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La Mancha: Spanische Weinregion der Superlative

Groß, größer, La Mancha – so lässt sich das Weinbaugebiet südlich von Madrid am besten zusammenfassen. Zwischen Hype und Massenproduktion verlor man hier einst fast seine Geschmacksidentität, um dann wie ein Phönix aus der Asche wieder aufzuerstehen.

Noch immer prägen die legendären weißen Windmühlen die Landschaft von La Mancha. Eben jene Windmühlen, gegen die Don Quijote, der Ritter "von trauriger Gestalt", im gleichnamigen Roman von Miguel de Cervantes im 17. Jahrhundert wahnhaft kämpfte. Diese berührende Geschichte wird in der flirrenden Hitze wieder lebendig, wenn man die 250 Kilometer des Hochplateaus namens Meseta überquert, die das Herzstück der La Mancha in Zentralspanien ausmacht. Hier brennt die Sonne gnadenlos auf die fast staubtrockene Erde nieder. Ob nun Olivenbäume, Getreidefelder oder eben Weinreben - sie alle sind den hohen Temperaturen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. 45 Grad Celsius sind im Sommer tatsächlich normal. Ebenso wie bitterkalte Nächte mit bis zu minus 20 Grad Celsius im Winter. Ein kontinentales Klima der Extreme, das bestens zu der öden Landschaft mit seinen Lehm-, Kalk- und Sandböden passt.

Bei all der Kargheit und den unwirtlichen Bedingungen mag man es kaum glauben, dass hier tatsächlich Weinbau existiert! Doch das tut er. Auch, wenn der Startschuss im Vergleich zum Rest von Spanien recht spät fiel. An den Küsten kultivierte man dank der Phönizier schließlich schon viertausend Jahre vor unserer Zeit Weinreben. Ins Landesinnere wagten sich dann allerdings erst etwa 200 Jahre vor Christus die Römer mit ihren Weinstöcken, die auf dem Hochplateau des Meseta ein neues Zuhause fanden. Nach dem Zerfall des Römischen Reichs konnten selbst die Mauren ab dem 7. Jahrhundert dem Weinbau dort nichts anhaben. Sie waren es übrigens, die die Region "Manxa" nannten, was soviel wie "gedörrtes Land" bedeutete. Ein höchst passender Name also, aus dem im Laufe der Jahrhunderte dann eben das heutige La Mancha wurde.

Karger Hügel mit weißen Windmühlen in der Region La Mancha in Spanien
Karg, karger, La Mancha.

Liebling von Königen und Adeligen

Fast wäre die Region nach dem Abzug der Mauren im 10. Jahrhundert in Vergessenheit geraten, doch im 16. Jahrhundert kam wieder Leben in den Weinbau von La Mancha, als sich der spanische Königshof dauerhaft in Madrid niederließ. Der Adel gierte nach Wein - und fand seine Hauptbezugsquelle in La Mancha. Immer mehr Getreidefelder wurden deswegen in Weingärten umgewandelt, die Fläche wuchs und wuchs. Einen weiteren Push bekam der Weinbau im 18. Jahrhundert von König Karl III. Dieser ließ die Rebflächen noch einmal erweitern, um es auch den Bürgern zu ermöglichen, Wein aus La Mancha im Glas zu haben. Der Rebensaft war nicht mehr nur dem Adel vorbehalten, sondern beim Volk angekommen. Ein kluger Schachzug, denn Karl III. erhob zugleich eine Steuer auf Wein aus La Mancha, um damit einige Bauvorhaben in Madrid zu finanzieren. Clever, wirklich clever!

Rotwein wird aus einer Weinflasche in ein Weinglas eingegossen

Im 19. Jahrhundert kam dann der nächste Pflanzschub vom Marquis de Mudela. Er ließ Weingärten im großen Stil anlegen. Das wiederum hatte zur Folge, dass man Wein aus La Mancha plötzlich in ganz Spanien genoss. Selbst, als Anfang des 20. Jahrhunderts die Reblaus in La Mancha wütete und einen Großteil der 70.000 Hektar Rebfläche verwüstete, war die Weineuphorie nicht zu bremsen. Verwunderlich ist das übrigens nicht. Denn dank der über 3.000 Sonnenstunden entstanden hier besonders vollmundige und kräftige Weine, die damals extrem beliebt waren. Da war es nur logisch, nach der Reblaus alles wieder aufzubauen.

Karte von der Weinregion La Mancha in Spanien
La Mancha ist das größte zusammenhängende Weinbaugebiet der Welt. © Wine in Black

Aus La Mancha wird "La Pancha"

Wobei das Wort Aufbau es nicht so ganz trifft. Denn tatsächlich fand bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts eine gigantische Expansion der Rebfläche in La Mancha statt. Sage und schreibe 350.000 Hektar umfasste die Rebfläche in den 1960er-Jahren, die sich gerade einmal 300 Betriebe teilten. Das machte La Mancha zum größten Weinbaugebiet der Welt! Nur mal zum Vergleich: Rioja, die zweitgrößte spanische Weinregion, hatte zu diesem Zeitpunkt gerade einmal gut 60.000 Hektar vorzuweisen. Ein krasser Unterschied. Leider spiegelte sich diese Masse dann auch in der Produktion wieder. Es wurde schnell und vor allem billig produziert. Die Weinbauern setzten dabei vor allem auf eine Rebsorte. Die weiße Airén, die bereits seit dem Mittelalter in La Mancha heimisch war. Ihre Trauben verwendete man vor allem für die Brandy-Produktion, aber auch Weine wurden aus ihr bereitet. Diese waren allerdings recht schlicht und ohne großen Charakter.

Aufgrund der Massenproduktion begann der Ruf der Weine aus La Mancha zu leiden. Sie verkamen zur billigen Supermarkt-Ware. Innerhalb der Weinbranche machte sich sogar die Redewendung "La Mancha, la Pancha" breit - so unterirdisch waren die Qualitäten, die man in den Discountern dieser Welt verscherbelte. 1976 versuchte die spanische Regierung, dem Qualitätsverfall entgegenzuwirken, indem man der Region mit dem D.O.-Status (Denominación de Origen) eine garantierte Herkunftsbezeichnung verlieh. Diese brachte ein paar Regeln in Sachen Weinbau nach La Mancha. Doch tatsächlich konnte die Abwärtsspirale erst 1986 nach dem Beitritt Spaniens in die Europäische Union gestoppt werden.

EU räumt auf

Denn die EU half der spanischen Regierung bei der Qualitätsoffensive für La Mancha. So führte sie zum Beispiel eine Rodungsprämie ein. Genau dieser ist es zu verdanken, dass die Rebfläche von 350.000 auf knapp 200.000 Hektar schrumpfte. Klasse statt Masse war die Devise - wenn auch weiterhin im großen Stil. Viele Weingütern nutzten ihre Prämien, um in eine moderne Kellertechnik zu investieren. Außerdem blickte man erstmals über den Airén-Tellerrand hinaus.

Junge Rebstöcke in einem Weingarten
Seit dem spanischen Eintritt in die EU ist Klasse statt Masse die Devise in La Mancha.

Diese Rebsorte macht zwar nach wie vor knapp 50 Prozent der Rebfläche aus, aber dank einem Förderprogramm der spanischen Behörden konnte eine andere Traube in La Mancha etabliert werden. Die rote Tempranillo, die man hier Cencibel nennt. Auch sie fühlt sich in dem heißen Klima und auf den sandigen Böden wohl, bringt allerdings Weine mit einem schönen fruchtigen Charakter hervor, der den Ruf von La Mancha wieder aufmöbeln konnte.

Carlos Falcó, der Pionier aus La Mancha

Nun ist es zwar schön und gut, eine vom Staat quasi verordnete Qualitätsoffensive umzusetzen. Aber um sich wieder auf das Weltparkett in Sachen Wein zu bringen, gehört schon mehr dazu als solch ein Pflichtprogramm. Dafür braucht es Visionen. Und genau die hatte Carlos Falcó, Spross der Adelsfamilie Marquis de Griñón. Womit wir uns jetzt dem Örtchen Malpica del Tajo zuwenden. Denn hier wandelte Carlos Falcó 1974 den landwirtschaftlichen Betrieb der Familie in ein reines Weingut um. Statt wie seine Nachbarn aber auf Airén und Massenproduktion zu setzten, ging der Winzer zusammen mit seinem Önologen Julio López Mourelle ganz anders vor. Zunächst installierten die beiden Vorreiter ein System für Tröpfchenbewässerung in den Weingärten. Ihr Ziel war es nämlich, internationale Rebsorten in La Mancha zu etablieren. Für die es hier aber ohne zusätzliche Bewässerung zu trocken gewesen wäre. So aber gediehen Cabernet Sauvignon, Syrah, Merlot und Petit Verdot hier prächtig.

Zwei Weingläser mit Rotwein vor schwarzem Hintergrund

Während andere Winzer in den 1990er-Jahren von Airén auf Tempranillo umstiegen, installierte Carlos Falcó in seinen Weingärten High-Tech-Geräte, um Bodenfeuchtigkeit und Wärme zu kontrollieren. Außerdem baute er den ersten klimatisierten Weinkeller in La Mancha und war auch der Erste, der mit dem Ausbau in französischen Barriques experimentierte. Bei so viel Liebe zum Detail war es nur eine logische Konsequenz, dass Carlos Falcó und Julio López Mourelle auch damit anfingen, Weine aus Einzellagen auszubauen. Sie wollten damit ganz gezielt den Geschmack eines bestimmten Terroirs auf die Flasche bringen. Damals war das in La Mancha eine komplett neue Angelegenheit! Und eine erfolgreiche noch dazu, denn die Pago-Weine (Pago ist die spanische Übersetzung von Einzellage) fanden national wie auch international reißenden Absatz. Wobei Einzellage hier ein weit gefasster Begriff ist. Denn tatsächlich werden auch größere Bereiche innerhalb Spaniens als Einzellage gewertet. 

Weingarten mit alten Buschreben, im Hintergrund sind die typischen weißen Windmühlen von La Mancha zu sehen
Uralte Buschreben in La Mancha.

La Mancha und der Vino de Pago

Für Carlos Falcó war schnell klar, dass die Pago-Weine gesetzlich geschützt werden müssen. Denn natürlich brachte der Erfolg schnell Nachahmer mit sich. Dagegen hatte Falcó erst einmal gar nichts einzuwenden. Schließlich ging es um das Renommee von La Mancha. Allerdings wollte er eine gesetzliche Verankerung haben, um den Qualitätsanspruch zu gewährleisten. Was bedeutete, dass die Pago-Weine tatsächlich nur aus zuvor bestimmten Einzellagen kommen dürfen; dass die Qualität der Trauben und auch der Ausbau klar definiert sein müssen. Falcó ruhte nicht, bis das spanische Parlament 2003 tatsächlich ein eigenes Gesetz für Vinos de Pago erließ.

Diese Qualifikation bildet seitdem die Spitze der Qualitätspyramide in ganz Spanien. Das Besondere: der Status Vino de Pago für einen bestimmten Wein kann von einem Weingut nicht beantragt werden - es wird ihm verliehen. Und zwar erst dann, wenn das Weingut bereits seit längerer Zeit für eine allgemein hohe Qualität steht. Bis heute haben lediglich 18 Betriebe in ganz Spanien diesen Titel verliehen bekommen - und acht von ihnen befinden sich in La Mancha. So viel, wie in keiner anderen Region! Wenn man bedenkt, dass La Mancha aufgrund seiner Massenproduktion einst derart verschrien war, ist das eine mehr als erstaunliche Entwicklung.

Noch erstaunlicher ist allerdings, dass trotz der enormen Qualitätssteigerungen nicht an der Preisschraube gedreht wurde. Bis heute glänzen die Weine aus La Mancha nicht nur mit einer satten Fruchtigkeit und viel sonnigem Schmelz, sondern auch mit einem grandios fairen Preis-Genuss-Verhältnis. Ein Grund mehr, Ihnen die Gewächse dringend ans Herz zu legen. Eine Erkundungstour im Glas lohnt sich hier allemal. Versprochen.

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