Wenn wir eine Rebsorte als Hauptthema für einen Stammbaum auswählen müssten, dann bitteschön eine mit einer langen Geschichte. Und mit vielen Nachkommen. Genau das macht die Traube so faszinierend - und vielleicht auch ein wenig irritierend. Natürlich ist es nicht die Sorte selbst, die so verwirrend ist. Vielmehr ergibt Muskateller einen recht unkomplizierten Wein, der aufgrund seiner charakteristischen Moschus-, Blumen- und Traubenaromen leicht zu identifizieren ist. Die weiße Muskateller gilt als die älteste Rebsorte der Welt und ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie sich eine Rebsorte - und die aus ihr bereiteten Weinstile - im Laufe der Zeit entwickeln können.
Genau hier entsteht die Verwirrung: Es gibt Moscato, Muscat Blanc à Petit Grain, Muscat of Alexandria und Muscat Ottonel. Sind diese alle miteinander verwandt? Und wie lassen sich diese Trauben mit ähnlichen Namen auf unsere Hauptfigur Muskateller zurückführen? Mit ein wenig Nachforschungen wird klar, dass Muskateller gar nicht so irritierend ist, wie es scheinen mag. Wenn wir den Vergleich mit dem Stammbaum weiterführen, hat Muskateller alle Zutaten für eine spannende Familiengeschichte: eine ungewisse Herkunft, Bilderstürmerin, Hochstaplerin und natürlich das schwarze Schaf. Wie sich herausstellt, ist Muskateller höchst interessant.
Die Muskateller-Ursprünge
Fangen wir mit der Definition an. Wenn wir nämlich Muskateller sagen, beziehen wir uns auf alle der mehr als 200 Trauben, die unter den Begriff Muskateller fallen. Einschließlich aller Klone, Hybriden und Kreuzungen. Da diese Rebsorte sehr alt ist, gibt es keine eindeutige Etymologie, aber es gibt mehrere Theorien. Der Zucker in den Muskateller-Trauben zieht zum Beispiel oft Fliegen an, so dass einige glauben, der Name sei vom lateinischen Wort für Fliegen, "Musca", abgeleitet. Manchmal wird der Name auch auf den parfümierten Duft der Sorte zurückgeführt: Das Wort "Moschus" kommt aus dem Persischen ("muchk") und aus dem Lateinischen ("muscus").
Da diese Rebsorte in vielen Teilen der Welt seit extrem langer Zeit angebaut wird, sind sich die Historiker nicht ganz sicher, wo genau sie ihren Ursprung hat. Einige glauben, dass die Wurzeln der Muskateller auf die Ägypter und Perser um 1000 vor unserer Zeit zurückgehen. Andere hingegen denken, dass die Griechen und Römer sie um 600 kultivierten und populär machten. Was aber eindeutig feststeht: irgendwann gelangte die Muskateller in den Mittelmeerraum. Dort trieben Griechen und Phöniziern Handel mit ihr. Und vom französischen Marseille in der Provence, verbreitete sie sich schließlich in der ganzen Welt.
Es wird auch vermutet, dass Muskateller die erste Traube war, die tatsächlich identifiziert und unterschieden wurde. Daraus ergibt sich, dass man wohl die allerersten Weine überhaupt aus ihr bereitete. Muskateller wurde erstmals in einem Werk von dem englischen Gelehrten Bartholomeus Anglicus schriftlich erwähnt. Er verfasste seinen Text über die Sorte zwischen den Jahren 1230 und 1240, als er in Deutschland weilte.
Auf der ganzen Welt zu finden: Muskateller
Da es in der Muskateller-Familie eine Vielzahl von Rebsorten gibt, unterscheiden sich gewissen äußere Merkmale. So können ihre Schalen von rosafarben bis fast schwarz changieren. Diese vielseitigen Trauben können zu einer Vielzahl von Stilen verarbeitet werden - von trockenen Weinen über Dessertweine bis hin zu Eiswein. Im Gegensatz zu anderen berühmten weißen Trauben, die sehr viel Weinsäure haben, hat Muskateller eher wenig davon. Dadurch eignen sich ihre Weine nicht unbedingt für eine längere Lagerung. Ausnahme sind hierbei die Süßweine.
Weil die Rebsorte Wärme liebt, gedeiht sie besonders gut in mediterranem Klima. Tatsächlich aber wird Muskateller in fast allen Weinregionen der Welt in erstaunlicher Menge angebaut. Und zwar unter unterschiedlichen Namen. In Spanien heißt sie Moscatel, in Italien Moscato, in Südafrika Hanepoot und in Australien Gordo Blanco. Muskateller gedeiht gut auf sandigen und lehmigen Böden, aber Winzer müssen darauf achten, dass der nährstoffreiche Boden die Reben nicht zu stark wachsen lässt, um die Aromen in den Trauben nicht zu verwässern.
Die vielen Seiten des Muskatellers
Wenn Muskateller ein Stammbaum ist, dann ist Gelber Muskateller, oder Muscat Blanc à Petits Grains, wie sie auf Französisch heißt, die Matriarchin der Familie. Edel, erfahren, selbstbewusst und doch zurückhaltend. Die Weine aus dieser Rebsorte werden Ihnen den Kopf verdrehen, denn sie verströmen die beliebten klassischen Traubenaromen des Muskatellers, oft mit Noten von Geißblatt und Orangenblüten. Die Gelbe Muskateller ist tatsächlich die älteste der Muskateller-Trauben.
Aus ihr wird in Italien unter dem Namen Moscato häufig Asti hergestellt, der aus der gleichnamigen Stadt im Piemont stammt. Steht ausschließlich Asti auf dem Etikett, handelt es sich um einen halbtrockenen Schaumwein. Moscato d'Asti hingegen bezieht sich auf Weine, die nur leicht prickeln und eher Perlweine sind. In Asti vinifiziert man die Schäumer aus Moscato fast immer in Edelstahl nach der Charmat-Methode. Diese italienischen Weine gehören zu den weltweit besten Beispielen für Gelben Muskateller. Und das Piemont ist der größte Muskateller-Produzent der Welt. Die Gelbe Muskateller spielt aber auch eine wichtige Rolle in Frankreichs süßen Vins Doux Naturels sowie in Australien als Likörmuskateller.
In Südafrika hat Muskateller eine bewegte Geschichte. Von 1815 bis 1821 schickte Constantia, die erste Weinfarm in der gleichnamigen kleinen Region in unmittelbarer Nähe von Kapstadt, Napoleon Bonaparte jedes Jahr 1.126 Liter ihres süßen Dessertweins aus Gelbem Muskateller, die hier Hanepoot heißt. Einer Legende nach verlangte Napoleon sogar noch auf seinem Sterbebett nach einem Glas Constantia-Wein.
Eine Cousine namens Muscat of Alexandria
Muscat of Alexandria ist die zweitälteste Traube im Stammbaum und lässt sich auf eine natürliche Kreuzung zwischen dem Muscat Blanc à Petits Grains und der griechischen Axina de Tres Bias zurückführen. Die Phönizier und Römer brachten diese Sorte vor fast 3.000 Jahren nach Frankreich. Seither hat sie sich in verschiedenen Varianten in der ganzen Welt verbreitet. Muscat of Alexandria liebt heißes Klima.
Wenn wir beim Stammbaum bleiben, dann ist Muscat of Alexandria die lustige, coole Cousine, die im Ausland lebt und alle paar Jahre eine neue Karriere ausprobiert. Aus ihr bereitet man hauptsächlich halbtrockene oder süße Tropfen, da sie nicht ganz so aromatisch wie Gelber Muskateller ist. Sie ist nicht annähernd so traubig wie ihre Vettern. Stattdessen werden Sie deutliche Noten von Geranien und Pfirsichhaut bei ihr entdecken. In den Vereinigten Staaten werden viele Weine aus ihr gekeltert, aber sie wird auch in großen Mengen als Tafeltraube angepflanzt. Und in Chile wird Muscat of Alexandria zur Herstellung von Pisco angebaut, einer hochprozentigen Spirituose, die man aus destilliertem und fermentiertem Traubensaft gewinnt. In Großbritannien und den Niederlanden dient Muscat of Alexandria ausschließlich als Tafeltraube!
Noch mehr Familienmitglieder - und Trittbrettfahrer
Muskat Ottonel, die schüchterne jüngere Schwester, ist die blasseste und zaghafteste Traube der Muskateller-Familie. Sie verströmt keinen parfümierten Traubenduft. Und obwohl sie hoch angesehen ist, hat sie nicht unbedingt denselben Ruf wie ihre anderen Familienmitglieder. Diese Rebsorte ist das Ergebnis einer Kreuzung von Chasselas (auch als Gutedel bekannt) und Muscat Ingram aus dem Jahr 1852. Da Muskat Ottonel, wie die anderen Mitglieder ihrer Familie, einen eher geringen Weinsäuregehalt hat, werden die Trauben oft kurz vor der Reife geerntet, damit nicht zu viel Säure verloren geht. Muskat Ottonel reift früher als Gelber Muskateller und Muscat of Alexandria. Deswegen fühlt sie sich in kühleren Klimazonen wohl. Zum Beispiel im französischen Elsass, aber auch in Österreich, Ungarn oder Rumänien.
Kommen wir zum schwarzen Schaf der Familie. Muscat de Hambourg. Auch als Schwarzer Muskateller bekannt. Wobei bekannt nicht so wirklich das richtige Wort ist. Denn Muscat de Hambourg steht eindeutig im Schatten der anderen Familienmitglieder. Trotzdem fällt die Rebsorte auf. Schon allein wegen ihrer dunkelblauen Schale. Muscat de Hambourg lässt sich in Osteuropa häufig als leichter Rotwein mit Traubenaromen finden.
Jede Familie hat ihre Geheimnisse. Das ist beim Muskateller natürlich nicht anders! Die Geheimnisse bestehen darin, dass es mehrere Rebsorten mit ähnlichen Namen gibt, die nicht miteinander verwandt sind! Morio-Muskat, Muscadine, Muscadelle, Muscadet sind alles Trauben, die ähnlich klingen, aber in Wirklichkeit andere Abstammungen haben.
Warum Muskateller in keinem Weinkeller fehlen sollte
Wenn man sich die Familie der Muskateller-Trauben genauer ansieht, wird deutlich, dass jedes Mitglied eine sehr wichtige Rolle in der Familiendynamik spielt. Sie sind durch ihre beständigen und angenehmen floralen und traubigen Noten miteinander verbunden, fühlen sich aber auf verschiedenen Böden und in unterschiedlichen Klimazonen wohl und ergeben vielfältige Stilistiken.
Eines eint sie dann aber doch. Weine aus diesen Rebsorten haben einen angenehm vertrauten Geschmack und passen ganz wunderbar zu einer Vielzahl von Gerichten. Vom Curry bis hin zum Käse. Und süße Varianten sind ein Gedicht zu Desserts. Dementsprechend lohnt es sich sehr, die Geschmackswelt von Muskateller zu erkunden. Tatsächlich sollten ihre Weine einen festen Platz in jedem Weinkeller haben.
7 Antworten auf „Muskateller: Uralte Rebsorte, die gekommen ist, um zu bleiben“
[…] Denn neben den beiden Majestäten findet man vor allem Neuburger, Weißburgunder und Gelben Muskateller. Sie spielen aber allesamt eine Statistenrolle. Die große Bühne gehört ausschließlich den […]
[…] teuer und "lecker halt". Weiß oder Rot, kommt aufs Essen an. Vor einigen Jahren habe ich einen Gelben Muskateller mitgebracht und hielt das für eine sichere Bank. Schmeckt ja fast wie Traubensaft. Aber das war […]
[…] ganz wunderbare Restsüße. Probieren Sie es einfach mal aus! Nicht minder interessant ist auch ein Gelber Muskateller, der die Ingwer-Noten komplettiert oder ein Gewürztraminer, der generell die Aromen bei scharfen […]
[…] Was dem einzigen Wein, der hier aus Welschriesling, Weißburgunder, Chardonnay, Furmint und Muskateller bereitet werden darf, nicht ganz gerecht wird. Denn wenn der Ruster Ausbruch ein deutscher […]
[…] aus Marlborough? Die Exotik wird da ideal aufgegriffen! Und wenn Curry mit im Spiel ist, kann ein Muskateller ebenso ideal sein wie ein Riesling Kabinett. Vor allem, wenn es etwas schärfer zugeht. Die […]
[…] Dieser stammt überwiegend von ausgereiften und aromatischen Rebsorten wie Riesling, Scheurebe oder Muskateller. Secco mit Essen? Passt wunderbar zusammen! Probieren Sie doch einmal einen Serranoschinken mit […]
[…] passen. Wem diese Richtung gut gefällt, aber etwas zu opulent ist, der hat alternativ bestimmt mit Muskateller viel Freude im Glas. Denn diese Rebsorte kommt auch aromatisch daher, ist allerdings nicht ganz so […]