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Master of Wine: Mein Weg zum Titel

Weltweit gibt es nur gut 400 Menschen, die den höchsten Titel der Weinwelt erreicht haben und sich Master of Wine nennen dürfen. Romana Echensperger ist eine von ihnen – und berichtet hier von ihrem Weg.

Man wird angerufen - alle anderen bekommen eine schnöde E-Mail. Nur bei dem, der bestanden hat, erscheint zwischen 8 und 9 Uhr morgens die Nummer mit Ländervorwahl +44 auf dem Handydisplay. Mit der unvergleichlichen englischen Art näselt dann die in London sitzende Geschäftsführerin in den Hörer: "On behalf of the Institute of Masters of Wine..." Mehr habe ich ehrlich gesagt nicht mehr gehört. Zu groß war die Erleichterung und auch zu laut der Jubelschrei, den man nach fünf Jahren harter Arbeit auch mal rauslassen muss. Das war Ende Juli 2015. Seitdem darf ich mich Master of Wine nennen.

Master of Wine: Von London in die Welt

Den Beschluss zu dieser Ausbildung hatte ich zehn Jahre vorher gefasst. Damals war ich Sommelière. Und so schön dieser Beruf auch ist, mir war immer klar, dass ich das nicht bis zur Rente machen kann. Im Weinhandel habe ich mich auch nicht gesehen. Also blieb nur, auf eine gute Ausbildung zu setzen, mit dem Ziel der Selbständigkeit. Nach bestandener Weinakademikerprüfung in Geisenheim konnte ich mich dann im Jahre 2010 beim Institute of Masters of Wine (IMW) einschreiben. Das IMW sitzt in London und ist eine private und weltweit anerkannte Organisation. Das Ziel der Vereinigung ist es, Exzellenz, gute Kommunikation und Ausbildung in allen Bereichen der globalen Weinwirtschaft zu fördern.

Rotwein wird aus einer Weinflasche in ein Weinglas eingegossen

Das IMW bietet die Ausbildung zum Master of Wine (MW) an, die gemeinhin als besonders hart und schwierig gilt. MWs bekleiden wichtige Posten in der Weinwelt. Namhafte Kollegen sind etwa Kritikerin Jancis Robinson, Auktionatorin bei Sotheby’s Serena Sutcliffe, Winzer wie Olivier Humbrecht oder Markus del Monego, der einen großen Discounter beim Weineinkauf beraten hat. Weltweit sind wir nun 409 Master of Wine.

Eine Frau schreibt Verkostungsnotizen zu einem Rotwein.
Für einen Master of Wine dreht sich alles nur um ein Thema: Rebensaft.

Wer Master of Wine werden will, benötigt Disziplin

Es gibt verschiedene Gründe, warum die Prüfungen so schwer sind und warum viele daran scheitern. Natürlich muss man viel Wissen über Weinbau, Kellertechnik, Qualitätsmanagement, Marketing und dergleichen haben. Aber es geht nicht nur ums Wissen an sich, sondern auch darum, dies verständlich kommunizieren zu können. Denn nur, wer etwas wirklich in seinen Zusammenhängen begriffen hat, kann es auch einfach vermitteln. So werden die Theorieprüfungen in Essay-Form abgenommen. Für Studenten, die mit dem englischen Schulsystem vertraut waren, war das eine deutlich geringere Herausforderung als für mich, die nur eine hiesige Realschule besucht hatte. Hinzu kommt, die Examen in englischer Sprache abzulegen. Mit meinem schlichten Schulenglisch war ich zunächst auch mächtig überfordert.

Die Vorbereitungen laufen zudem weitgehend als Heimstudium unter der Ägide eines Mentors. Zwar gibt es einige Kurstage, aber die reichen bei Weitem nicht aus. Es braucht also eine gehörige Portion Disziplin, sich neben dem normalen Arbeitsalltag die Zeit für so ein ausführliches Studium zu nehmen. Viele Teilnehmer scheitern vor allem daran, auch weil private Umstände die Pläne durchkreuzen. Heute, als zweifache Mutter, wäre ich nicht mehr in der Lage, das Tempo und den Druck durchzuhalten.

Weingläser mit Rosé auf einem festlich deckten Tisch

Blindverkostung: "We don’t need fruit salad."

Ein besonders dicker Brocken sind die Verkostungsprüfungen. An drei Tagen werden jeweils zwölf Weine blind verkostet. Dabei müssen die Weine, die aus aller Welt kommen können, bezüglich Rebsorte, Herkunft oder Herstellung unter enormen Zeitdruck eingeordnet und ausführliche Fragen dazu beantwortet werden. Dabei ist die Art, wie man als Sommelier verkostet, nicht gefragt. Noch gut kann ich mich an einen der ersten Kurstage erinnern, an dem ich stolz meine Verkostungsnotiz mitsamt Aromen-Arie vorgelesen hatte. Der Seminarleiter betrachtete mich nur sarkastisch über seine Brillenränder hinweg und sagte trocken: "We don’t need fruit salad."

Frau mit einem leeren Weinglas und Vorkostungsnotizen in der Hand.
Der Weg zum Titel ist hart. © Institute of Masters of Wine

Überhaupt sind Blindproben etwas sehr demütigendes. Es gibt Tage, an denen man so verdammt gut ist und sich danach übermütig für einen Supertaster hält. Und dann wiederum kann man einen Chablis nicht von einem Sancerre unterscheiden. In der ersten Verkostungsprüfung, bei der ich grandios durchgefallen bin, habe ich einen Côte du Rhône für einen Beaujolais gehalten und war felsenfest davon überzeugt, dass die zwei neuseeländischen Pinot Noir aus dem Burgund kommen. Ebenfalls habe ich Franciacorta zu Champagner gemacht und Sauternes zu Tokaj. Ganz zu schweigen von den vielen anderen Fehlern. Nachdem man über ein Jahr hart trainiert hat, war das sehr deprimierend.

Mit den Gläsern im Handgepäck

Während ich die Theorieprüfung auf Anhieb schaffte, musste ich also für die Verkostungsprüfungen besonders viel trainieren. Einmal zu Hause, im Kreis von anderen Studenten, aber auch bei verschiedenen Kurstagen in London. Gläser muss man zu den Seminaren übrigens selber mitbringen. So fliegt man als Student regelmäßig mit einem Dutzend Gläsern im Handgepäck in die britische Hauptstadt.

Es gehört zu den Kuriositäten eines Master of Wine-Studenten, mit Gläserkartons kreuz und quer in der U-Bahn durch London zu düsen und diese dann abends in der Hoteldusche für den nächsten Tag zu waschen. So entsteht fast schon eine sentimentale Beziehung zu diesen verdammten zwölf Gläsern, die man quasi mehrfach um den ganzen Erdball geschleppt hat.

Aufgereihte Weingläser mit unterschiedlichen Weinen
Ein angehender Master of Wine hat immer seine eigenen Gläser dabei.

Master of Wine: Herausforderung Kosten

Wo wir auch schon beim nächsten Thema sind: den Kosten. Das Geringste sind Kurs- und Prüfungsgebühren. Ein besonderer Schlag ins Kontor stellen die unzähligen gekauften Fachbücher, Weine und vor allem Reisekosten dar. So kommen pro Studienjahr locker 10.000 Euro zusammen. Besonders herausfordernd ist es, eine einigermaßen erträgliche Unterkunft in London zu finden. Zwar gibt es den ein oder anderen Studenten, der sich für die Zeit des Studiums dort eine Wohnung als Zweitwohnsitz aus der Portokasse gekauft hat. Doch die Überzahl der Kollegen musste sich aus Kostengründen mit den fiesen Absteigen herumschlagen.

Heute kann man herzhaft lachen, wenn man an schmierige Duschvorhänge denkt, die am Körper kleben, wenn man ihnen zu nahe kam. Oder an Teppichboden um Toilettenschüsseln herum, an zugige Fenster und winzige Zimmer im Souterrain, wo Bett und Dusche nur einen halben Schritt voneinander entfernt waren. Aber auch in so einer Bude kann man sich mit anderen Studenten treffen und mit viel Spaß ein paar sensationelle selbst mitgebrachte Weine zu Döner und Pizza aus Pappschachteln trinken.

Big Ben in London bei Sonnenuntergang
Nicht nur die Ausbildung an sich ist teuer, sondern auch das Leben in London.

Und dann kommt die Abschlussarbeit

Wer Theorie- und Verkostungsprüfung bestanden hat, muss noch eine Abschlussarbeit schreiben. Das war für mich der schwierigste Teil. Schon die Auswahl des Themas war hart. Zunächst wollte ich über Biodynamie schreiben, aber es gelang mir nicht, den richtigen Ansatz dafür zu finden. Vielleicht auch deshalb, weil der zuständige Prüfer dem Thema sehr abgeneigt war.

Nachdem ich ein Jahr damit vertan hatte, wollte ich ganz nüchtern über Genossenschaften schreiben. Hauptsache, das Ding endlich abschließen. Nichts gegen Genossenschaften, aber das war für mich so langweilig, dass ich mich beim besten Willen nicht aufraffen konnte, das wirklich zu verfolgen. Erst durch eine glückliche Fügung kam ich zu dem Thema Silvaner aus Franken. So konnte ich nach zwei vertanen Jahren und nach fünf Jahren insgesamt endlich das Studium abschließen.

Seminar im Institute of Masters of Wine in London
Lernen, verkosten, lernen, verkosten. © Institute of Masters of Wine

Ein Leben als Master of Wine

Rückblickend war es eine phantastische Zeit und ich würde es immer wieder machen. Auch wenn das Studium einen körperlich und psychisch an seine Grenzen und weit darüber hinaus bringt. Natürlich lebt das Institute of Masters of Wine und das Studium von den vielen Leuten aus aller Welt, von der Gemeinschaft, die man dort erlebt. Heute habe ich Freunde von Israel über Japan bis Australien. Der Blick über den Tellerrand ist sowieso ein Wert an sich, ebenso die Art zu verkosten. Als Sommelier in einem Spitzenrestaurant hat man den Blick nur auf einen winzigen Teil der Weinwelt. Weine, vom kleinsten Zinfandel Rosé bis hin zum Premier Grand Cru Classé aus dem Bordeaux, mit der gleichen Aufmerksamkeit zu verkosten, war eine der wichtigsten Lehren an sich. Ebenso habe ich gelernt, über Wein einigermaßen unterhaltsam zu sprechen und auch komplexere Zusammenhänge relativ verständlich zu kommunizieren.

Seitdem ich Master of Wine bin, hat sich vieles verändert. Ich bin mit großer Freude und auch erfolgreich selbständig. So schreibe ich für verschiedene Publikationen, arbeite als Weinkritikerin oder berate einige Unternehmen bei der Weinauswahl. Vor der Corona-Krise war ich gefragte Rednerin und Lehrerin im In- und Ausland. Die Weinwelt ist so groß und vielfältig, es gibt viel zu tun. Es sind noch einige Projekte in der Pipeline und ich will noch was erreichen. Das größte Glück ist jedoch, dass mir der Titel ermöglicht, meine zwei Leidenschaften ganz gut unter einen Hut zu bekommen: meine Familie und Wein.

Weine aus unserem Shop, die zu diesem Artikel passen:

1 Anwort auf „Master of Wine: Mein Weg zum Titel“

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