Obwohl sich die Weinregionen in Chile von Norden nach Süden wie eine Perlenschnur aufreihen, ist es die Reise von Westen nach Osten, die das Land als vinophile Nation so spannend macht. Denn von der Küste bis zu den Anden, die sich als schier unüberwindbare Grenze zwischen Chile und Argentinien massiv auftürmen, könnten Klima und Böden nicht unterschiedlicher sein. Das beste Beispiel ist da das Valle del Maule, das den Süden der übergeordneten Weinregion Valle Central prägt. An den markanten Küstenkordilleren, die mit ihren bis zu 1.000 Meter hohen Felsen eine eigene Gebirgskette bilden, findet man ganz andere Weinbaubedingungen als im heißen Tal in der Mitte des Gebiets oder an den windigen Andenausläufern. Werfen wir also mal einen genaueren Blick auf diese faszinierend vielfältige Areal.
Das Valle del Maule ist nicht nur das größte Weinanbaugebiet im Valle Central, sondern auch die älteste in Chile überhaupt. Bereits im 16. Jahrhundert pflanzten hier spanische Kolonisten die ersten Reben in die schwere Erde am Río Maule, dem Fluss, der dem Gebiet seinen Namen gab. Damals war es vor allem die rote Rebsorte País, die es zu echtem Ruhm schaffte. Selbst heute findet man País noch in vielen Weingärten im Valle del Maule. Die Winzer bauen sie gerne für den Eigenbedarf an, weil sie fruchtig-leichte Weine erbringt, die man gerne mal nach einem anstrengenden Arbeitstag genießt. In den Export kommen die País-Weine indes äußerst selten. Man kann sie aber, so man denn möchte, vor Ort probieren.
Das Valle del Maule mausert sich
Wobei es aus dem Valle del Maule aber wesentlich interessantere Weine zu entdecken gibt. Zwar hatten die von hier stammenden Erzeugnisse bis in die 1990er-Jahre hinein den Ruf, eher das untere Qualitätssegment zu bedienen, aber dank moderner Kellertechniken und vor allem strenger Ertragsreduktion hat sich da in den vergangenen drei Jahrzehnten enorm viel getan. Inzwischen entstehen hier ernsthafte Gewächse, die es mit der internationalen Konkurrenz aufnehmen können, dabei aber oft mit einem erstaunlich erschwinglichen Preis daherkommen. Was folgt, sind ein paar Zahlen und Fakten.
Insgesamt kann das Valle del Maule mit gut 30.000 Hektar Rebfläche aufwarten. Wo früher einst vor allem País gedeihte, ist jetzt Cabernet Sauvignon der unangefochtene Star. Die rote Rebsorte nimmt sage und schreibe 50 Prozent in den Weingärten ein. Und eh, die roten Sorten! Sie prägen das Gesicht des Maule-Tals! Drei Viertel der Anbaufläche ist mit ihnen bestockt. Neben Cabernet Sauvignon findet man vor allem Merlot, Carménère, Syrah und Pinot Noir. Neuer heimlicher Star ist inzwischen Carignan. Die weiße Rebsortenseite wird vor allem durch Chardonnay und Sauvignon Blanc vertreten. Wobei nicht alles überall wächst. Tatsächlich gibt es innerhalb des Maule-Tals signifikante Unterschiede, die mit den Böden und vor allem dem Klima zu tun haben. Machen wir also eine kleine Reise von der Pazifikküste im Westen zu den Anden im Osten und machen dabei dann noch einen kleinen Halt im Zentrum der Weinregion.
Uralte Reben an den Küstenkordilleren
Zwar gilt das Klima in Valle del Maule gemeinhin als maritim, aber die Küstenkordilleren bilden eine kleine Ausnahme. Über die Küsten-Gebirgskette, an deren Fuße sich die Weingärten befinden, weht die kalte Arktisluft des Humboldtstroms. Das Klima ist also recht mild, das Wetter durch eine starke Wolkenbildung gerne mal verregnet. Die Sonne und Wärme liebende Cabernet Sauvignon würde hier kaum ausreifen. Zum Glück gibt es im Westen aber einen ganz anderen Schatz. Nämlich uralte, wurzelechte Carignan-Reben, die sich auf dem von Schiefer dominierten Boden sehr, sehr wohl fühlen.
Auch vulkanisch geprägte Böden finden sich an der Küste, die für eine schöne Mineralik und einen warmen Kräuter-Touch in den Weinen sorgen. Diese kommen, dank des milden und gleichmäßigen Wetters etwas harmonischer daher als ihre Kollegen aus den anderen Teilen des Valle del Maule. Und es gibt noch einen gewaltigen Unterschied. Denn durch die Wolken, die regelmäßig abregnen und so für genügend Niederschlag sorgen, ist eine künstliche Bewässerung gänzlich überflüssig. Die Reben haben also weder Wasserstress noch werden sie mit einem Rundumsorglosversorgungspaket verwöhnt. Die Trauben reifen dementsprechend in aller Ruhe und vor allem sehr gleichmäßig aus. Ein Idealzustand, der so im Rest der Region nicht anzutreffen ist.
Valle del Maule: Kontrastreiches Zentrum
Im Herzen des Valle del Maule sieht es nämlich schon ganz anders aus. Kühlende Winde sucht man vergeblich. Allein der Río Maule, der sich durch das Tal schlängelt, sorgt für ein paar mäßigende Einflüsse. Und eigentlich ist es auch nur seinem schweren Schwemmlandboden zu verdanken, dass die Reben genügend Nährstoffe in dem recht sauren Boden finden. Hier, in der Mitte des Maule-Tals, ist es heiß. Und trocken. So trocken, dass bereits im 16. Jahrhundert die spanischen Eroberer künstliche Kanäle in die Erde gruben, um mit dem Schmelzwasser aus den Anden zu bewässern. Auf diese greift man auch heute noch zurück. Wobei neu angelegte Weingärten inzwischen mit Anlagen für Tropfbewässerung ausgestattet sind.
In der Hitze fühlt sich vor allem eine Rebsorte auf den schweren Schwemmland- und Tonböden wohl. Cabernet Sauvignon. Sie wird am Tag von der heißen Sonne verwöhnt, während die teils bitterkalten Nächte dafür sorgen, das die Trauben intensive Aromen von Waldbeeren, Kirschen, Pflaumen und eine schöne Kräuterwürze entwickeln.
Die Weine aus dieser Maule-Teilregion sind von einer konzentrierten Kraft und einem vollen Körper geprägt. Carménère fühlt sich hier ebenso wohl wie Syrah. Ein großer Vorteil für intensive und tiefgründige Cuvées, auf die die Winzer neben reinsortigen Cabernet Sauvignon gerne setzen. Auch hier sind die meisten Reben übrigens wurzelecht. Denn die Reblaus, die in Europa Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts einen Großteil der Rebflächen vernichtete, ward nie gesehen. Hinzu kommt, dass dank der Trockenheit Fäule und Mehltau keine Rolle spielen. Die Folge: die meisten Weingüter bewirtschaften biologisch oder sogar biodynamisch. Wobei sich nur ein Bruchteil hat zertifizieren lassen.
Weinbau am Fuße der Anden
Ein ganz anderes Weinanbaubild bietet sich einem, wenn man das Zentrum des Valle del Maule verlässt und gen Osten in Richtung Anden fährt. Dort ist es wieder deutlich kühler. Kein Wunder. Schließlich weht ein kontinuierlicher Wind die Anden herab. Auch hier findet man vulkanische Böden, die oft mit einer Sandauflage bedeckt sind. Es ist das ideale Gebiet für Chardonnay und Sauvignon Blanc. Aber auch für Pinot Noir. Dank der niedrigen Durchschnittstemperaturen reifen die Trauben sehr langsam und entwickeln so eine große Fruchtintensität. Ein Sauvignon Blanc aus dem Valle del Maule kann so also leicht mal recht opulent sein - und ein Pinot Noir besonders vollmundig.
Bis vor ein paar Jahrzehnten befanden sich die Rebflächen konsequent am Fuß der Anden. Inzwischen nehmen sich aber immer mehr Winzer ein Vorbild am argentinischen Valle de Uco in Mendoza und legen immer höhere Weingärten an. Das Gebirgsmassiv erleichtert diese Pionierarbeit nicht. Tatsächlich schrumpft in diesem Maule-Bereich die Anbaufläche leicht, da es einfacher ist, im Zentrum Wein anzubauen. Trotzdem finden sich genügend ambitionierte Winzer, die gerade dabei sind, die Grenzen des Möglichen auszutesten.
Valle del Maule im Aufwind
Genau das aber bestimmt seit den 1990er-Jahren die vinophile Identität im Valle del Maule: lieber weniger, dafür konsequent gut. Seitdem die Winzer auf Ertragsreduktion setzen, konnten nicht nur die Qualitäten, sondern auch die Traubenpreise gesteigert werden. Das passierte natürlich nicht über Nacht. Und auch nicht ganz von selbst. Bereits 1979 starteten Branchen-Größen wie der Spanier Miguel Torres oder der Franzose Baron Philippe de Rothschild Wein-Projekte im Land. Nur eben in anderen Regionen. Deswegen dauerte es, bis die ersten Investoren das Valle del Maule für sich entdeckten. Diese wiederum kauften nicht Weingüter auf, sondern sich als Teilhaber lieber ein. Und in dieser Funktion schickten sie herumreisende Flying Winemaker ins Maule-Tal, die vor allem die veraltete Kellertechnik der einzelnen Betriebe auf Vordermann brachten.
Die Eichenfässer, die einst touristenwirksam am Eingang der Weingüter als Deko herumstanden, wurden jetzt tatsächlich endlich auch benutzt. Durch den Einsatz von Holz im Ausbau bekamen die eh schon höchst unterschiedlichen Weine und Stilistiken noch ein paar zusätzliche Facetten wie Aromen von Eiche, Leder und Tabak spendiert. Deswegen kann man auch nicht von einem typischen Wein aus dem Valle del Maule sprechen. Einfach, weil es diese Typizität schlichtweg nicht gibt. Genau das macht es aber umso spannender, die unterschiedlichen Weine dieser chilenischen Region im Glas zu entdecken. Und zwar vom würzigen Carignan aus dem Westen, dem kräftigen Cabernet Sauvignon aus dem Zentrum bis hin zum vollmundigen Chardonnay vom Fuße der Anden.
1 Anwort auf „Valle del Maule: Chiles älteste Weinregion“
[…] groß, von einfachen Stilen bis hin zu besonders guten, die meist aus dem Valle de Colchagua und Maule kommen. Sie zeigen Noten von reifen schwarzen Früchten, Kräutern und oft einen typischen […]