Streng genommen ist die Geschichte der Rebsorte Silvaner von lauter Missverständnissen geprägt. Beispiel gefällig? Bitteschön: Weil Silvaner hierzulande im Rebsortenspiegel direkt hinter Riesling auf dem zweiten Platz landet, geht man automatisch davon aus, dass Deutschland auch die Heimat der weißen Traube ist. Das stimmt nur leider nicht. Denn tatsächlich kommt Silvaner aus Österreich. Dort war sie bis in die 1930er-Jahre hinein sogar die meistangebaute Rebsorte überhaupt. Also bevor ihr der Grüne Veltliner den Rang ablief. Damals wusste man übrigens noch nicht, dass die Alpenrepublik auch die Heimat von Silvaner ist.
Lange Zeit arbeitete man sich an der Herkunft ab und verband diese mit dem Namen der Rebsorte. Sie sollte angeblich entweder aus Transsylvanien kommen oder aber aus der Stadt Silva aus Mittelasien. Genetische Untersuchungen ergaben vor ein paar Jahrzehnten dann aber, dass Silvaner tatsächlich eine natürliche Kreuzung der beiden weißen Rebsorten Traminer und Österreichisch Weiß ist. Womit als Herkunft tatsächlich Österreich belegt werden konnte. Außerdem hat ihr Name auch nichts mit einem konkreten Ort zu tun. Vielmehr ist sie nach dem römischen Waldgott Silvanus benannt. Und sie ist alt. Sehr alt sogar. Bereits im 1. Jahrhundert nach Christus gab es die ersten Erwähnungen in lateinischen Dokumenten.
Wie Silvaner nach Deutschland kam
Es waren dann aber nicht die alten Römer, die die Silvaner-Rebe nach Deutschland brachten. Sondern Mönche, die von einem Kloster zum nächsten pilgerten. Einer der zahlreichen Zwischenstopps: das Castell in Würzburg. Genau hier nahm die deutsche Silvaner-Geschichte dann ihren Anfang. Denn am 10. April 1659 wurden die ersten Reben in einem Castell-Weingarten gepflanzt. Moment einmal! Würzburger Castell und alter Wein - da war doch was! Ja, aber leider früher. Der älteste noch trinkbare Wein der Welt, den die britische Kritiker-Ikone Hugh Johnson 1961 wortreich verkostete, kam zwar vom Würzburger Castell - aber aus dem Jahr 1540. Der aus der Lage Stein stammende Wein kann also kein Silvaner gewesen sein. Und eh: die Stein-Weingärten bekamen Silvaner auch erst im Jahr 1665 erstmals zu Gesicht. Der Traum von der Wein-Legende platzt also an dieser Stelle.
Was hier aber damals begann, war der Aufstieg von Silvaner zur deutschen Parade-Rebsorte. Noch vor Riesling, wohlgemerkt. Von Würzburg in Franken aus trat sie ihren Siegeszug durch die Republik an. Ob nun Mosel, Rheingau, Baden, Pfalz oder Rheinhessen - die Winzer liebten Silvaner. Schließlich war und ist die Rebsorte recht dankbar im Anbau. Was sie als spät reifende Traube nicht so mag, sind kühle Lagen. Sie ist halt recht frostempfindlich. Und leider auch für Echten Mehltau anfällig. Allerdings bringt sie konstante Erträge. Diese können sogar recht üppig sein, wenn man nicht konsequent den Ertrag reduziert.
Aufstieg und Niedergang einer Rebsorte
Hinzu kommt, dass Silvaner mit einer milden Weinsäure und einem feinen Geschmack nach Heu, Apfel, Orange, Birne, Holunder und Quitte punktet. Außerdem duftet sie oft blumig. Dank dieser gefälligen Art wurde sie schnell allerorten zum großen Liebling gekürt. Die Franken in Würzburg ärgerte das sehr. Schließlich waren sie es doch, die Silvaner überhaupt erst entdeckt hatten! 1728 ließen sie sich deswegen einen der ersten Marketing-Kniffe der Weingeschichte einfallen. Sie füllten ihren hochwertigen Silvaner in dem heute noch allseits bekannten Bocksbeutel ab. Was für eine Erfolgsgeschichte in Sachen Markenbildung!
Damit schuf man in Franken ein Alleinstellungsmerkmal, den großen Siegeszug der Rebe quer durch die Republik konnte man aber trotzdem nicht aufhalten. Bis in die 1970er-Jahre hinein war Silvaner tatsächlich die meistangebauteste Rebsorte in Deutschland. Sie belegte satte 30 Prozent aller Rebflächen - und kam damit noch vor dem Riesling! Wie konnte sich das nur ändern? Das Zauberwort heißt hier Qualität. Reduziert man den Ertrag bei Silvaner nämlich nicht und pflanzt sie dann vielleicht auch noch auf Lehmböden, dann entstehen aus ihr recht geschmacksneutrale und langweilige Weine. Genau das kam aber leider viel zu häufig vor. Und so begann der helle Silvaner-Stern stetig zu sinken.
Vom Langweiler zum Terroir-Liebling
Bis heute nehmen die Rebflächen in Deutschland kontinuierlich ab. Waren 1999 noch gut 6.800 Hektar mit ihr bestockt, kam die Silvaner-Gesamtfläche im Jahr 2019 nur noch auf 4.600 Hektar. Tendenz weiter fallend. Die meisten Flächen findet man hierzulande übrigens nicht in Franken (1.500 Hektar), sondern in Rheinhessen (2.300 Hektar). Und sie heißt auch nicht überall Silvaner. So ist sie auch unter Synonymen wie Sylvaner oder Grüner Silvaner bekannt. Aber das nur am Rande. Wenden wir uns lieber wieder dem Image-Verlust des einstigen Stars zu. Denn neben eher gewöhnlichen Massenweinen trug auch der Bocksbeutel-Aspekt plötzlich zum Niedergang bei. Viele Weinliebhaber nahmen in den 1970er-Jahren diese Flaschenform als trutschig und veraltet wahr. Man verband sie nicht mit Qualität. Damit tat man der Rebsorte nur leider bitter Unrecht.
Dafür brauchte es den VDP (Verband Deutscher Prädikatsweingüter), um den Ruf wieder herzustellen. Es mag sein, dass Silvaner, der auf Lehm gedeiht, eher geringe Qualitäten hervorbringt. Pflanzt man die Traube allerdings auf mineralischen Verwitterungsböden und gönnt ihr auch noch ein wenig Steigung im Weinberg, damit mehr Sonne rankommt, dann entstehen so höchst elegante Weine, die dankbar ihr spannungsreiches Terroir transportieren. Das erkannte man auch beim VDP. Das Ergebnis: in Franken dürfen aus Silvaner Große Gewächse entstehen. Und die haben es in der Regel meist in sich: Fein, raffiniert, fast schon mineralisch vibrierend und mit einem enormen Lagerpotenzial ausgestattet. Ein Umstand, der auch bei Weinliebhabern immer größeren Anklang findet. Nicht nur als Speisenbegleiter zum Spargel, sondern gerne auch als edlen Tropfen, den man sich solo gönnt, um ihm in Ruhe zuhören zu können.
Silvaner und der Rest der Welt
Womit der Silvaner-Ruf in Deutschland wieder hergestellt wurde. Stellt sich nur die Frage, ob die Rebsorte denn auch in anderen Ländern von Bedeutung ist. Die Antwort ist ebenso schnell wie kurz. Nein. Mit einem gewaltigen Aber. Denn es gibt da ein kleines Fleckchen Erde, das die Silvaner-Traube sehr zu schätzen weiß und sie dementsprechend hoch hält. Dieses Fleckchen Erde heißt Elsass. Es ist zweifelsohne die deutsche Vergangenheit dieser französischen Weinregion, die dafür gesorgt hat, dass im Elsass Silvaner zu finden ist. Auch hier flüstern die Weine feinfühlig von ihrem Terroir. Im Unterschied zu den deutschen Gewächsen haben die elsässischen Pendants aber mehr Körper und meist auch mehr Struktur, da man sie gerne in alten Holzfässern ausbaut. Diesen Trend findet man inzwischen zwar auch in Deutschland, im Elsass allerdings hat er Tradition.
In der Grenzregion am Rhein entstehen Silvaner, die sich durchaus mit den Großen Gewächsen aus Franken messen können. Und auch Rheinhessen sollte man nicht aus den Augen verlieren. Denn dort gibt es immer mehr Winzer, die der Rebe die Böden und Lagen geben, die sie braucht, um hohe Qualitäten voller charakterstarker Aromen zu entwickeln. Den alten Glanz aus dem 17. und 18. Jahrhundert wird das wahrscheinlich nicht zurückbringen, aber immer mehr Weinliebhaber wissen einen guten Silvaner zum Glück wieder sehr zu schätzen. Gerade, weil die Weine von den unterschiedlichen Terroirs derart eigenständig sind. Probieren Sie doch mal einen Silvaner aus Franken neben einem aus Rheinhessen und dem Elsass. Der Facettenreichtum wird Sie erstaunen! Versprochen!
26 Antworten auf „Silvaner: Weiße Terroir-Rebsorte mit Anspruch“
[…] mit weißen Trauben bestockt. Neben den edlen Vier sind auch noch Pinot Blanc (Weißburgunder) und Silvaner wichtig. Letzterer wird hier gerne auch mit Ypsilon geschrieben. Sylvaner. Auf der roten Seite […]
[…] etwas mehr Intensität: Zur Forelle Müllerin darf es auch ein Riesling von der Mosel sein oder ein Silvaner aus […]
[…] und wächst heute bereits auf 600 Hektar Fläche. Damit liegt sie noch vor den weißen Sorten Silvaner und Gewürztraminer. So gut wie jeder Pfälzer Winzer hat die markante Sauvignon Blanc in seinem […]
[…] konnte, das wirklich zu verfolgen. Erst durch eine glückliche Fügung kam ich zu dem Thema Silvaner aus Franken. So konnte ich nach zwei vertanen Jahren und nach fünf Jahren insgesamt endlich das […]
[…] halbtrockenen Riesling oder aber einen Riesling Kabinett. Beides eine tolle Wahl. Aber auch eine Silvaner Spätlese aus Franken oder Rheinhessen hat eine ganz wunderbare Restsüße. Probieren Sie es […]
[…] die Bühne, verschwinden aber auch nicht. Perfekt dazu passen frische und dezent-aromatische Silvaner aus Rheinhessen oder Franken. Letztere natürlich traditionell in der regionalen Bocksbeutel-Form. […]
[…] denn diese frisst sich nur allzu leicht durch den Käsegeschmack. Wie wäre es da mit einem Silvaner aus Franken oder […]
[…] die "minderwertigen" Varianten "aushauen" solle. Sprich früh reifende Sorten wie Heunisch und Silvaner, die verlässlich hohe Erträge sicherten. Diese Sorten waren aus Sicht der meisten Weinbauern zwar […]
[…] Pizza und Wein – man reiche einen Sangiovese! Lammfilet und Wein – Pinot Noir! Spargel und Wein – Silvaner, Gutedel, Grüner Veltliner! Klassiker halt. Aber Wein zu Salat? Lange keine Glamour-Kombi. Denn […]
[…] bis mittelkräftigem Körper und insgesamt eher mild. Allrounder sind trockene Weißweine wie Silvaner aus Franken – natürlich stilecht aus dem Bocksbeutel. Eher zurückhaltend ist auch Müller-Thurgau […]
[…] Spargel ins Risotto, darf es auch gerne wieder quer durch Deutschland im Glas gehen: Mit einem Silvaner aus Franken oder Rheinhessen, oder einem Weißburgunder aus Baden oder der […]
[…] in einem Castell-Weingarten in Würzburg gepflanzt. Es war der Beginn einer Erfolgsgeschichte. Silvaner breitete sich schnell im ganzen Land als Lieblingsrebe aus. Um sich von den Gewächsen anderer […]
[…] übrigens nicht bekannt. Damals wurde für die Massenweine in Österreich vor allem die weiße Silvaner […]
[…] Kommen das Fleisch mit kräftiger Marinade, können Sie die Aromen etwas raufdrehen: fruchtiger Silvaner aus Franken oder Rheinhessen, Grauburgunder aus der Pfalz sowie kräftige Rieslinge aus dem Elsass […]
[…] haben möchte. Wer lieber weißen Glühwein selber machen möchte, dem empfehlen wir Rebsorten wie Silvaner oder Müller-Thurgau. Weiß- oder Grauburgunder machen sich als Glühwein übrigens auch […]
[…] gut behaupten. Was übrigens nicht minder gut zu solch einem deftigen Flammkuchen passt, ist ein Silvaner aus Franken, der dank seiner Kräuterwürze harmoniert. Als Wein zu Flammkuchen im mediterranen […]
[…] "Bokesbudel". Was ganz charmant "Ziegenhoden" heißt. Man weiß hingegen, dass meistens weißer Silvaner drinsteckt. Und: Es ist gesetzlich vorgeschrieben, dass nur fränkischer Qualitätswein mit […]
[…] Exemplare aus der Pfalz oder dem Rheingau. Zu den feinen Grießklößchen macht sich ein schlanker Silvaner aus Franken gut. Basiert die Bouillon allerdings auf Wild, dann ist ein Rosé-Wein zu Suppe eine […]
[…] Riesling, Silvaner, Spät- und […]
[…] bedeutete die Abkehr von den ertragsstarken und frühreifen Sorten wie Gelber Orleans, Elbling, Silvaner und Traminer eben auch Risiken. Was […]
[…] Venetien oder aber das deutsche Pendant Grauburgunder aus Baden oder der Pfalz sein sein. Auch ein Silvaner aus Franken oder Rheinhessen passt als Wein zu Curry, das auf der milden Genussseite steht, sehr […]
[…] hier ist Riesling die Top-Traube, wenn es um eine Spätlese geht. Wobei es ebenso Spätlesen aus Silvaner oder Grauburgunder […]
[…] zu den Weißweinen. Neben der Allzweckwaffe Namens Riesling empfehlen wir Ihnen, auch mal einen Silvaner aus Franken oder Rheinhessen auszuprobieren. Die feinen Fruchtnoten passen ganz wunderbar zu hellem […]
[…] zu denen wir raten. Nämlich zum Beispiel einem zarten Weißburgunder. Auch ein feinwürziger Silvaner aus Franken harmoniert zu Fisch sehr gut. Sollte Ihre Fischroulade allerdings mit Speck gefüllt […]
[…] sich vom Schöpfer der Traube ableitet. Scheu wollte mit ihr eine noch bessere Version der weißen Silvaner erschaffen. Und weil er die weinsäurebetonte Riesling nicht mochte, wollte er eine Varietät, die […]
[…] Würze so etwas wie ein universeller Speisenbegleiter ist, noch gar nicht erwähnt haben. Silvaner. Nicht nur aus Franken, sondern auch aus Rheinhessen oder dem Elsass. Sie sehen: Wein zu Lasagne […]