Wenn man vom Markusplatz aus am Dogenpalast vorbeigeht und dann von der Rialtobrücke über den Canal Grande schaut, kann man ihn noch spüren. Den alten Glanz Venedigs. Und die Macht, die der jetzige Touristenmagnet im Nordosten Italiens besaß. Im 15. Jahrhundert beherrschte die venezianische Flotte das gesamte Mittelmeer. Man verbeugte sich vor der Lagunenstadt und nannte sie ehrfürchtig Serenissima - die Erlauchte. Während sich Florenz in der Toskana zum Finanzzentrum des Landes mauserte, avancierte Venedig zum Handelsknotenpunkt für ganz Italien. Schiffe kamen und fuhren wieder, ließen ihre kostbaren Güter in der Stadt und nahmen andere mit. Immer mit an Bord: Wein. Zum einen als Handelsgut, zum anderen als Proviant. Davon profitierte die komplette Republik Venedig. Und damit auch die Region, die wir heute als Venetien kennen.
Denn ja, bis Ende des 18. Jahrhunderts war Venedig tatsächlich eine eigenständige Adelsrepublik. Dessen Stern begann allerdings schon mit dem Fall von Konstantinopel im Jahr 1453 zu sinken. Damals eroberten die Osmanen den Mittelmeerraum. Und dann musste die Serenissima 1797 nach der Besetzung durch Napoleon Bonaparte auch noch ihre Souveränität aufgeben. Nur ein Jahr später gehörte Venedig zu Österreich, ging dann an das Königreich Italien, um bald darauf wieder österreichisch zu werden. Erst nach dem Frieden von Wien wurde die Stadt samt Venetien am 3. Oktober 1866 dauerhaft italienisch. Bei all dem Hin und Her verlor Venedig seinen mächtigen Einfluss. Was aber blieb, war der vinophile Schatz.
Vielfalt aus Venetien
Warum dieser geschichtliche Hintergrund durchaus wichtig ist? Weil er erklärt, warum Venetien bis heute eine derart wichtige Rolle für den italienischen Weinbau spielt. Nach Sizilien und Apulien ist Venetien mit etwa 80.000 Hektar Rebfläche zwar nur die drittgrößte Weinregion des Landes, aber mit acht Millionen Hektoliter Ertrag jährlich wird nirgendwo sonst in Italien derart viel Wein produziert wie hier. Wobei mit der Masse aber auch eine gehörige Portion Klasse einhergeht. Schon allein, weil die Weine so unterschiedlich sind. Was nicht zuletzt an der Vielfalt der unterschiedlichen Appellationen liegt.
Sage und schreibe 29 DOCs (Denominazione di Origine Controllata) und 14 DOCGs (Denominazione di Origine Controllata e Garantita) findet man in Venetien. Und diese sind für die Hälfte der kompletten Produktion verantwortlich! Von Amarone della Valpolicella über Lugana und Prosecco bis hin zu Soave - all diese berühmten Weinstile kommen aus Venetien. Das macht es nicht unbedingt einfach, sich diese Vielfalt auch einzuprägen. Nähern wir uns deswegen der Region erst einmal über ihre Geographie und das Klima. Denn beide Faktoren bringen tatsächlich viel Ordnung in das facettenreiche Weinfüllhorn.
Geographie, Klima und Böden in Venetien
Von den Alpenausläufern im Norden bis hin zur Adriaküste im Süden wird Venetien von vier anderen Weinregionen eingerahmt. Nämlich Friaul-Julisch Venetien im Osten, Südtirol und der Lombardei im Norden und Westen sowie Emilia-Romagna im Süden. Von der Küste ziehen warme mediterrane Klimaeinflüsse ins Landesinnere bis hin zur flachen Po-Ebene. Im Norden sorgen die Alpen wiederum dafür, dass das Klima gemäßigter ist. Die Berge halten Regen und Unwetter ab. Es gibt also ein glasklares Nord-Süd-Gefälle beim Klima. Und genau dieses findet man dann auch bei den Böden wieder.
Im Norden etwa ist der Untergrund besonders steinig und weist viel Kalk auf. Die Böden sind karg und wasserdurchlässig. Dagegen dominieren im Süden Sand, Lehm und Kiesel-Schwemmland. Vor allem in der Po-Ebene sind die Böden besonders fruchtbar. Und fruchtbare Erde bedeutet beim Weinbau vor allem eines: ideale Bedingungen für die Massenproduktion. Denn hier kann man so besonders ertragreich anbauen. Venetien bildet da keine Ausnahme.
Zwischen den Flüssen Po und Etsch bis runter zur Adriaküste findet man hier dicht bepflanzte Weingärten mit Pinot Grigio, Chardonnay und Merlot, die ebenso fruchtige wie einfache Weine hervorbringen. Wenn es um Qualitätsweinbau geht, muss man indes gen Norden blicken. Vor allem rund um Verona, das sich deswegen inzwischen auch die Vormachtstellung in Sachen Wein erworben hat. Und zwar nicht nur in Venetien, sondern in ganz Italien! Hier findet schließlich jährlich die berühmte Weinmesse Vinitaly statt. Höchste Zeit also, dass wir uns jetzt mal einen kleinen Überblick über die bekanntesten Appellationen verschaffen.
Gefragte Stars: Weine aus Valpolicella
Im Nordwesten Veronas findet man ein Gebiet, dass Venetien in der Welt bekannt gemacht hat: Valpolicella. Die Weingärten ziehen sich hier bis in die Ausläufer der Dolomiten hoch. Das Besondere: neben Kalkstein und etwas Lehm findet man hier auch vulkanische Böden. Und genau die sorgen für eine wunderschön mineralische Note in den roten Corvina- und Rondinella-Trauben, die bei gemäßigtem Klima in Ruhe und ganz langsam ausreifen, während vom Westen der Gardasee ein paar kühlende Brisen herüberschickt.
Hier ist zum einen die Heimat des fruchtig-süffigen DOC Valpolicella, der mit leichten Tanninen und fruchtigen Kirsch-Aromen unbeschwerten und jungen Genuss verspricht. Wie anders ist doch da der DOCG Amarone della Valpolicella! Obwohl aus den gleichen Trauben bereitet, besticht der Amarone mit seinem vollen Körper, einem hohen Alkoholgehalt und konzentrierten Aromen von roten Beeren und Gewürzen. Dank der vielen Tannine ist er ein Rotwein, den man eine kleine Ewigkeit zuhause lagern kann, der sich aber auch wunderbar jung trinken lässt.
Getrocknete Trauben für den Intensitätskick
Das Geheimnis hinter dem Amarone ist das Passito-Verfahren, das auch als Appassimento bekannt ist. Hier werden die Trauben nach der Lese zunächst getrocknet und dann erst vergoren. Das bringt sehr viel Körper und intensiven Geschmack in den Wein. Und wenn man dann die Beerenschalen eines Amarones in ein Fass durchgegorenen Valpolicella gibt, setzt dort aufgrund des Zuckers aus den neuen Schalen die Fermentation wieder ein. So entsteht dann ein Valpolicella Ripasso, der nicht ganz so intensiv ist, aber auch mit viel vollmundiger Kirschfrucht aufwartet.
Außerdem gibt es in der Gegend mit dem DOCG Recioto della Valpolicella noch einen Süßwein, der aus reifen Trauben mit einem derart hohen Zuckergehalt gewonnen wird, dass hier die Gärung meist von selbst zum Erliegen kommt, weil die Hefen bereits völlig übersättigt sind, bevor sie den kompletten Zucker in Alkohol umgewandelt haben. Ein Recioto della Valpolicella hat unheimlich intensive Kirsch- und Erdbeernoten, viel Alkohol, einen vollen Körper mit vielen Gerbstoffen und natürlich eine deutliche Restsüße. Nun sind alle Valpolicella-Weine rot. Möchte man hochwertige Weißweine aus Venetien, wird man östlich von Verona fündig.
Soave - die weiße Seite Venetiens
Einen Recioto-Süßwein findet man dort auch aus der weißen Rebsorte Garganega. Dieser heißt dann DOCG Recioto di Soave und wird wie das rote Pendant aus Valpolicella vinifiziert. Nur, dass hier dann eben süße Noten von Birnen, Aprikosen und Äpfeln dominieren. Wenn man diesen Dessertwein noch ein paar Jahre lagert, kommen Aromen von Mandeln und Honig hinzu. Äußerst delikat! Aber die DOC Soave ist nicht nur für ihren Recioto bekannt, sondern vor allem für ihren trockenen Weißwein aus Garganega. Aus dieser Rebsorte entstehen zwei recht unterschiedliche Soave. Was an den Böden liegt. Wir erinnern uns: die Po-Ebene ist recht fruchtbar. Und genau dort endet die DOC Soave im Süden. Die Reben gedeihen auf sandigen Schwemmlandböden. Die Weine, die aus diesen Trauben entstehen, haben meist eine mittlere Weinsäure, sind jung zu trinken und bestechen mit frischen Aromen von knackigen roten Äpfeln und saftigen Birnen.
Ganz anders kommt indes ein DOC Soave aus dem Norden daher! Wie in Valpolicella findet man hier in den Böden Kalkstein und Lehm sowie Vulkangestein. Hinzu kommt dann noch die Höhenlage. Denn die Reben befinden sich wieder am Fuße der Dolomiten. Hier ist es kühler, die Trauben reifen also langsamer und bilden dadurch eine besonders intensive Aromatik aus - ohne dabei ihre hohe Weinsäure zu verlieren. Dadurch entstehen Weine mit Tiefgang, die neben den fruchtigen Komponenten von Äpfeln, Birnen und Steinobst auch durch Noten von weißem Pfeffer beeindrucken.
So ein Soave kann noch mehrere Jahre in der Flasche reifen, denn er gewinnt durch die Lagerung noch an Komplexität. Wenn ein Wein hier übrigens ausschließlich aus Trauben bereitet wird, die von den Gebirgsausläufern kommen, darf er sich nicht nur DOC Soave, sondern sogar DOC Soave Classico nennen. Analog zum toskanischen Chianti Classico ist das nämlich einst das ursprüngliche Soave-Gebiet gewesen, das irgendwann erweitert wurde.
Nicht nur Touristen-Lieblinge: Lugana und Prosecco
Valpolicella und Soave haben dem Renommee Venetiens mit ihren Qualitäten einen ordentlichen Schub gegeben und sind überall auf der Welt beliebt. Es gibt aber noch weitere Weine, die den Ruhm der Region begründet haben. Einen davon findet man direkt am Gardasee. Zwar liegt der größte Teil der DOC Lugana nicht in Venetien, sondern in der Lombardei. Aber die Weißweine aus der Rebsorte Trebbiano di Soave, die in der Region auch Turbiana oder Trebbiano di Lugana heißt, entstehen nun einmal auch im Veneto, wie die Einheimischen ihre Region nennen. Und weil sich Lugana vor allem hierzulande einer immer größer werdenden Beliebtheit erfreut, haben wir diesem Wein bereits einen eigenen Text gewidmet.
Selbiges gilt auch für den Italien-Prickler schlechthin: den Prosecco. Die DOC Prosecco hat sich auf die Produktion von Schaumweinen aus der weißen Rebsorte Glera spezialisiert. Die DOC teilt sich Venetien mit der Region Friaul-Julisch Venetien. Die DOCG Prosecco - also quasi das Qualitätsherzstück der Schaumweinproduktion - liegt zwischen den Orten Valdobbiadene und Conegliano. Und damit komplett in Venetien. Prosecco wie auch Lugana bestechen durch ihren fruchtigen Charme und dürfen gerne jung getrunken werden. Dank zahlreicher deutscher Touristen, die sich am Gardasee, in Verona und Venetien tummeln und die die beiden Weine aus dem Urlaub mit nach Hause gebracht haben, sind Prosecco und Lugana hierzulande die beiden großen Kult-Getränke für den Sommer geworden.
Venetien-Vielfalt für Zuhause
Sie sehen: die Weine aus Venetien sind ebenso unterschiedlich wie beliebt. Tatsächlich steht vor allem ein Amarone della Valpolicella in seinem Renommee sogar einem Barolo aus dem Piemont oder einem Brunello di Montalcino aus der Toskana in nichts nach. Selbiges gilt auch für einen Soave Classico. Und wer es etwas unbeschwerter im Glas haben möchte, der trifft mit einem roten Valpolicella ebenso eine gute Wahl wie mit einem Prosecco oder Lugana. Die Bandbreite der Weinregion ist ebenso erstaunlich wie das hohe Qualitätsniveau bei der Menge, die produziert wird. Denn immerhin kommen rund 20 Prozent aller italienischen Weine aus dem Veneto! Das ist eine wirklich erstaunliche Zahl, die es - zumindest auf diesem hohen Niveau - nur sehr selten gibt.
Was wir Ihnen jetzt vorschlagen, dürfte klar sein. Lernen Sie Venetien kennen! Entweder entspannt in der Sommersonne mit einem Glas Lugana oder Prosecco in der Hand. Oder wie wäre es denn mal damit, einen Valpolicella Ripasso neben einem Amarone della Valpolicella zu verkosten? Es ist mehr als spannend, die Gemeinsamkeiten und die Unterschiede zu entdecken. Versprochen!
13 Antworten auf „Venetien: Weinregion mit vielen Gesichtern“
[…] Und auch in der Neuzeit hat der Wein, der südlich des Gardasees teils in der Lombardei, teils in Venetien entsteht, nichts von seiner Strahlkraft verloren. Das gerade einmal 700 Hektar große Gebiet bekam […]
[…] vollen Körper und saftigen Noten von Pfirsich und exotischen Früchten glänzen. Im Flachland von Venetien entstehen allerdings eher leichtere Varianten. Sie haben einen schlanken Körper, eine relativ hohe […]
[…] dem Brunello di Montalcino. Neben dem Barolo aus dem Piemont und dem Amarone de Valpolicella aus Venetien hat er unter allen italienischen Weinen mit das höchste Renommee. Und das liegt vor allem an […]
[…] geht beim intensiven Geschmack des Rinderknochenmarks indes etwas unter. Im Gegensatz zum Soave aus Venetien, aus dem Nordosten […]
[…] Schaumwein-Aperitifs! Ob Cidre oder die Birnenvariante Poirée aus der Normandie oder Prosecco aus Venetien – sie alle erfrischen schön gekühlt mit prickelnden Bläschen und feinen Aromen. Zudem kommen sie […]
[…] Weißwein macht man da eigentlich nie etwas falsch. Das kann ein körperreicher Pinot Grigio aus Venetien oder aber das deutsche Pendant Grauburgunder aus Baden oder der Pfalz sein sein. Auch ein Silvaner […]
[…] indes zeugt von der Herkunft des Weins, die im Valpolicella-Gebiet in der norditalienischen Region Venetien verortet […]
[…] wird Merlot hauptsächlich im Norden des Landes angebaut. Vor allem in den wärmeren Zonen von Venetien, der Lombardei und Friaul-Julisch Venetien ist die Rebsorte begehrt, weil sie mit ihrem moderaten […]
[…] wenn es dann doch lieber ein Weißwein zu Lasagne sein soll, dann lohnt sich ein Blick gen Venetien. Denn hier ist man mitten im Pinot-Grigio-Mekka Italiens. Gerade die etwas fülligeren Varianten […]
[…] Auch in Österreich findet man ein System für Prädikatsweine. Das ist dem aus Deutschland sogar recht ähnlich. Es gibt nur zwei zusätzliche Stufen. Zwischen Auslese und Beerenauslese findet man den Ruster Ausbruch, der tatsächlich nur in der eigens dafür geschaffenen Subregion im Burgenland produziert werden darf. Für diesen Süßwein ist Edelfäule essentiell. Neben der Trockenbeerenauslese gibt es in der Alpenrepublik dann noch den Strohwein. Hierfür werden gesunde Trauben auf Strohmatten getrocknet, bis sie etwa die Hälfte ihres Volumens verloren haben. Falls Ihnen dieses Verfahren jetzt bekannt vorkommt: man nennt es auch Appassimento. Und der bekannteste Wein, der so produziert wird, ist der Amarone della Valpolicella aus dem italienischen Venetien. […]
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