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Supertuscan: Legendäre Weine aus der Toskana

Neben traditionellen Größen wie Chianti, Brunello und Amarone kommt auch ein moderner Zeitgenosse aus der Toskana. Der Supertuscan. Und dessen rebellische Geschichte schauen wir uns jetzt mal genauer an.

Es war schon ein kleiner Paukenschlag, mit dem Piero Antinori Anfang der 1970er-Jahre zusammen mit seinem Star-Önologen Giacomo Tachis die Toskana erbeben ließ. Denn die beiden ignorierten einfach alle Statuten der Region. Und das hieß vor allem: sie kehrten den Chianti-Produktionsbedingungen den Rücken und zogen einfach ihr eigenes Ding durch. Es war die Supertuscan-Geburtsstunde. Bis heute ist der Tignanello eine Legende. Schließlich war er der erste Wein aus dem Chianti Classico, der nicht mindestens 70 Prozent Sangiovese vorweisen konnte. Ohne den Tignanello würde die Toskana allgemein und das Gebiet Chianti Classico speziell heute wahrscheinlich recht bedeutungslos sein. So, wie eben schon in den 1960er-Jahren.

Rotwein wird aus einer Weinflasche in ein Weinglas eingegossen

Damals wurden qualitativ minderwertige Chianti in billige Korbflaschen gefüllt und über den Brenner hinaus in die Welt gekarrt. Dieser Wein war dann meist nicht als Genussmittel, sondern als begehrtes Dekorationselement samt Tropfkerze auf Millionen von italienischen Restaurant-Tischen begehrt. Daran änderte auch 1967 die Einführung von DOC und DOCG in der Toskana nichts. Kurzum: Der italienische Wein steckte mitten in einer Qualitätskrise, bis der "junge Wilde" der ebenso historisch tief verwurzelten wie mächtigen Antinori-Familie eben jenen Tignanello 1971 auf den Markt brachte. Und damit eben auch den vermeintlich ersten Supertuscan überhaupt.

Robert Parker und der Supertuscan

Was den Tignanello vom üblichen Chianti Classico unterschied? Ganz einfach: Er hatte weniger Sangiovese, weniger vorgeschriebene weiße Rebsorten, dafür aber eine gehörige Portion Cabernet Sauvignon und Cabernet Franc. Und dann wurde der Wein auch noch im Barrique ausgebaut! Eine Ungeheuerlichkeit zur damaligen Zeit im Chianti Classico. Ein einfacher Tafelwein, ein Vino da Tavola, der die satte Frucht der Toskana mit der Feinheit des Bordelaiser Stils vereinte.

Weinkeller mit Barriques
Ein Supertuscan wird immer im Barrique ausgebaut.

Während andere Winzer ob dieses Frevels fast einen Herzanfall erlitten, schlug der Tignanello beim Rest der weinliebenden Welt wie eine Bombe ein. Alle wollten ihn, alle liebten ihn. Und auch wenn Weinkritiker wie Robert Parker und Co. dem Wein erst Jahre später die Begrifflichkeit Supertuscan auf den Leib schneidern sollten, um dem Phänomen einen Namen zu geben, so war es trotzdem die Geburtsstunde des ersten Supertoskaners.

Möchte man meinen. So einfach ist es dann aber doch nicht. Nennen wir es lieber die Geburtsstunde des ersten medien- und marketingwirksamen Supertuscans. Denn eigentlich gab es bereits zwei weitere Weine, die den ersten Platz für den Neuesten und Schnellsten aus der Toskana verdient hätten. Womit jetzt endlich der Sassicaia mit ins Spiel kommt.

Auf einem Blick: Supertuscan

  • Muss aus der Toskana stammen
  • Besteht aus weniger als 70 % oder gar keinem Sangiovese
  • Bevorzugt französische Rebsorten wie Cabernet Sauvignon, Merlot, Cabernet Franc und Petit Verdot
  • Wird immer im Barrique ausgebaut
  • Ist stilistisch vielfältig und international
Supertuscan Tuscarello mit italienischen Zutaten
Supertuscan par excellence: Tuscarello. © Wine in Black

Supertuscan-Star: Sassicaia

Bereits 1944 pflanzte Marchese Mario Inscisa della Rocchetta im Bolgheri die Rebsorten Cabernet Sauvignon und Cabernet Franc an. Aufgrund des Zweiten Weltkrieges wurden französische Weine in Italien nämlich zur Mangelware. Da der Marchese einen guten Bordeaux nicht missen wollte, machte er kurzerhand selbst einen. Allerdings nur für den Eigenbedarf. Er benannte ihn nach der Lage: Sassicaia, die ihren Namen aufgrund der vielen Steine (italienisch "sassi") im Boden erhielt.

Erst als Anfang der 1970er-Jahre Mario Inscisa della Rocchettas Neffe insitierte, erklärte sich der Marchese dazu bereit, seinen Sassicaia auch zu verkaufen. Dieser Neffe war übrigens niemand Geringeres als Piero Antinori, der mit seinem Tignanello bereits Triumphe feierte. So schloss sich da der familiäre Kreis. Inzwischen gibt es in der DOC Bolgheri sogar einen Subbereich Sassicaia. Damit ist er der einzige Wein Italiens mit einer eigenen DOC. Und das als Supertuscan! Aber das nur am Rande.

Weingut Antinori in der Toskana. Hier entsteht Supertuscan.
Antinori produziert nach wie vor den bekanntesten Supertuscan.

Supertuscan-Vorreiter Vigorello

Still und heimlich missachtete nämlich ein anderer Winzer noch vor Antinori die DOCG-Regeln und setzte ihnen die geballte Qualität von Cabernet Sauvignon, Merlot und Petit Verdot samt einer Barrique-Reifezeit von 24 Monaten entgegen. Die Rede ist vom Vigorello, den Enzo Morganti mit seiner Tenuta San Felice bereits 1968 auf den Markt brachte.

Zwei Weingläser mit Rotwein vor schwarzem Hintergrund

An dieser Stelle könnte man stundenlang diskutieren, welchem Wein denn nun die Ehre gebührt, der erste Supertoskaner gewesen zu sein. War es der Vigorello, weil er zuerst verkauft wurde? Der Sassicaia, weil es ihn schon lange, lange vorher für den Eigenbedarf gab? Oder doch der Tignanello, weil er eben diesen Hype ausgelöst hat, das Phänomen Supertuscan, das bis heute noch weltweit begehrt ist?

Supertoskaner: Vom Tafelwein zum IGT-Status

Vielleicht war es aber auch die Mischung aus drei faszinierend neuen Weinen, die inzwischen zu Ikonen der italienischen Weinwelt avanciert sind. Denn eine Sache ist unumstritten. Mit ihrer Andersartigkeit und mit ihrer Lanze für den internationalen Stil sorgten alle drei Supertuscans weltweit für Furore. Zuerst begeisterten sich die Amerikaner für sie - die Europäer folgten. Immer mehr Winzer produzierten nun plötzlich einen einfachen Tafelwein und ließen den DOCG-Status achtlos liegen. Ob nun Solaia, Masseto, Ornellaia, Lepparello, Flaccianello und und und. Sie alle prägen bis heute das Bild der Supertoskaner. Dabei eint sie nur eine Gemeinsamkeit. Nämlich dass jeder Supertuscan im Barrique ausgebaut wird. Ansonsten gibt es keine Regeln, keine Statuten.

Das ist dann auch das, was Kritiker gerne bemäkeln: das Nichtvorhandensein einer prägenden Stilistik. Denn de facto kann sich jeder toskanische Wein Supertuscan nennen, wenn er sich nicht an die DOCG-Regeln hält. Und seit 1992 lohnt sich das durchaus. Denn da wurde in der Toskana die Qualitätskategorie IGT (Indicazione Geografica Tipica) eingeführt. Einerseits, um dem Supertuscan endlich aus dem Status des einfachen Tafelweins herauszuhelfen. Andererseits, um Nachahmer aus anderen Regionen davon abzuhalten, von einem eindeutig regional begrenzten Phänomen zu profitieren. Das Ergebnis der IGT-Einführung: die Preise für Supertuscans explodierten förmlich.

Die Legende lebt!

Und das ist bis heute so geblieben. Für die großen Namen in Sachen Supertuscan muss man locker mehrere hundert Euro auf den Tisch legen - wenn nicht sogar noch mehr. Was als kleine Underground-Revolte begann, ist inzwischen fast zu einer reinen Liebhaberei der Elite geworden. Aber eben nur fast.

Denn auch wenn man sie suchen und genau hinschauen muss: Es gibt sie nach wie vor, die kleinen toskanischen Weingüter, die mit höchster Akribie und enorm viel Herzblut faszinierende und einzigartige Supertuscans produzieren, die preislich auf dem Teppich bleiben. Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, genau diese Schätze für Sie aufzuspüren. Denn von solchen Weinen soll nicht nur geredet werden. Sie müssen getrunken - und vor allem genossen werden.

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