Ob nun Hochzeitstag, runder Geburtstag, Weihnachten, Silvester oder einfach, weil man sich etwas Exklusives im Glas verdient hat: Champagner ist dann meist das Getränk der ersten Wahl. Und das auch aus gutem Grund. Die extra feinen Kohlensäureperlen schmiegen sich beeindruckend elegant an den Gaumen, während die harmonische Balance von Geschmack, Struktur und Nachhall oft für wahre Genusshöhenflüge sorgt. Während wir Champagner einfach genießen können, bedeutet er für Winzer und Champagnerhäuser aber vor allem eines: sehr viel akribische Arbeit. Von der Lese bis zum fertigen Champagner kann es manchmal Jahrzehnte dauern.
Die Champagner-Herstellung ist tatsächlich sehr komplex. Und mit vielen Regeln verbunden. In der Tat gibt es in der Champagne so viele Bestimmungen und Vorgaben wie in keiner anderen Weinregion der Welt. Experten benötigen oft Jahre, um sich alle Finessen dieses Prozesses zu verinnerlichen. Wir kürzen diese lange Phase des Lernens ein wenig für Sie ab und zeigen Ihnen, was man alles bei der Produktion von Champagner bedenken muss. Und zwar vom Weingarten bis zum fertigen Schaumwein, bevor wir uns dann den unterschiedlichen Stilistiken widmen, die vor allem das Geschmacksprofil der einzelnen Champagnerhäuser prägen. Mit diesem Wissen werden Sie in kurzer Zeit zum Experten - und können dann sogar noch die einzelnen Stile auseinander halten. Fangen wir also an.
Champagner: Alles beginnt im Weingarten
Da wären zum einen die für die Champagner-Herstellung zugelassenen Rebsorten. Die meisten Menschen denken da automatisch an die große Dreifaltigkeit von Chardonnay, Pinot Noir und Pinot Meunier. Und ja, diese drei Rebsorten machen auch gewaltige 99,7 Prozent der Rebfläche aus. Die restlichen 0,3 Prozent sind allerdings mit den weißen Sorten Pinot Blanc (Weißburgunder), Pinot Gris (Grauburgunder), Arbanne und Petit Meslier bestockt. Insgesamt sind also sieben Rebsorten für Champagner zugelassen. Weiter geht es mit der Ertragsbegrenzung. Sprich: die Erntemenge ist begrenzt. Als Maximalbetrag nennen die Champagner-Statuten 15.000 Kilogramm pro Hektar. Aber jedes Jahr entscheidet das Komitee der Champagne, das die Einhaltung aller Regeln überwacht, von Neuem, wie viel es tatsächlich sein darf. Für das Jahr 2020 waren es zum Beispiel 8.000 Kilogramm pro Hektar. Das wiederum hat etwas mit stabilen Champagner-Preisen zu tun. Wie das zusammenhängt, erklären wir an anderer Stelle.
In der Champagne ist ausschließlich Handlese erlaubt. Was aber nicht nur an dem hohen Qualitätsanspruch liegt. Denn für Champagner darf der Most ausschließlich von ganzen Trauben kommen. Ein Vollernter würde einzelne Beeren oder gar ganze Trauben aber beschädigen. Deswegen ist im Weingarten eben nur Handlese gestattet. Der Grund, warum die Trauben intakt bleiben müssen: Sind einzelne Beerenschalen erst einmal verletzt, setzt sofort der Zersetzungsprozess ein. Je länger so eine Beere unkontrolliert vor sich hin gären kann, desto weniger frisch ist dann der Geschmack des Mosts. Durch die Ganztraubenpressung ist der Most zudem besonders klar - ein Merkmal, auf das man in der Champagne sehr viel Wert legt.
Ab in die Traubenpresse
Für das Pressen der Trauben gibt es übrigens auch Regeln und Vorgaben. Und sehr viele Fachbegriffe. Wir hatten Sie gewarnt: die Champagner-Herstellung ist durchaus kompliziert. Die Mostgewinnung ist begrenzt. Aus 160 Kilogramm Trauben dürfen maximal 102 Liter Most gepresst werden. Davon gelten allerdings nur die ersten 82 Liter als hochwertig, da sie ohne großen Druck entstehen. Diesen Most nennt man tête de cuvée. Er ist so besonders, weil er den reinen Saft der Trauben enthält. Um auf die 102 Liter zu kommen wird zumeist noch ein zweites und drittes Mal gepresst. Dieser Most wird als première und deuxième taille bezeichnet.
Hier findet vor allem das Auspressen der Beerenschalen und Kernen statt. Die Qualität ist also nicht mehr ganz so hoch. In der Regel wird dieser Most nicht mehr selbst weiterverarbeitet, sondern verkauft. Womit Sie jetzt auch den Grund kennen, warum Champagner aus dem Discounter so günstig ist, denn diese bestehen meist nur aus diesen Taille-Weinen. Nun presst ein Winzer natürlich nicht nur 160 Kilogramm auf einmal, sondern wesentlich mehr. Deswegen wurden die Vorgaben auf die Presse hochgerechnet, die in der Champagne früher traditionell zum Einsatz kam (und oft immer noch kommt): die Korbpresse. Sie fasst 4.000 Kilogramm Trauben, aus denen 2050 Liter tête de cuvée entstehen, die dann in traditionelle Champagner-Fässer abgefüllt wird, die je 205 Liter fassen. Also zehn Fässer. Aus den beiden Taille-Pressungen gewinnt man in der Regel zusätzlich 410 Liter.
Die hohe Kunst der Assemblage
Ist der Most erst einmal in den Fässern, wird er ganz normal als Wein vinifiziert. Es sind die sogenannten Basis- beziehungsweise Grundweine, die auch vins clairs heißen, aus denen dann später der Chef de Cave, der Kellermeister eines Weinguts oder Champagnerhauses, die Mischung für den jeweiligen Champagner zusammensetzt. Diesen Vorgang nennt man Assemblage. Und hier wird es dann tatsächlich noch komplizierter. Es gibt schier unendliche Möglichkeiten: Stichwort unterschiedliche Rebsorten und verschiedene Jahrgänge. Wobei meist 70 Prozent der Weine aus dem aktuellen Jahr kommen, der Rest besteht aus Weinen anderer Jahrgänge, die man Reserveweine nennt. Solche Champagner können Sie sofort erkennen: sie tragen keine Jahreszahl auf ihrem Etikett. Diese sogenannten Non-Vintage-Champagner sind tatsächlich Standard. Auch hierfür gibt es einen Grund. Denn gerade die großen Champagnerhäuser sorgen so dafür, dass ihr Champagner jedes Jahr identisch schmeckt und keinen Schwankungen unterworfen ist.
Natürlich gibt es auch Jahrgangschampagner, die dann nur aus den Grundweinen einer einzigen Lese bestehen. Allerdings darf nicht jeder einfach so einen Jahrgangschampagner machen, sondern nur, wenn sich der Verband darauf geeinigt hat, auch tatsächlich einen Jahrgang auszurufen. Damit noch nicht genug! Neben Vintage- und Non-Vintage-Champagner gibt es auch Blanc de Blancs (ausschließlich weiße Rebsorten), Blanc de Noirs (weiß gekelterte rote Rebsorten) oder Rosé-Champagner. Und dann machen die großen Champagnerhäuser gerne auch noch einen Prestige-Champagner, für den nur Grundweine aus besten Trauben der besten Lagen auf die Flasche kommen.
So ein Chef de Cave hat also vor allem bei Champagnerhäusern mit einem großen Portfolio mächtig viel zu tun. Und trägt eine enorme Verantwortung. Bei Dom Pérignon etwa hat der Kellermeister seinen Nachfolger sage und schreibe zehn Jahre lang eingearbeitet, bevor er in die wohlverdiente Rente gehen konnte. Da bekommt man plötzlich eine Ahnung davon, wie hochkomplex der Vorgang der Assemblage tatsächlich ist.
Abstecher: Stilistiken der Champagner-Häuser
An dieser Stelle möchten wir Ihnen eine kleine Verschnaufpause in Sachen Champagner-Herstellung gönnen. Mit Informationen geht es aber trotzdem weiter. Wenn wir schon sagen, dass die Assemblage gerade bei den Non-Vintage-Schäumern den geschmacklichen Fingerabdruck von Champagnerhäusern wesentlich mitbestimmt, dann können wir Ihnen auch direkt ein paar Beispiele geben. Daran lässt sich gut sehen, wie unterschiedlich vor allem die großen Marken schmecken.
Die beiden Non-Vintage-Champagner von Moët & Chandon und Veuve Clicquot zum Beispiel brillieren durch ihre Fruchtigkeit. Während Moët & Chandon viel Wert auf ein vollmundiges Gaumengefühl legt, lässt sich Veuve Clicquot gut an der zusätzlichen zitrischen Frische erkennen. Die Häuser Krug und Bollinger indes sind bekannt für ihre enorm konzentrierten und dicht gewebten Champagner. Taittinger hingegen legt viel Wert darauf, dass die Aromen sehr zart und fein sind. Die Champagnerhäuser Pol Roger und Roederer stehen wiederum für klassisch-ausgewogene Non-Vintage-Schäumer. Was aber nicht bedeutet, dass sie langweilig sind. Im Gegenteil! Beide bestechen mit einer sehr fein austarierten und lebendig wirkenden Weinsäure, die den Champagner auf der Zunge fast schon vibrieren lässt. Die Weichen für diese unterschiedlichen Geschmacksprofile stellt die Assemblage - das weitere Herstellungsverfahren verfeinert sie. Gehen wir also wieder zurück in den Weinkeller und schauen uns an, wie aus dem Stillwein Champagner wird.
Die berühmte Flaschengärung
Sind die Weine erst einmal assembliert, geht es für den Wein für die zweite Gärung direkt auf die Flasche. Da der Wein seine Gärung ja bereits abgeschlossen hat, wird hier die Liqueur de tirage, eine Mischung aus Rohr- oder Rübenzucker und Hefe, dazugegeben. Dieses Verfahren wird überall auf der Welt als méthode traditionelle bezeichnet. Nur in der Champagne darf sie auch méthode champenoise heißen. Durch sie setzt sich die zweite Gärung, die ungefähr drei Wochen dauert, in Gang. Der Zucker wird von den Hefebakterien in Alkohol umgewandelt. Der Alkoholgehalt des Champagners steigt dadurch noch einmal um ungefähr 1,2 Volumenprozent.
Damit die Kohlensäure, die während der Gärung entsteht, nicht entweichen kann, wird die Flasche mit einem Kronkorken verschlossen. Ein normaler Korken kann nämlich dem Druck, der sich so in der Flasche entwickelt, nicht standhalten. In diesem Kronkorken befindet sich wiederum eine kleine Plastikkapsel, die Bidule heißt. In ihr kann sich später der Bodensatz, der sich während der Lagerung bildet, sammeln.
Was uns direkt zum Hefelager bringt. Ein Non-Vintage-Champagner muss mindestens 15 Monate, ein Jahrgangschampagner mindestens drei Jahre sur latte liegen. Dieser Begriff, der übersetzt "auf der Latte" bedeutet, leitet sich von der Position ab, denn die Flaschen liegen für diese Zeit auf Lattengestellen in den kilometerlangen Kreidegängen unter den Weingütern beziehungsweise der Champagnerhäuser. Dieses Hefelager ist aus zweierlei Gründen für einen Champagner wichtig. Zum einen vollzieht die abgestorbene Hefe einen enzymatischen Zersetzungsprozess - die Autolyse. Diese bringt die typischen Aromen von Brioche, Mandeln oder auch Hefezopf in den Schaumwein. Zum anderen verfeinern sich Kohlensäurebläschen durch die Autolyse, was dem Champagner seinen zusätzlichen edlen Charakter verleiht.
Hefe, Hefe, du musst wandern
Ist es Zeit, einen Champagner von seiner Hefe zu trennen, dann schlägt die große Stunde der Rüttler, die in der Champagne remueur heißen. Und nein, das sind keine Maschinen, sondern Menschen, die einen fast ausgestorbenen Beruf ausüben. Denn damit man die Hefe entfernen kann, muss sie sich erstmal im Flaschenhals sammeln. Deswegen steckt man die Champagner in sogenannte Rüttelpulte, auf Französisch pupitres de remuage genannt. Es folgt ein Prozess, der genau 21 Tage dauert. In den ersten zwei Wochen wird jede Flasche täglich mit einem präzisen Ruck ein Zehntel um die eigene Achse gedreht. Erst in der letzten Woche ändert sich dann auch die Neigung der Flasche, damit der Hefepropf immer weiter Richtung Flaschenhals wandert.
Die Arbeit der Rüttler ist nicht nur recht monoton, sondern auch einsam. Manchmal kann es Wochen dauern, bis man einem anderen Menschen begegnet. Erfahrene Rüttler schaffen bis zu 50.000 Flaschen am Tag. Das ist eine beeindruckende Zahl - aber bei der Menge, die an Champagner produziert wird, nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Bei Moët & Chandon verlassen zum Beispiel jedes Jahr 35 Millionen Champagnerflaschen die Kellergewölbe. Da ist es nur logisch, dass es auch ein maschinelles Äquivalent zum traditionellen Rüttler gibt. Und zwar die gyropalettes. Das sind große quadratische Drahtkäfige, die mit einem elektronisch gesteuerten Greifarm die Arbeit der Rüttler vollmechanisch übernehmen. Meistens werden die Flaschen nach der zweiten Gärung schon in den gyropalettes gelagert. Diese Vollmechanisierung mag nicht ganz zum romantischen Bild des Champagner passen, macht aber tatsächlich keinen Unterschied. Ob ein Champagner per Hand oder maschinell gerüttelt wurde, schmeckt man ganz einfach nicht heraus.
Degorgieren und Dosage
Ist die Hefe erst einmal im Flaschenhals angekommen, kann sie entfernt werden. Diesen Prozess nennt man dégorgement. Früher wurde das rein manuell gemacht. Sobald man den Kronkorken öffnet, musste man damals allerdings sehr schnell sein, denn der Hefepropf schoss mit aller Kraft heraus - und damit auch viel Champagner. In kleineren Betrieben ist dieses Vorgehen, dass man dégorgement à la volée ("Degorgieren im Flug") nennt, noch immer betrieben. Um den Verlust von Champagner zu minimieren und den ganzen Prozess zu beschleunigen, ist es heutzutage aber üblich, den Flaschenhals in ein Eisbad zu tauchen, bis die Hefe gefriert. Sie schießt nach dem Öffnen dann ohne großen Schaumweinverlust heraus.
Auch wenn diese Methode dafür sorgt, dass weniger Schaumwein mit heraussprudelt - ein wenig Verlust ist immer. Und dieser wird dann einfach aufgefüllt. Allerdings nicht immer mit dem identischen Champagner, sondern mit einer sogenannten Versanddosage, deren genaue Zusammensetzung eines der streng gehütetsten Geheimnisse eines jeden Champagnerhauses ist. Diese Dosage bestimmt letztlich, wie trocken oder süß ein Champagner schmeckt - und ob bestimmte Aromen im Schaumwein zusätzlich herausgearbeitet werden. Natürlich gibt es auch bei der Dosage wieder Regeln und Namen:
- Brut Nature oder zero dosage: keine Dosage, 0 bis 3 Gramm Restzucker pro Liter
- Extra Brut: Dosage mit 0 bis 6 Gramm Restzucker pro Liter
- Brut: Dosage mit 6 bis 12 Gramm Restzucker pro Liter
- Extra Sec oder Extra Dry: Dosage mit 12 bis 17 Gramm Restzucker pro Liter
- Sec: Dosage mit 17 bis 32 Gramm Restzucker pro Liter
- Demi Sec: Dosage mit 32 bis 50 Gramm Restzucker pro Liter
- Doux: Dosage mit mehr als 50 Gramm Restzucker pro Liter
Eine Dosage mit über 50 Gramm Restzucker ist heutzutage sehr, sehr selten. Tatsächlich war sie aber noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts durchaus üblich. Als die berühmte Witwe Clicquot noch lebte, war ein Champagner oft lieblicher als Süßwein wie Sauternes.
Voilà: Champagner
Nun hat der Champagner also seine Dosage und kann wieder verschlossen werden. Aufgrund des Drucks durch die Kohlensäure kommt dafür kein normaler Korken in Frage. Der sogenannte Champagnerkorken ist leicht zu erkennen: er sieht aus wie ein Pilz. Der Kopf sowie ein kleiner Teil des Stiels bestehen dabei aus Presskorken, an den zwei Scheiben mit Naturkorken angeklebt sind. Es sind nur diese beiden Scheiben, die mit dem Champagner selbst in Berührung kommen. So können sie nicht austrocknen und verschließen die Flasche. Man kann einen Champagner also wie einen guten Wein mehrere Jahre liegend lagern.
Dank des Drucks in der Flasche muss der Champagnerkorken noch zusätzlich gesichert werden. Nämlich mit einem kleinen Drahtgestell, das ihn umschließt: die Agraffe. Und damit diese nicht zu sehr in den Korken schneidet und ihn dabei vielleicht beschädigt, wird noch eine kleine Metallscheibe zwischen Korken und Agraffe geschoben - die Muselet. Jetzt muss der Champagner nur noch etikettiert werden und dann kann er das Haus nach langer Zeit und sehr viel Arbeit endlich verlassen.
Bei einer derart komplexen Herstellung ist es nicht verwunderlich, dass Champagner nach wie vor als das Nonplusultra der Schaumweine gilt. Und auch der hohe Preis, der für dieses edle Getränk aufgerufen wird, erklärt sich damit von selbst. Wobei nicht nur der Preis, sondern vor allem der extrafeine Geschmack einen Champagner zu etwas ganz Besonderen macht. Er ist Luxus, Glamour und verkörpert Lebensfreude pur. Wie man ihn am besten genießt, hat einst Madame Lily Bollinger verraten, mit deren Zitat wir diesen kleinen Marathon schließen: "Ich trinke Champagner, wenn ich glücklich bin und wenn ich traurig bin. Manchmal trinke ich davon, wenn ich allein bin. In Gesellschaft geht es gar nicht ohne. Wenn ich keinen Hunger habe, mache ich mir mit ihm Appetit, und wenn ich hungrig bin, lasse ich ihn mir schmecken."
53 Antworten auf „Champagner: Alle Infos zu Herstellung und Stilistik“
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