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Feinherb: Weinbegriff mit Interpretations-Spielraum

Was bedeutet eigentlich feinherb? Diese Frage gehört zu den meistgestellten, wenn es um Wein geht. Ist der Wein besonders kernig – oder ist damit der Süßegrad gemeint? Bringen wir mal Licht ins Dunkel.

Kaum ein anderer Weinbegriff verunsichert derart wie die Bezeichnung feinherb auf einem Weinetikett. Was ist damit genau gemeint? Ist der Wein denn nun fein oder herb? Was für einen Geschmack darf man da als Weinliebhaber erwarten? Für die meisten Menschen ist feinherb inzwischen einfach nur das Synonym für halbtrocken. Ganz verkehrt ist das nicht. Aber eben auch nicht vollkommen richtig. Es gibt da nämlich einen kleinen, aber sehr wichtigen Unterschied. Die Bezeichnung halbtrocken ist im deutschen Weingesetz definiert und verankert. Feinherb indes nicht. 

Bevor wir uns in weitere Details stürzen, schauen wir uns erst einmal die gesetzlichen Vorgaben für die Geschmacksrichtung halbtrocken an. Denn diese bildet quasi die Basis für alles weitere. Und hier ist alles ganz klar geregelt. Ein halbtrockener Wein kann zwischen 9 und 18 Gramm Restzucker pro Liter haben. In der Regel liegt der Zuckergehalt nicht über 10 Gramm pro Liter im Vergleich zur Gesamtsäure. Hat ein Wein also zum Beispiel 7 Gramm Weinsäure, wenn man auf die Analysewerte schaut, muss der Restzucker zwingend unter 17 Gramm pro Liter liegen. Es gibt aber auch Ausnahmen. Wenn der Restzuckergehalt bei einem Wein unter 9 Gramm liegt, der Säuregehalt aber um mehr als 2 Gramm niedriger ist, darf sich ein Wein nicht mehr trocken nennen, sondern muss als halbtrocken auf den Markt kommen. Mit dieser Vorgabe wird sichergestellt, dass der Wein ausbalanciert ist, weil sich Süße und Weinsäure ausgleichen.

Ein Glas mit Weißwein auf einem Tisch mit weißer Tischdecke und einem Schattenspiel

Feinherb beim Stillwein versus herb beim Schaumwein

Und noch eine weitere Sache vorweg. Diese Restsüße-Weinsäure-Vorgabe gilt tatsächlich ausschließlich für halbtrockene Stillweine. Bei Schaumweinen sieht die ganze Sache noch einmal anders aus. Denn dort liegt der halbtrockene Bereich (auch Demi-Sec oder Medium Dry genannt) zwischen 32 bis 50 Gramm Restzucker pro Liter. Beim Stillwein wären wir da bereits bei lieblich und süß. Es geht aber noch verwirrender. Schließlich gibt es im Prickler-Bereich zusätzlich die Bezeichnungen naturherb, extra herb und herb. Nur dass man diese Begriffe meistens in der französischen Version auf einem Etikett findet: Brut Nature, Extra Brut und Brut. Feinherb ist als Begrifflichkeit hier also angelehnt, hat aber nichts mit den bei Schaumweinen vorgeschriebenen Gesamtzuckerwerten zu tun. Uff. Wie aber nun definiert man feinherb?

Da gibt es tatsächlich kein einheitliches Vorgehen. Von 9 Gramm Restzucker pro Liter bis hin zu 45 Gramm hat schon so ziemlich alles seinen Weg in die Weinflasche gefunden. Im Laufe der Zeit hat sich feinherb bei vielen deutschen Winzern aber tatsächlich als Synonym für halbtrocken eingebürgert. Sodass man als Weinliebhaber davon ausgehen kann, dass der Restzucker irgendwo zwischen 9 und 18 Gramm pro Liter liegt.

Feinherb im Wein: Zuckerwürfel in einer Detailaufnahme
Bei feinherben Weinen ist die Restzucker-Spanne recht groß.

Wie der Begriff feinherb entstand

Was uns zur nächsten Frage bringt. Nämlich wer überhaupt den Begriff feinherb erfunden hat. Dafür müssen wir eine kleine Zeitreise zurück in die 1990er-Jahre machen. Damals bildete sich ein Trend heraus. Nämlich die Vorliebe für trockene Weine. Ein halbtrockener oder gar lieblicher deutscher Riesling mag damals im Ausland noch hip gewesen sein. Hierzulande wuchs allerdings eine immer größere Fangemeinde von trockenen Weinen. Gerade Riesling sollte im Glas schon fast stauben. Das stellte nicht nur Erzeuger von Prädikatsweinen vor ein kleines Problem. Schließlich haben diese gerne mal eine gewisse Restsüße. Ein trockener Kabinett war damals zum Beispiel wahrlich kein Standard. Halbtrockene Kabinette wurden allerdings kaum noch nachgefragt. Gerade für die Winzer an der Mosel wurde das zu einem sehr großen Problem, weil hier Riesling traditionell mit Restüße daherkam. Und auch noch kommt.

Es war also eine kleine Gruppe von Mosel-Winzern, die in den Jahren 2000 und 2001 damit begannen, den Begriff feinherb statt halbtrocken auf die Etiketten ihrer Flaschen zu drucken. Damit wollte man das schlechte Image von halbtrocken als Bezeichnung umgehen und den Konsumenten eine unverfänglichere Alternative anbieten. Und so den Absatz von Weinen mit Restsüße wieder etwas ankurbeln. Natürlich bekamen die Winzer prompt Probleme mit Kollegen und dem Gesetzgeber. Eben weil feinherb nun mal nicht im Weingesetz auftaucht. Die Angelegenheit wurde dann schließlich vor dem Oberlandesgericht in Rheinland-Pfalz verhandelt. Die Mosel-Winzer gewannen und durften feinherb weiterhin verwenden. Es dauerte nicht lange, bis der Begriff seinen Siegeszug durch die deutschen Weinbaugebiete antrat. Auch beschränkt er sich schon längst nicht mehr auf Riesling. Tatsächlich gibt es mittlerweile unzählige feinherbe Weiß-, Rot- und Rosé-Weine!

Moselschleife bei Kröv.
Mosel: Hier nahm der Begriff "feinherb" seinen Anfang.

Für mehr Geschmackssicherheit im Genießerleben

Ohne gesetzliche Bestimmungen sahen sich die Winzer aber schnell einem neuen Problem gegenüber: wie süß soll denn nun ihr eigener feinherber Wein schmecken? Bestes Beispiel, wie verwirrend es für Weinliebhaber sein kann, wenn es keine Verbindlichkeiten gibt, ist das französische Elsass. Dort gab es bis vor Kurzem nämlich kein gesetzlich geregeltes und damit offizielles Bezeichnungssystem für die Süßegrade im Wein. Als Weingenießer muss man da schon ganz genau die Stilisitik des jeweiligen Weinguts kennen. Was wiederum viele Unsicherheiten mit sich bringt. Von den Berührungsängsten, einen unbekannten Wein einfach mal so zu kaufen und zu probieren, mal ganz abgesehen. Das ändert sich von 2022 an allerdings. Denn dann müssen die Winzer im Elsass zumindest den Restzuckergehalt verbindlich mit angeben. Damit hat man als Kunde wenigstens einen Orientierungspunkt.

Die deutschen Winzer sind da zum Glück verbraucherorientierter. Sie nutzen die Freiheiten, die der gesetzlich nicht geregelte Begriff feinherb so mit sich bringt, nur bedingt und orientieren sich viel lieber an halbtrocken als Richtwert. Damit liefert man dem Weinliebhaber dann quasi so etwas wie eine Geschmackssicherheit. Denn wir machen uns tatsächlich keine Sorgen, wie süß ein feinherber Wein ist, sondern erwarten bereits das Spektrum, das halbtrocken so zu bieten hat. Rechtlich mag man also zwischen feinherb und halbtrocken unterscheiden. Der Alltag beweist allerdings, dass die Deckungsgleichheit extrem hoch ist. Ein großer Vorteil für uns Weintrinker! Zumal es langsam aber sicher zu einer Trendwende kommt. Ob nun als unkomplizierter Sommergenuss oder aber als Speisenbegleiter zu pikanten asiatischen und Currygerichten - immer mehr Menschen haben halbtrockene Weine wieder schätzen gelernt. Und der Begriff feinherb hat dafür gesorgt, dass es weniger Berührungsängste gibt. Ein voller Sieg also in Sachen Genuss!

Weine aus unserem Shop, die zu diesem Artikel passen:

11 Antworten auf „Feinherb: Weinbegriff mit Interpretations-Spielraum“

[…] Oder aber – um die Brücke zum Wein zu schlagen – haben Sie schon mal eine Rieslingsuppe probiert? Für die Spezialität aus dem Rheingau schwitzen Sie Lauch und Zwiebeln in Butter an, löschen mit Hühnerbrühe ab, lassen das Ganze kurz köcheln, bevor es püriert wird. Im Anschluss mit Sahne, Riesling und Schmelzkäse abschmecken und schon haben Sie eine weitere raffinierte Suppe für den Oster-Brunch fertig. Und dazu gibt es? Natürlich einen Riesling. Zum Beispiel den 'Bruno by Karthäuserhof' Riesling Kabinett feinherb. […]