsten, dem Beaujolais: Rot- und Weißweine kommen in dieser Form besonders edel zur Geltung.
Weil sie in der Nähe liegen, hat sich die Burgunder-Flaschenform auch in den französischen Nachbarregionen etabliert. Etwa in der Champagne. Auch in den Weinkellern der Loire (nordwestlich vom Burgund) und der Rhône (südlich vom Burgund) setzte man auf die bauchige Flaschenform. Wein aus bestimmten kleineren Appellationen an der Rhône sorgt sogar für noch mehr Aufsehen bei Tisch: Denn Weine wie aus Châteauneuf-du-Pape kommen mit Prägung am Hals daher. Die gekreuzten Schwerter zieren die Flaschen als berühmtes Emblem der Appellation.
Als Winzer die rote Rebsorte Pinot Noir aus dem Burgund und aus der Champagne in andere Weinregionen brachten, übernahmen sie auch die Flaschenform. Edle Weine, edle Flasche! Man hoffte, etwas vom Weltruf der berühmten Burgunder-Weine durch die Flaschenform mitzunehmen. Ob deutscher Grau- und Spätburgunder oder Pinot Noir aus dem neuseeländischen Martinborough - Sie werden die Burgunderflasche wiedererkennen! Außerdem nutzen sie italienische Winzer für ihren "Königswein" Barolo und kalifornische für ihre weißen Chenin Blanc-Weine. Flaschenmäßige Konkurrenz kommt vom anderen, westlichen Ende in der Grande Nation.
Gerade Schultern: Die Bordeaux-Flasche
Auch diese Variante ist nach ihrer Herkunft benannt. In Frankreichs legendärer Weinregion Bordeaux tauchte sie zum ersten Mal auf. Verglichen mit der Burgunderflasche wirkt sie markanter: der Hals geht quasi mit "geraden Schultern" in den Körper über. Wurde sie bloß erfunden, um sich optisch von der Burgund-Konkurrenz abzusetzen? Nicht nur. Sie hilft sogar dabei, bei gereiften Rotweinen das Depot zurückzuhalten. Gießen Sie langsam ein, wirken die Schultern als leichter Stopper, indem sie das Depot-Rutschen abbremsen. Bei sehr alten Weinen mit vielen Ablagerungen reicht das aber nicht. Da empfiehlt es sich dann doch, vor Genuss zu dekantieren.
Sehr praktisch sind die Schultern auch noch für etwas anderes. Auktionshäuser geben damit den Füllstand von alten Weinen an. Das lässt mitunter einen Rückschluss auf die Qualität des Weins zu. Ist der Füllstand niedriger als bei Weinen aus dem gleichen Jahrgang, kann das auf schlechte Lagerung oder sogar einen kaputten Korken hinweisen. Es kann aber auch schlicht heißen, dass der Wein etwas schneller oxidiert ist. Die Begriffe dafür sind 'into neck', wenn der Füllstand bis in den Flaschenhals reicht. Liegt er darunter, am Beginn der Schulter, spricht man von 'top-shoulder'. Befindet er sich noch weiter unten, dort, wo die Schulter breiter ist, heißt es 'mid-shoulder'. Das finden Sie in der Regel bei 40 Jahre alten Weinen.
Ausgehend vom Bordeaux hat sich diese Flaschenform weltweit ausgebreitet. Vermutlich auch hier über die Bordelaiser Rebsorten, die heute überall auf der Welt zu finden: Cabernet Sauvignon und Merlot. Sie ist daher auch die häufigste aller Flaschenformen: Wein mit diesem Design wird Ihnen also von Frankreich über Spanien, Australien, Südafrika, Chile und die Vereinigten Staaten überall begegnen. Vorgeschrieben ist sie in den meisten Appellationen im Bordeaux. Und sogar in der italienischen DOCG (Denominazione di Origine Controllata e Garantita) Brunello di Montalcino. Genauso wie Bordeaux-Weine stehen nämlich auch Brunelli für hohe Qualität. Da kann man das auch optisch durch die gleiche Form hervorheben!
Flaschenformen: Wein, typisch Rhein - die Schlegel-Flasche
Weiter nördlich hat sich am Rhein eine ganz eigene Flaschenform entwickelt. Denn die Winzer im Elsass, in der Pfalz und an der Mosel hatten ganz andere Anforderungen: Es sollten möglichst viele Flaschen nebeneinander aufs Schiff passen können. Man verschiffte nämlich den Wein auf dem Rhein und da war der Platz in der Breite begrenzt. Die Flaschen sind also schmaler und höher als alle anderen. Und haben schon einige Weinliebhaber am Kühlschrank zur Verzweiflung getrieben.
Kein Wunder, dass die Variante Hochflasche heißt. Oder Schlegelflasche. Genutzt wird die Flasche zumeist für Weiß- und Süßwein, vorrangig aus Riesling und Gewürztraminer. Es gibt sie in rot, rotbraun, grün und sogar, seltener, blau. Früher konnte man anhand der Farbe die Mosel von den Rheingebieten unterscheiden: Mosel-Weine kamen in grünen Flaschen, während Wein vom Rhein in braunen Flaschen abgefüllt wurde. Auch in Österreich und der Schweiz setzen Winzer auf die Schlegelflasche. Im Elsass wird darin sogar Rotwein abgefüllt!
Typisch Franken: Der Bocksbeutel
Wer an Franken-Wein denkt, kommt an ihm nicht vorbei: Der Bocksbeutel erinnert etwas an eine Feldflasche und ist mit dem sehr breiten und zugleich flachen Bauch definitiv eine Herausforderung beim Stapeln der Flaschen. 1728 wurde in Würzburg offiziell beschlossen, dass die besten Weine in genau dieses Gefäß abgefüllt werden sollen. Damit man sie optisch leicht von gepanschtem Wein unterscheiden konnte. 2015 gab es dann eine Verjüngungskur für das Flaschendesign: der neue Bocksbeutel ist weniger bauchig und dafür eckiger, damit man ihn besser stapeln kann.
Was genau der Name meint, ist nicht geklärt. Zwei Ideen dazu: Der Name geht vielleicht auf das niederdeutsche Wort für "Bücherbeutel" ("Booksbüdel") zurück. Oder auch auf das ähnlich klingende Wort "Bokesbudel". Was ganz charmant "Ziegenhoden" heißt. Man weiß hingegen, dass meistens weißer Silvaner drinsteckt. Und: Es ist gesetzlich vorgeschrieben, dass nur fränkischer Qualitätswein mit mindestens 72 Grad Oechsle hineindarf. Erstaunlicherweise gibt es diese besondere Form aber nicht nur in Franken. Sondern auch in Portugal. Das wollten fränkische Winzer gern unterbinden und klagten im sogenannten Bocksbeutelstreit 1983 vorm Europäischen Gerichtshof auf Markenschutz. Half aber leider nichts, portugiesischer Wein darf weiterhin in diese Variante.
Flaschenformen: Wein im speziellen Gewand
Auch in anderen Regionen hat man zu Marketingzwecken eigene Flaschenformen designt. In Sachsen wurde 1931 eine Weinflasche entworfen, die optisch an einen Bowlingkegel erinnert. Die Sachsenkeule hat wunderbar geschwungene Linien, die auf dem Tisch gut zur Geltung kommen. So richtig stapeln kann man sie jedoch nicht und so hat sie sich unter sächsischen Winzern kaum durchgesetzt. Am Rhein gibt es eine dunkelblaugrüne Rheingauer Flöte, die nochmal höher als die Schlegelflasche und zudem am Hals geriffelt ist. Sie wird seit den 1990er-Jahren vom Rheingauer Weinbauverband propagiert, ist aber außerhalb des Rheingau weniger bekannt. Sehr viel berühmter ist dann die Fiasco-Flasche aus dem Chianti Classico. Die bastumflochtene Flasche dürfte in der Vergangenheit aus vielen Restaurants als Kerzenständer bekannt sein.
Und die Liste an regionalen Flaschenformen ließe sich ewig fortführen. Wir könnten Sie sogar noch um historische Varianten ergänzen. Denn selbst bei den antiken Römern gab es mundgeblasene Weinflaschen! Die sahen eher zwiebelförmig aus und waren noch aufwändig in der Herstellung. Daher nutzte man stattdessen Holzfässer und Tierhäute. Bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts mit der Industrialisierung die Herstellung von Glasflaschen günstiger wurde. Und obwohl es so heute so viele Versionen gibt, haben sich doch lediglich drei Formen durchgesetzt: Bordeaux-, Burgunder- und Schlegel-Flaschen können Sie praktisch weltweit finden. Am Besten zu stapeln - und damit perfekt geeignet, um Wein lange zu lagern - ist dabei zweifellos die Bordeaux-Flasche. Wir wünschen Ihnen frohes Stapeln!
17 Antworten auf „Flaschenformen: Wein und Glas-Design“
[…] und versorgt eine ordentliche Runde! Da wir gerade beim Nerden waren (regionale Unterschiede der Flaschenformen), sagen wir noch den korrekten Namen für eine Champagner-Flasche mit drei Litern. Die heißt […]
[…] Sie geraten nicht ins Schwitzen, wenn es darum geht, den passenden Wein in der schönsten Flaschenform zu finden. Und der Beschenkte kann zielgenau shoppen gehen. So haben beide was davon. Und wenn Sie […]
[…] 12 Monate. Um die Qualität auch gleich optisch hervorzuheben, wird ein Brunello ausschließlich in Bordeaux-Flaschen abgefüllt. Und diese dürfen nicht mehr als fünf Liter fassen. Bei den meisten Weingütern ist […]
[…] Silvaner aus Rheinhessen oder Franken. Letztere natürlich traditionell in der regionalen Bocksbeutel-Form. Milde Gutedel-Weine passen am besten aus Baden, denn die nussigen Aromen harmonieren gut mit den […]
[…] zwei Stunden, bis er durchgekühlt ist. Bei Schaumweinen dauert es etwa 30 Minuten länger, da die Flaschen aufgrund des Innendrucks dicker sind. Wein reagiert auf Runterkühlen nicht ganz so empfindlich wie […]
[…] betrachtet. Schuld daran ist wahrlich nicht nur der allseits bekannte (und oft belächelte) Bocksbeutel. Auch die beschaulichen Mittelalterkulissen mit ihren Mauern und Wehrtürmen und Fachwerkhäusern […]
[…] Körper sind eher ungewöhnlich für die Mosel. Aber eben auch ungewöhnlich gut. Nur wenige Flaschen werden abgefüllt, ein Großteil geht an Sommeliers der gehobenen Gastronomie. Sollten Sie eines […]
[…] plötzlich zum Niedergang bei. Viele Weinliebhaber nahmen in den 1970er-Jahren diese Flaschenform als trutschig und veraltet wahr. Man verband sie nicht mit Qualität. Damit tat man der Rebsorte […]
[…] Weinflaschen mag es inzwischen noch so viele Verschlusslösungen geben – der Korken ist und bleibt der größte […]
[…] wurde in den 1980er-Jahren zum schwer verkäuflichen Problem: in den Weinlagern stapelten sich die Flaschen billiger Rotweine. Ein Phänomen, dass auch andere Länder betraf und so zahlte die Europäische […]
[…] mild. Allrounder sind trockene Weißweine wie Silvaner aus Franken – natürlich stilecht aus dem Bocksbeutel. Eher zurückhaltend ist auch Müller-Thurgau alias Rivaner aus Baden. Gern im Edelstahl ausgebaut, […]
[…] mit weinbergseigenen Hefen. Ein Großes Gewächs darf zudem nur in die dafür vorgesehenen Flaschenformen abgefüllt werden. Für Riesling ist etwa die Schlegelflasche gedacht, für alle Burgunder-Sorten […]
[…] aufgreift. Ein ganz, ganz großer Klassiker ist da etwa Federweißer. Der noch in der Flasche weiter gärende Jungwein passt mit seiner Restsüße ganz […]
[…] jeder Wein eignet sich für eine lange Reifezeit in der Flasche. Aber die, die es tun, stellen einen als Weinliebhaber manchmal vor ein Problem. Nämlich vor ein […]
[…] oder den Schraubverschluss draufmacht. Einzige Ausnahme: die flachen Gummiverschlüsse, die es für Schlegelflaschen zu kaufen gibt. Vor allem Riesling wird ja gerne in dieser sehr hohen Variante abgefüllt. Mit […]
[…] zu erhalten. Dieser Verschnitt kommt mit einer Mischung aus Zucker und Hefe (Tirage) in die Flasche, die dann ein Kronkorken verschließt. Die beginnende zweite Gärung erzeugt so lange die […]
[…] Traubenselektion und moderne Kellertechniken beibrachten, um so mehr Qualität auf die Flasche zu […]