Am Kaiserstuhl, dem imposanten Vulkanhügel in der Weinregion Baden, brütet der Bienenfresser. Der schillernd bunte Vogel ist in Deutschland eine echte Rarität. Denn er braucht Wärme. Genau die findet er am Kaiserstuhl, gehört der erloschene Vulkan doch zu den heißesten Gegenden in der Bundesrepublik. Hier ist es im Jahr durchschnittlich 1,5 Grad Celsius wärmer als etwa in den Weinbergen an der Mosel. Dort können in manchen Jahren zwischen Austrieb der Blüte und Lese der Trauben über 150 Tage vergehen. Ganz anders am Kaiserstuhl, wo die Beeren bereits nach 100 bis 110 Tagen ausgereift sind. Wie auch die Pfalz nennt man Baden daher schon mal liebevoll die "deutsche Toskana".
In der südlichsten Weinregion Deutschlands braucht es also echte Wärmespezialisten! Genau deswegen gedeihen hier Burgundersorten besonders gut. Sprich Spätburgunder auf der roten Seite und Weiß- und Grauburgunder auf der weißen. Zusammen macht dieses Trio in Baden über fünfzig Prozent des Rebsortenspiegels aus. Genau diese drei Varianten sind hier auch für Königsklasse der Weine zugelassen, die Großen Gewächse. Damit ist Baden eindeutig Burgunderland! Daneben können Winzer ihre Großen Gewächse auch aus den weißen Varianten Riesling und Chardonnay erzeugen. Da fragt man sich, warum hier im Spitzenbereich so viele Sorten erlaubt sind. Nun, das knapp 16.000 Hektar große Gebiet bietet ihnen auf viel Raum ein äußerst abwechslungsreiches Terroir.
Von karg bis vulkanisch: Badisches Terroir
Baden erstreckt sich von Nord nach Süd auf über 400 Kilometer. Damit hat man sich einen weiteren Superlativ gesichert und ist auch noch die längste deutsche Weinregion. Vom kleinen Ort Wertheim bei Franken über die Universitätsstädte Heidelberg und Freiburg bis ins Dreiländereck mit Frankreich und der Schweiz. Weiter östlich von dort gibt es sogar noch einen kleinen Außenposten am Bodensee. Wer die Region und ihre spannenden Gewächse entdecken möchte, sollte also schon ein paar Tage Zeit und Lust zum Reisen mitbringen.
Dabei befinden sich die meisten Weinberge zwischen den französischen Vogesen und dem Schwarzwald, rechts des Rheines. Beide Gebirge sorgen dafür, dass es schön warm bleibt, denn sie schirmen die Rheinebene vor kalten Winden ab. Zusätzlich strömt durch eine Öffnung an der richtigen Stelle, die sogenannte Burgundische Pforte, immer wieder mediterrane Luft in den Oberrheingraben. Als dieser sich vor über 50 Millionen Jahren langsam durch Plattenbewegungen bildete, wurde auch etliches an Material an die Erdoberfläche gebracht. Daher findet sich heute in Baden ein Kaleidoskop an Bodenarten: kargen Moränenschotter und mineralienreichen Muschelkalk gibt es ebenso wie schwereren Ton, Löss und Lehm sowie fruchtbares Vulkangestein. Damit man bei all dem nicht gänzlich den Überblick verliert, hat man das badische Weinland in neun Bereiche unterteilt. Genau die schauen wir uns jetzt von Norden kommend mal genauer an.
Badens Norden: Tauberfranken, Badische Bergstraße, Kraichgau
Starten wir im idyllisch gelegenen Wertheim. Der kleine Ort befindet sich am Zusammenfluss von Main und Tauber. Dabei ist der Name Tauberfranken (600 Hektar) kein Zufall, sondern bewusst gewählt. Denn auf der anderen Seite des Mains liegt das Weingebiet Franken. Entlang der Tauber erstreckt sich Tauberfranken, Badens cool Climate! Hier zeigt das Thermometer im Durchschnitt 1,5 Grad Celsius weniger an als im restlichen Baden. Aber bereits dieser kleine Außenposten ist in Burgunder-Hand: Der Star ist Pinot Meunier, auch Schwarzriesling genannt. Die Champagner-Sorte ist kühles Klima gewöhnt und läuft auch auf den Muschelkalk- und Buntsandsteinböden in Tauberfranken zur Hochform auf. Allerdings seltener als Schaumwein, sondern als duftender Rotwein mit Beeren-Aromen und Würze. Für die Weißweine pflanzt man die frostunempfindliche Müller-Thurgau an, die dann traditionell in den markant geschwungenen Bocksbeuteln abgefüllt wird. Da sieht man die Nähe zu Franken auch optisch.
Knapp 100 Kilometer weiter südwestlich befindet sich der kleinste Bereich von Baden. Die Badische Bergstraße rund um Heidelberg umfasst nur 400 Hektar. Die Fortsetzung der Hessischen Bergstraße hat trotz ihres Namens eher kleine Hügel zu bieten, die bis auf 250 Meter Höhe reichen. An der "deutschen Riviera" ist es bereits deutlich wärmer, im Frühling verströmen blühende Mandelbäume mediterranes Flair. Auf Buntsandstein und Muschelkalk fühlen sich Riesling und Spätburgunder wohl. Beide treffen wir ebenfalls auf den sanft gewellten Hügeln im Kraichgau (1.200 Hektar) wieder an. Klima und Böden sind ähnlich, hinzu kommen Lössauflagen, die Wärme speichern. Dadurch geraten die Weine kraftvoller. Außerdem gedeiht hier eine echte Rarität: Auxerrois, eine Spielart des Weißburgunders, die weltweit auf lediglich knapp 3.000 Hektar wächst. Auxerrois-Weine duften nach reifem Pfirsich und Kräutern und zeigen sich am Gaumen mit milder Weinsäure. Eine sehr viel bekanntere Sorte erleben wir weiter südlich.
Baden: Rieslingzentrum in Ortenau
Von der Kurstadt Baden-Baden bis nach Offenbach erstreckt sich Deutschlands südlichste Rieslingregion Ortenau (2.800 Hektar). Zwischen dem Rheinufer und den Ausläufern des Schwarzwalds gehen die Weinberge an steilen Hängen auf bis zu 400 Meter Höhe hinauf. Die Böden sind von Granit, Gneis, Porphyr und Quarzit geprägt. Damit sind sie ideal für die Rebe Riesling, deren Weine sich in Ortenau mineralisch und frisch geben. Trotz aller Eleganz sind sie dabei stilistisch auf der üppigen Seite und somit das Gegenteil ihrer schlanken Pendants von der Mosel. Sie ähneln eher ihren Verwandten in der Pfalz, im Rheingau und im Elsass: sie sind körperreicher, mit intensiven Aromen von saftigem Pfirsich und die Weinsäure gibt sich am Gaumen anschmiegsamer.
Einer, der das Potenzial von Ortenau früh erkannte, war Großherzog Karl Friedrich von Baden (1728 bis 1811). Er pflanzte 1782 unterhalb seines Schlosses den ersten reinsortigen Riesling-Weinberg im heutigen Baden. Ort des Geschehens: der Klingelberg in Durbach. Weswegen man Riesling in Ortenau auch heute noch Klingelberger nennt. Allerdings: Heute wetteifert der König der Weißweine hier mit Spätburgunder um die Aufmerksamkeit der Weingenießer. Hinzu kommen kleine Mengen an Rotem Traminer - überraschenderweise handelt es sich dabei um eine weiße Sorte, deren Weine intensiv nach Rosenblüten und getrockneten Aprikosen duften. Sie sehen: In Baden gibt es jede Menge zu entdecken!
Burgunder im Breisgau, Kaiserstuhl, Tuniberg
Verlassen wir Durbach und begeben uns zum Eingang des Burgunder-Paradieses. Betreten wir den Breisgau (1.600 Hektar), der sich von Lahr bis ins sonnenverwöhnte Freiburg erstreckt. Hier geht es noch weiter hinauf, einzelne Steilhänge erreichen bis zu 500 Meter Höhe. Auf kalk- und lösshaltigen Böden entstehen kraftvolle Spätburgunder mit intensiver Aromatik und belebender Weinsäure. Spätburgunder belegt hier eindrucksvolle 40 Prozent der Rebflächen, hinzu kommen Grau- und Weißburgunder, die mit Fülle, Frucht und Cremigkeit überzeugen. Bereits der Vorgarten ist also opulent und verführerisch.
Westlich vom Breisgau erhebt sich der Kaiserstuhl wie ein immenser Thron aus der Rheinebene. Genau, da brütet der Bienenfresser. Der gleichnamige Bereich Kaiserstuhl ist mit 4.200 Hektar aber auch der größte und produktivste Weinbereich in Baden. Ungefähr ein Drittel aller Gewächse stammt von hier. Was aber keineswegs Masse heißt, denn das Gebiet ist auch das berühmteste: Auf den terrassierten Weinbergen mit ihren fruchtbaren und wärmespeichernden Löss- und Vulkanböden befinden sich die begehrtesten Lagen Badens wie der Ihringer Winklerberg. Ihr Markenzeichen sind saftig-geschmeidige Grau- und Spätburgunder mit Lagerpotenzial, die zum besten gehören, was sie in Deutschland bekommen.
Hinter diesem Burgunder-Glück steckt eine Qualitätsrevolution, die die hiesigen Winzer in den 1980er-Jahren angezettelt haben. Unzufrieden mit dem Niveau der damaligen Weine, ließ man sich von Frankreich inspirieren, holte sich ertragsarme Klone aus dem Burgund und lernte den Ausbau im kleinen Barrique-Fass. Genau das beherrscht man heute extrem gut! Revolutionär gaben sich auch die Winzer um den Tuniberg, indem sie 1991 ihre Unabhängigkeit vom Kaiserstuhl proklamierten. Auf 640 Hektar konzentriert man sich hier auf Spätburgunder, die auf Löss- und Kalkböden ohne vulkanischen Touch gedeihen. Dabei stammt ein großer Teil der Tuniberg-Gewächse von einer einzigen Winzergenossenschaft.
Badens Süden: Markgräflerland und Bodensee
Wagen wir uns noch weiter südlich! Hinein ins Markgräflerland (3.330 Hektar), das sich bis ins Dreiländereck kurz vor Basel erstreckt, wo Deutschland, die Schweiz und Frankreich aufeinandertreffen. Überraschenderweise spielt hier mal keine Burgundersorte die Hauptrolle. Stattdessen lernen wir - das ist jetzt wiederum weniger überraschend - noch eine weitere Rebsorte kennen: Gutedel (Chasselas), eine weiße Rebsorte, die 1780 von Friedrich von Baden aus der Schweiz importiert wurde. Genau, eben jener weinvernarrte Großherzog, der den Klingelberger-Riesling pflanzte. Gutedel hingegen ist das Aushängeschild des Markgräflerlands. Auf Lehm- und Lössböden erbringt sie Weine mit zarten Aromen von Mirabelle, Birne und Nuss und einer gaumenschmeichelnden Textur. In einer Nebenrolle brilliert aber auch hier Spätburgunder - nämlich dort, wo kühlende Fallwinde aus dem Schwarzwald und kalkhaltige Böden für ideale Bedingungen sorgen.
Ungefähr 100 Kilometer weiter östlich wäre ohne ihn kaum Weinbau möglich: Der Bodensee ist für die gleichnamige Region wie eine gigantische Klimaanlage und mildert die Temperaturdifferenzen zwischen Tag und Nacht. So gelingen selbst Gewächse von Deutschlands höchstem Weinberg. Auf eindrucksvollen 560 Meter Höhe am erloschenen Vulkan Hohentwiel entstehen vor allem mineralische, spannungsreiche Spätburgunder in Rot und Rosé. Weiter in Seenähe dominieren Verwitterungsböden, die den Weinen intensive Frucht und Finesse verleihen. Neben Spätburgunder gibt Müller-Thurgau im mit 640 Hektar drittkleinstem Bereich von Baden den Ton an - beide sind über die Grenzen des Bodensees hinaus als elegante "Seeweine" bekannt.
Typisch Baden
Obwohl der Bodensee so weit weg vom restlichen Baden ist, steht der drittkleinste Bereich äußerst exemplarisch für das gesamte Weingebiet. Denn hier wurde 1881 die erste badische Genossenschaft gegründet, der viele weitere folgten. Heute werden von ihnen über drei Viertel aller Weine in Baden hergestellt. Deutschlandweit sind es lediglich 30 Prozent. Winzer-Genossenschaften sind also eine überaus badische Tradition!
Typisch badisch ist auch die unglaubliche Vielzahl an Stilen. Denn das, was wir auf unserem Ausflug kennengelernt haben, war längst noch nicht alles. Zu den Spezialitäten aus der Region gehören Federweißer, die zarte Rosé-Spezialität Weißherbst und Badischer Rotling, für den weiße und rote Trauben direkt nach der Lese vermischt werden. Auch die Klaviatur der prickelnden Schaumweine beherrschen Badens Winzer aus dem Effeff: von Perlweinen bis hin zum Edelschäumer Winzersekt. Und weil wir eben in einer Pinot-Hochburg unterwegs sind, spielt dabei nicht Riesling die Hauptrolle. Sondern Spätburgunder und Co. Denn die sind bei aller Vielfalt das Charakteristischste an Baden. Als edler Prickler oder lagerfähiges Burgunder-Gewächs. Sie sehen: Baden ist im Glas mehrere Reisen wert!
18 Antworten auf „Baden: Deutschlands Burgunder-Paradies“
[…] dann doch schnell wieder Ruhe ein. Denn hier hat vor allem eine Rebsorte Hochsaison: dem Burgund, Baden, Central Otago oder vielleicht sogar Washington State – Pinot Noir ist als Wein zu Ente und Gans […]
[…] Wahlweise geht natürlich auch ein kraftvoller deutscher Grauburgunder. Und dann ist da natürlich noch der weiße Klassiker schlechthin, den man in der Schweiz als Wein zu Raclette standardmäßig serviert. Chasselas. Seine Zitrus-Anklänge sorgen für eine frische Note, im Abgang ist dann meist aber eine milde Birne Trumpf. Da hat man dann also quasi beides. Was dann auch für die deutsche Chasselas-Version gilt: Gutedel. Vorzugsweise aus Baden. […]
[…] nicht unter. Bei herzhafteren Varianten ist dann ein fülliger Grauburgunder aus der Pfalz oder aus Baden unsere erste Wahl. Dieser kann sich bei der größeren Intensität einfach besser durchsetzen. […]
[…] nach der Hauptkomponente. Dem Geflügel. Zu Huhn bietet sich da etwa ein Chardonnay an, der mBaden: Deutschlands Burgunder-Paradiesit den feinen Fleischaromen bestens harmoniert. Ist die Suppe etwas fettiger, darf die Weinsäure […]
[…] an der Tatsache ändert, dass der Flammkuchen im Elsass seinen Anfang nahm und sich von dort gen Baden und Pfalz ausbreitete, wo er bis heute als regionale Delikatesse […]
[…] ein Elsässer Weißburgunder, dessen Cremigkeit genau das tut. Oder ein leichter Grauburgunder aus Baden, der Pfalz oder Franken. Auch sein norditalienisches Pendant Pinot Grigio passt gut, denn der […]
[…] Wer dem Fisch Fleisch vorzieht, dem empfehlen wir einen saftigen Schinken im Brotteig oder auch Roastbeef. Letzteres eignet sich besonders gut, um den Übergang zum Rotwein einzuläuten. Elegant und eher leicht sollten wir hier allerdings bleiben, daher empfehlen wir Ihnen einen Gamay aus dem Beaujolais oder einen Spätburgunder aus Baden. […]
[…] Gesicht. Also ebenso ideal zur Paprikasauce. Auch ein deutscher Spätburgunder aus Baden ist für viele Schnitzelfans ganz vorne mit dabei. Hier ist die Weinsäure zwar etwas höher, wird […]
[…] im Glas gehen: Mit einem Silvaner aus Franken oder Rheinhessen, oder einem Weißburgunder aus Baden oder der […]
[…] kann ein körperreicher Pinot Grigio aus Venetien oder aber das deutsche Pendant Grauburgunder aus Baden oder der Pfalz sein sein. Auch ein Silvaner aus Franken oder Rheinhessen passt als Wein zu Curry, […]
[…] Rotweine hervor, die mit ihrer filigranen Komplexität einen Vergleich mit Gewächsen aus Baden oder dem Ahr-Tal nicht zu scheuen […]
[…] traditionell in der regionalen Bocksbeutel-Form. Milde Gutedel-Weine passen am besten aus Baden, denn die nussigen Aromen harmonieren gut mit den feinen Spargelnoten. In Frankreich und in der […]
[…] zarten Aromen erhalten. Dazu passt ein junger Weißburgunder aus der Pfalz, ein Grauburgunder aus Baden genauso wie seine Pendants Pinot Gris (Frankreich) oder Pinot Grigio (Italien). Mit zart-duftenden […]
[…] aus ihr interessante Weine. So wächst sie in Deutschland zwar nur auf 2.000 Hektar, hat aber in Baden eine steile Karriere hingelegt: Der Verband Deutscher Prädikatsweingüter (VDP) erlaubt sie für […]
[…] Mit großem Abstand folgt dann die Pfalz, wo die Rebsorte auf 1.800 Hektar angebaut wird. Dass Baden derart die Nase vorn hat, ist nicht weiter verwunderlich. Schließlich handelt es sich um die […]
[…] Baden: Riesling, Weiß-, Spät- und Grauburgunder, Chardonnay sowie Lemberger (nur an der Badischen Bergstraße und im Kraichgau) […]
[…] Schwarzriesling in Württemberg gekeltert. Darüber hinaus gibt es noch kleinere Anpflanzungen in Baden, der Pfalz, Franken und Rheinhessen. Eine interessante Variante ohne Haare an den Blättern ist […]
[…] unschlagbarer Vorteil im Sommer – können auch leicht gekühlt getrunken werden. Ob im Burgund, in Baden oder auch in Neuseeland – rote Sommerweine, so weit das Auge […]