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Chenin Blanc: Alte-Welt-Rebsorte mit Neuer-Welt-Heimat

Wie konnte es passieren, dass eine Traube aus dem französischen Loire-Tal fast 12.000 Kilometer entfernt in Südafrika zur meistgepflanzten Rebsorte avanciert? Schauen wir uns die Erfolgsgeschichte der weißen Chenin Blanc mal genauer an.

Weinkenner lieben Chenin Blanc wegen der Vielseitigkeit. Oder kennen Sie außer Riesling noch eine andere Rebsorte, die trocken, süß oder prickelnd vinifiziert werden kann? Sie erfreut sich auch deshalb immer größerer Beliebtheit, vor allem in den Großstädten der Welt, weil diese Traube fast jeden Gaumen und jede Vorliebe ansprechen kann. Sie ist die Varietät, die beweist, dass man alles sein kann, was man sein möchte. Denn sie lässt sich nicht durch Einschränkungen oder Erwartungen beeinflussen. Stattdessen passt die Chenin Blanc gerne zu einer (oft bemerkenswerten) Vielzahl von Weinstilen .

Eine kleine Geschichte der Chenin Blanc

Die allererste Erwähnung der Rebsorte geht auf das frühe Jahr 1500 zurück, als der französische Schriftsteller François Rabelais schrieb: "Und mit großen Chenin-Trauben bedeckten sie sorgfältig die Beine von Forgiez, so dass er bald wieder gesund wurde." In der Neuen Welt brachte der niederländische Seefahrer Jan van Riebeeck Stecklinge derweil nach Südafrika. Doch ihr Siegeszug begann tatsächlich erst viel, viel später. Dafür springen wir direkt in 20. Jahrhundert.

Ein Glas mit Weißwein auf einem Tisch mit weißer Tischdecke und einem Schattenspiel

Ende der 1970er- bis in die 1980er-Jahre hinein erlebte der Anbau von Chenin Blanc nämlich zunächst in Kalifornien einen Boom. Noch bevor Chardonnay zur beliebtesten weißen Rebsorte Kaliforniens wurde, war die Traube der Renner. In Kalifornien baute man sogar mehr an als im Mutterland Frankreich. Die Weinsäure, die wir heute an der Rebsorte kennen und lieben, war der Hauptgrund, warum die kalifornischen Winzer die Varietät verwendeten. Hier  verschnitt man die Traube oft mit anderen Rebsorten und etikettierte sie als kalifornischen Champagner oder Chablis. Zudem produzierte man aus Chenin Blanc einen einfachen und süßen Wein, der der amerikanischen Vorliebe für Weine mit Restzucker entgegenkam (oder sie vielleicht sogar förderte). Um es nett auszudrücken: Diese Weine waren nichts Besonderes. 

Chenin Blanc in Frankreich und Südafrika

Und was geschah mit der Varietät in Frankreich in den 1970er-Jahren? Nun, im Loire-Tal, wo die Traube auch als Pineau de la Loire bekannt ist, rodete man die Rebstöcke zugunsten von Cabernet Franc, Gamay und Sauvignon Blanc gerodet. Oder man vernachlässigte sie einfach komplett. Doch nur ein Jahrzehnt später nahm das Interesse an Süßweinen wieder zu, und die Anpflanzungen stiegen. Eine Kombination aus idealen Wetterbedingungen und dem Bedürfnis nach einer Alternative zu den begehrten Sauternes-Weinen aus dem Bordeaux führte dazu, dass das Loire-Tal und insbesondere seine Star-Traube Chenin Blanc wieder einen Aufschwung erlebten.

Reichlich 9.000 Kilometer Luftlinie entfernt wurden zur gleichen Zeit in Südafrika, wo die Traube auch Steen heißt, temperaturkontrollierte Gärgefäße immer beliebter. Damals ging es in erster Linie darum, günstigen, eher geschmacksneutralen Wein zu erzeugen. Wie schade! Hätte man nur früher erkannt, wie viel Terroir Chenin Blanc widerzuspiegeln vermag!

Das änderte sich in den 1990er-Jahren. Denn da bildeten sich unter den Winzern einige Chenin-Blanc-Fanatiker. Ihnen gelang es, der Rebsorte wieder etwas Respekt zu verschaffen, indem sie alte Rebstöcke und Weinbereitungstechniken entdeckten, um damit die Qualität der südafrikanischen Reben zu steigern. Ein Prozess, der seitdem nicht aufzuhalten ist. So erfreut sich die Traube einer steigenden Beliebtheit am Kap. Was man dann auch an den Zahlen sehen kann: Im Jahr 2012 waren in Südafrika 18.200 Hektar mit Chenin Blanc bestockt. Hingegen sind es in Frankreich nur 10.000 Hektar und in Kalifornien etwa 2.923 Hektar.

Weingarten mit Chenin Blanc in Südafrika
In Südafrika ist Chenin Blanc ein echter Star.

Den Unterschied erkennen: Chenin Blanc aus aller Welt

Einer der Hauptunterschiede zwischen den Weinen weltweit sind die Temperaturen, bei denen man die Trauben vergärt. In Regionen der Neuen Welt wie Südafrika wird Chenin Blanc bei niedrigen Temperaturen vergoren, um tropische Fruchtaromen zu erhalten, während das in der Alten Welt in der Regel bei viel höheren Temperaturen geschieht. 

Vouvray in der Touraine und die Region Anjou-Saumur im Loire-Tal sind für ihre stillen und schäumenden Chenin Blancs bekannt, die von knochentrocken bis hin zu üppig süß reichen können. Auch in Savennières, ebenfalls in der Region Anjou-Saumur im Loire-Tal, wird ein vollmundiger, trockener Chenin hergestellt. Wer einen süßen französischen Wein sucht, wird in Coteaux du Layon fündig, ebenfalls in der Region Anjou-Saumur. Liebhaber von prickelnden Weinen werden von den Crémants aus Vouvray begeistert sein, bei denen die traditionelle Flaschengärung zum Einsatz kommt.

In Südafrika, wo Chenin Blanc die anderen Rebsorten dominiert, gibt es einfachere, leichter zu trinkende Weine. Lassen Sie sich davon aber nicht täuschen - es gibt auch am Kap der Guten Hoffnung viele komplexe und faszinierende Gewächse aus dieser Traube. Halten Sie Ausschau nach Weinen aus Swartland und dem Worcester-Distrikt im Breede River Valley. 

Weingarten im französischen Vouvray an der Loire
In Vouvray ist Chenin Blanc Trumpf.

Terroir matters

Wenn wir an das Terroir und all seine Komponenten denken, können wir deutlich erkennen, warum die Traube in den verschiedenen Ländern so unterschiedlich daherkommt. Chenin Blanc aus dem Central Valley in Kalifornien erzielt zum Beispiel oft Erträge von 175 Hektolitern pro Hektar. An der Loire hingegen liegen die Erträge bei etwa 45 Hektolitern pro Hektar. Man geht davon aus, dass geringere Erträge für eine bessere Weinqualität verantwortlich sind. Und dass die Kreszenzen eine höhere Konzentration von Aromen und Mineralität aufweisen. Man kann sich also seinen Teil zu den Weinen aus Kalifornien denken.

Heute wird Chenin Blanc in Frankreich oft als reiner Rebsortenwein präsentiert. In Weinen aus der Neuen Welt wird sie  als Verschnittverwendet, obwohl sich dies langsam ändert. Im Loire-Tal herrscht ein kühleres Klima für den Anbau von Chenin Blanc, während das Central Valley in Kalifornien ein weitaus wärmeres Klima aufweist. Die Traube ist auch in Bezug auf die Böden flexibel, so dass sie sowohl auf den Sedimentböden namens Silex an der Loire als auch auf dem Schiefergestein des südafrikanischen Swartlands gedeihen kann. 

Chenin-Blanc-Traube an einem Rebstock in einer Detailaufnahme
Chenin Blanc: Eine Traube mit vielen unterschiedlichen Facetten.

Stilistisches Chamäleon

Wir haben bereits erwähnt, dass Chenin Blanc unzählige Stile herausbilden kann, wobei jeder Stil und jedes Terroir genau die Vielseitigkeit zum Ausdruck bringt, für die die Traube bekannt und beliebt ist. In Savennières und Vouvray zum Beispiel stehen Weinsäure, Zitrusfrüchte und Geißblatt im Vordergrund. Der südafrikanische und kalifornische Chenin Blanc weist im trockenen Bereich reifere Fruchtnoten auf. Hier ist übrigens ein Verschnitt mit den beiden intensiven weißen Rebsorten Sémillon und Viognier durchaus üblich.

Außerdem kann man Chenin Blanc manchmal mit Chardonnay vergleichen. Denn baut man die Weine im Holzfass aus, ergibt die Rebsorte einen reichhaltigeren Wein voller Schmelz und Cremigkeit. Unabhängig vom Anbaugebiet  und der Ausbauart erkennt man die Weine an ihren allgegenwärtigen Aromen von gekochtem Apfel, Heu und Geißblatt. Doch bei jedem Schritt der Weinherstellung muss der Winzer genau festlegen, wie er die Ausdrucksformen des Weins zur Geltung bringen will. Auch das ist nicht unähnlich zur Rebsorte Chardonnay.

Im südafrikanischen Stellenbosch vinifiziert man mit Strohwein eine Besonderheit. Denn hier verarbeitet man den Saft aus halb getrockneten Trauben. Dieses Verfahren, das auch als Appassimento bekannt ist, findet rund um die Welt Anwendung. Aber Südafrika ist eines der wenigen Länder, wo eben das mit Chenin Blanc geschieht. Diese Strohweine haben Noten von saftiger Mango, getrockneter Kaki, kandiertem Ingwer und gerösteten Mandeln.

Ein Glas mit Weißwein auf einem Holzfass in einem Fasskeller
Je nach Ausbau entwickelt Chenin Blanc eine andere Charakteristik.

Ein Traum für Feinschmecker

Da Chenin Blanc derart abwechslungsreich ist, passt die Rebsorte auch zu einer Vielzahl von Speisen und ist damit ein Traum für jeden Feinschmecker! An einem heißen Sommertag passt ein Glas trockener, knackiger Chenin Blanc wunderbar zu einem Caesar Salad mit Huhn. Ein feinherbes Gewächs indes begleitet ganz wunderbar pikante Thai-Gerichte. Und ein im Holz ausgebauter Wein ist eine tolle Kombi zu einem Teller mit cremiger Pasta

Mal ganz davon abgesehen, dass die Traube auch für Weinproben ein ideales Sujet ist. Eben dank der unterschiedlichen Stile und der damit einhergehenden Charakterzüge, die diese Traube durch Terroir, Vinifikation und Ausbau ausbildet. Probieren Sie doch einmal einen Chenin Blanc von der Loire neben einem aus Südafrika und Kalifornien. Die Unterschiede werden auch Sie faszinieren!

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