Im Jahr 2008 erreichte die weltweite Lust nach Rosé-Champagner ihren Höhepunkt. Damals überstieg die Nachfrage das Angebot. Und die Champagner-Häuser machten das, was sie immer machten, wenn genau das - aus welchem Grund auch immer - passiert. Sie gaben erst einmal gar nichts mehr raus, sondern lagerten die begehrten Flaschen einfach weiter tief unter der Erde in den kilometerlangen Kreidegängen. Damit die Preise trotz gleicher Produktionsmenge stabil blieben. Hier ist man seit jeher drauf bedacht, dass die Preise nicht sinnlos steigen, damit die besonders edlen Tropfen wie etwa die Jahrgangs-Champagner nicht in ihrem Wert verfallen. Dieses Vorgehen hat in der Champagne in solchen Situationen Tradition.
Dass es ausgerechnet Rosé-Champagner war, der damals diesen Mechanismus auslöste, war jetzt auch nicht unbedingt überraschend. Schließlich übt diese besondere Form des Champagners seit jeher eine große Faszination aus. Bereits im 16. Jahrhundert, als mit dem "Vin Gris", dem "grauen Wein", der Ur-Champagner auf den Markt kam, fanden vor allem die Exemplare reißenden Absatz, die leicht rosa schimmerten. Offiziell "erfunden" hat den Rosé-Champagner dann aber die wohl berühmteste Schaumwein-Witwe der Welt: die Veuve Clicquot. Das Champagner-Haus selbst legt das Jahr 1818 für diese Innovation fest.
Rosé-Champagner gestern und heute
Bereits um 1850 war Rosé-Champagner in aller Munde. Allerdings ließ der Trend recht schnell wieder nach. Erst gegen 1900 waren die lachsfarbenen Edelschäumer wieder in. Der finale Schub kam dann aber in den 1990er-Jahren. Und hat seitdem auch nicht nachgelassen. Im Gegenteil! War es früher bei den "echten" Weinkennern, die ja nun hauptsächlich männlich waren, einfach unseriös, Rosé zu genießen, hat sich dieses Image in den vergangenen Jahrzehnten grundsätzlich geändert.
Noch in den 1980er-Jahren waren sämtliche Rosé-Erzeugnisse eher etwas für Frauen. Sie wurden mit fruchtig-leichter Frische gleichgesetzt. Für einen Rosé-Wein aus der Provence mag das auch grundsätzlich erst einmal stimmen. Auf einen Rosé-Champagner trifft das aber meistens nicht zu, denn dieser erzählt - wie auch seine weiß gekelterten Brüder - konsequent von seiner Herkunft. Und weil diese immer auch etwas mit den kühlen Kalk- oder Kreideböden der Champagne zu tun hat, sind die Schaumweine zwar stilistisch unterschiedlich, aber eben immer höchst elegant und dadurch unverwechselbar. Stilistik ist beim Rosé-Champagner übrigens das richtige Stichwort. Denn warum er schmeckt, wie er schmeckt, hat nicht nur was mit den Trauben zu tun, sondern auch mit der Herstellungsart.
Mischen oder maischen: So entsteht Rosé-Champagner
Gerade einmal drei Prozent aller produzierten Champagner sind Rosé. Eine verschwindend geringe Menge. Und das hat auch einen guten Grund. Denn die Herstellung ist alles andere als einfach. Generell gibt es zwei Methoden, mit denen man Rosé-Champagner vinifizieren kann. Entweder man mischt Rotwein vor der berühmten zweiten Gärung, die dafür verantwortlich ist, dass sich die eleganten Kohlesäure-Bläschen entwickeln, in die Assemblage (also die Mischung der verschiedenen Grundweine). Oder aber die roten Trauben von Pinot Noir oder Pinot Meunier liegen ein paar Stunden auf der Maische, damit die Farbstoffe aus den Beerenschalen in den Most gelangen können. Schauen wir uns beide Verfahren samt ihren Vorteilen und Geschmackswelten einmal genauer an - und kommen dann zu einer kleinen Besonderheit.
Rosé d’Assemblage: Ein Schuss Rotwein, bitte
Bei etwa 95 Prozent aller Rosé-Champagner sorgt Rotwein für die schöne Farbe. Natürlich nicht irgendein Rotwein. Es ist immer ein trocken ausgebauter Pinot Noir oder Pinot Meunier. Sämtliche dafür verwendete Trauben stammen aus der Champagne, wurden per Hand gelesen und nach den strengen Vorschriften der Region vinifiziert. Diese Stillweine werden übrigens nicht nur für die Produktion von Rosé-Champagner verwendet, sondern unter dem Namen "Coteaux Champenois" auch verkauft.
Bei einem Rosé d’Assemblage kommen zwischen fünf und 20 Prozent Rotwein in die ansonsten weiße Assemblage der unterschiedlichen Grundweine hinzu. An dieser Stelle wird es durchaus kompliziert. Denn nur, weil der Basiswein an sich weiß ist, heißt das nicht, dass er ausschließlich aus Chardonnay besteht. Also der weißen Rebsorte, die traditionell in Champagner kommt. Schließlich werden auch die roten Rebsorten Pinot Noir und Pinot Meunier für Champagner in der Regel weiß gekeltert. Es können also durchaus schon rote Rebsorten in den weißen Grundweinen drin sein. Kommt dann noch Rotwein für die schöne Rosé-Farbe hinzu, ändert sich der Charakter des Champagner ein wenig. Rosé-Champagner die so entstehen, sind meist fruchtiger und brillieren durch eine bezaubernd leichte Eleganz. Ein Rosé d’Assemblage ist deswegen ein vorzüglicher Aperitif.
Rosé de Saignée: Hautkontakt für Edelschäumer
Während man mit der Rotwein-Assemblage nicht nur relativ günstig, sondern vor allem auch sehr gleichbleibende Rosé-Champagner erzeugen kann, ist die Saignée-Methode schon etwas aufwändiger, denn ihr Kern ist die Mazeration der Trauben. Hierbei wird der frisch gepresste Most der roten Trauben (also Pinot Noir oder Pinot Meunier) für bis zu 48 Stunden auf der Maische gelassen. Die Beerenschalen geben so ihre Farbe an den Traubenmost ab. Ein Vorgang, wie er auch bei der Vinifikation von Rotwein passiert - nur eben ohne Gärung.
Dieses Verfahren ist relativ tricky, denn man muss als Kellermeister (in der Champagne auch Chef de Cave genannt - ein Beruf mit enorm viel Ansehen) sehr auf den richtigen Zeitpunkt achten, um die gewünschte Farbe zu erhalten. Vergoren wird der rosa Most dann meist ganz normal im Tank. Wenn der rote Grundwein aus dem Tank geschüttet wird, sieht es aus, als würde dieser bluten. "Saigner", von dem sich das Wort Saignée ableitet, bedeutet auf Französisch genau das: bluten. Anschließend wird dieser mit den Grundweinen verschnitten und es erfolgt die zweite Gärung auf der Flasche.
Weil die Rosé-Champagner, die mithilfe der Saignée-Methode entstehen, dank der Gerbstoffe aus den Beerenschalen meist eher kräftiger sind und eine sehr komplexe Struktur haben, machen sie vor allem als Speisenbegleiter eine hervorragende Figur. Zum Beispiel zu einer französischen Fischsuppe oder zu einem feinen Filet vom Milchlamm.
Seltene Methode: Rosé de Pressée
Obwohl über 99 Prozent aller Rosé-Champagner entweder durch Assemblage oder das Saignée-Verfahren vinifiziert werden, möchten wir Ihnen den kleinen Exoten unter den Herstellungsmethoden nicht verschweigen. Bei einem Rosé de Pressée ist der Name Programm: Die Trauben werden angepresst. Statt sie dann aber nur für ein paar Stunden auf der Maische zu belassen, werden sie direkt angegoren, bevor man sie von dem Most trennt.
Dieses Verfahren ist recht ursprünglich und fand bereits vom 18. bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts eine rege Anwendung, bevor es in Vergessenheit geriet. Es war Baptiste Lecaillon, seines Zeichens Chef de Cave des Champagner-Hauses Louis Roederer, der diese Methode für den Brut Rosé und den äußerst raren Cristal Rosé des Hauses wieder aufleben ließ. Wobei diese Herstellungsart bei Champagner durchaus ein Exot ist, findet sie in der Gascogne bei Rosé-Weinen durchaus regelmäßig Anwendung. Für Champagner sind die beiden anderen Methoden allerdings kostengünstiger - und kommen dementsprechend häufiger zum Einsatz.
Rosé-Champagner: Jede Mühe wert
So unterschiedlich die Methoden auch sein mögen, das Ziel für Rosé-Champagner ist identisch: nämlich einen Schaumwein zu kreieren, der mit seiner Eleganz und seinem edlen Charakter sofort bezaubert. Oder anders ausgedrückt: er soll alle Eigenschaften eines weißen Champagner haben - nur in noch aufregender. Genau das hat ihn in den vergangenen Jahrzehnten zu einem der begehrtesten Luxus-Getränke überhaupt gemacht. Früher noch wurde Rosé-Champagner als harmloses Edel-Getränk für Frauen abgetan. Inzwischen sind aber auch Frauen große Weinkenner - und Männer haben kein Problem mehr damit, auch Rosé zu trinken. Und so lassen sich inzwischen alle Geschlechter von den verschiedenen Rosé faszinieren. Allein über die Farbe, die von zarten Kupfer- und saftigen Lachs-Tönen bis hin zu einem satten Pink changieren kann, lässt sich stundenlang vorzüglich debattieren.
Diese jeweilige Rosé-Farbe eines Champagners (so ein Champagner-Haus macht sich im Vorfeld viele Gedanken, welcher Ton es denn genau sein soll) Jahr für Jahr wieder exakt zu treffen, ist übrigens eine hohe Kunst, für die die Kellermeister enorm viel Fingerspitzengefühl benötigen. Nur ein äußerst talentierter Chef de Cave bekommt das kontinuierlich hin. Ein weiterer Baustein für den Mythos Rosé-Champagner, dem man ob der köstlichen Eleganz nur allzu gerne immer wieder verfällt.
16 Antworten auf „Rosé-Champagner: Alles Wissenswerte rund um den Edel-Schaumwein“
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