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Pfalz: Weinregion mit Riesling und Innovation

So viel Riesling wie hier wächst in keinem anderen Gebiet der Welt. Neben dieser klassischen Sorte experimentieren Pfälzer Winzer zudem begeistert mit internationalen Varianten wie Cabernet Sauvignon, die woanders in Deutschland noch unüblich sind.

Welcher Wein kann schon von sich behaupten, dass er einen Reichskanzler zu stilistischen Höhenflügen animierte? Als Fürst Otto von Bismarck Ende der 1880er-Jahre beim Vizepräsidenten des Reichstags in der Pfalz logierte, kredenzte man ihm Riesling aus der besonderen Lage "Forster Ungeheuer" - einige Schlucke später folgte das Bismarck’sche Bonmot "Dieses Ungeheuer schmeckt mir ungeheuer". Damit reiht sich Bismarck in eine lange Reihe an Weinliebhabern ein, die den Pfälzer Riesling genossen. Goethe schrieb dem Wein wohl besondere Kräfte zu, denn für einen Kuraufenthalt bestellte er sich einige Flaschen des legendären Jahrhundert-Jahrgangs 1811. 

Goethe und Bismarck dürften aber nicht nur Gefallen am Wein gefunden haben, sondern auch an der malerischen Weinregion selbst. Sie beginnt im Südwesten Deutschlands, an der französischen Grenze zum Elsass. Von hier erstreckt sich die Pfalz auf 85 Kilometern nach Norden, bis in die Nähe von Worms. Dazwischen schmiegen sich zahlreiche Weindörfer an die sanft-hügeligen Ausläufer des Pfälzerwalds, der das knapp 24.000 Hektar große Gebiet vor zu viel Wind und Regen schützt. Die zweitgrößte deutsche Weinregion besteht aus zwei Teilbereichen: Im Norden liegt die "Mittelhaardt-Deutsche Weinstraße", südlich davon befindet sich - nomen est omen - die "Südliche Weinstraße". Je näher man hier der französischen Grenze kommt, desto eher beschleicht einen mit Zypressen, Feigen- und Mandelbäume ein toskanisches Flair. Historisch bedeutend ist für die Pfalz der erste Bereich, denn hier fiel der Startschuss in Sachen Qualität.

Karte von der Weinregion Pfalz
Von Schweigen bis Bockenheim erstreckt sich die Pfalz. © Wine in Black

Andreas Jordans Qualitätsoffensive

Zwar betrieben in der Pfalz bereits die Römer Weinbau. Doch der Qualitätsweinbau, wie wir ihn heute kennen, ging erst so richtig im 18. Jahrhundert los. Da krempelte der junge Winzer Andreas Jordan auf dem elterlichen Weingut Jordan einiges um. Die Zeiten waren hart, als er plötzlich das Ruder übernehmen musste. Nicht nur hatte die Familie bei Kriegsplünderungen ab 1794 viel von ihrem Besitz verloren. Beide Eltern verstarben kurz darauf, und 1797 war der erst 22-Jährige Weingutsbesitzer. Um sich und seine drei Geschwister durchzubringen, entschied er sich für eins: allerhöchste Qualität. Denn damals galt Pfälzer Wein noch nicht als exquisit. Viel Geld erzielte man eher mit Weinen aus dem benachbarten Rheingau. Diese galten als Benchmark und genau das wollte der junge Eigentümer auch, Parole "Familienrettung durch edle Weine".

Ein Glas mit Weißwein auf einem Tisch mit weißer Tischdecke und einem Schattenspiel

Dazu musste er erstmal einiges umstellen. Die Liste seiner Neuerungen ist lang. Zunächst sorgte er für Ordnung im Weinberg und trennte die Rebstöcke. Denn bis dahin war es üblich, verschiedene Sorten gemischt zu pflanzen. Damit konnte er nun für jede Variante die besten Bedingungen schaffen. Um die Umgebung noch besser für die Pflanzen zu machen, veränderte er auch den Boden, schüttete etwa Erde auf, wenn er die Hänge erhöhen wollte, damit mehr Sonne an die Reben kommen konnte. Oder sorgte für Drainage im Boden, wenn sich Nässe staute. Zudem entschied er sich für eine hochwertige Sorte. Sprich: die Riesling-Rebe. Ihr hoher Gehalt an Weinsäure sorgt dafür, dass die Weine lange lagern können. Sie galt daher seit dem 17. Jahrhundert als edel und wurde von staatlicher Seite empfohlen. Erstmalig für einen Pfälzer Weinberg erntete er die Trauben in mehreren Durchläufen und brachte so perfektes Lesegut in den Keller.

Villa Rustica in Bad Dürckheim im Sonnenuntergang
Pfälzer Villa Rustica: Hier haben bereits die Römer Wein angebaut. Andreas Jordan hat's perfektioniert.

Die Mittelhaardt macht mit

Nun wollte Jordan in Deidesheim an der Mittelhaardt nicht nur guten Wein machen, er wollte ihn auch recht bald mit Gewinn verkaufen. Zum Glück war er auch ein Marketing-Talent. Dass Jordan beim Anbau auf den Ort und die Lage achtete, ließ er dann 1802 erstmalig aufs Etikett schreiben. Quasi als Qualitätsgarant. Ein absolutes Novum in der Pfalz, das außerdem wie ein Turbo wirkte. Schon wenige Jahre später konnten die Jordans das Drei- bis Vierfache der damals üblichen Preise erzielen. Das Überleben der Familie war gesichert. Und die Konkurrenz verunsichert.

Man begann, sich stärker mit Riesling, Reben und den idealen Lagen zu beschäftigen und alles aufeinander abzustimmen, perfekter Lesezeitpunkt inklusive. Und damit gilt Andreas Jordan als Innovator, der den Ruhm der Pfalz begründet. Vor allem die Weingüter in der Gegend um die Orte Bad Dürckheim, Deidesheim und Forst erlangten im 19. und 20. Jahrhundert internationale Berühmtheit und bringen bis heute Weinliebhaber zum Strahlen. Zwar gibt es das Weingut Jordan in seiner ursprünglichen Form nicht mehr. Aber es haben sich drei Betriebe daraus entwickelt, die heute zu den großen Namen in der Pfalz gehören. Wie zum Beispiel Reichsrat von Buhl und Bassermann-Jordan. Auch bei ihnen wird Riesling groß geschrieben. Kein Wunder, denn ein Viertel der Pfälzer Weinberge ist nach wie vor mit Riesling bestockt. Die edle Rebe gibt also noch immer den Ton an. 

Rieslinge in vielen Variationen

Damit steht die Pfalz seit 2008 flächenmäßig an der Spitze: Mit 5.900 Hektar Riesling ist hier mehr bestockt als an der Mosel, wo es nur 5.400 Hektar sindl! Beide kann man stilistisch gut unterscheiden. Denn die Varianten aus der Pfalz sind reifer, stoffiger und opulenter als die aus dem nördlicheren Gebiet. Schließlich sorgen hier um die 2.000 Sonnenstunden im Jahr für viel reife Frucht (Pfirsich, Aprikose, Mango) und etwas weniger Weinsäure. Natürlich gibt es Ausnahmen und so findet man hier auch stahlig-schneidige Varianten. Der typische Pfälzer Riesling kommt aber breiter daher, als der von der Mosel. Mindestens eine Gemeinsamkeit gibt es dann doch in beiden Regionen. Da Riesling sehr auf seine Umgebung reagiert, ist die stilistische Bandbreite auch innerhalb der Pfalz groß. Denn der Pfälzer Boden ist mit seiner Lage an einer Außenkante des Oberrheingrabens quasi eine Geologiestunde im Zeitraffer.

Neuscharfeneck im Pfälzerwald
Von der Burgruine Neuscharfeneck aus genießt man einen weiten Blick in den Rheingraben.

Als sich der Graben vor etwa 40 Millionen Jahren senkte, kam es an seinen äußeren Rändern zu Einbrüchen und Verwerfungen. Wie ein Fenster in die Vergangenheit wurden so auch ältere Gesteinsschichten sichtbar. Noch komplexer wurde der Bodenmix in den nächsten Millionen Jahren durch Flüsse, die jede Menge Sand ablagerten. So reichen heute die Böden von Buntsandstein, Keuper und Muschelkalk bis hin zu Basalt, Schiefer und Rotliegendem. Diese Vielfalt kann man schmecken! Auf Bundsandstein gewachsene Rieslinge sind frischer und mineralischer, während auf Basaltlagen entstandene Tropfen aus dieser Sorte fruchtiger und weicher ausfallen. Erstaunlicherweise hat sich Riesling den ersten Platz auf dem Varietäten-Treppchen aber erst in den 1990er-Jahren geholt. 

Auf zu neuen Rebsorten

Nach zwei Weltkriegen war das Qualitätsdenken in den Pfälzer Weinbergen weit entfernt von Jordans Anspruch. Stattdessen hieß das Credo für das Gros der Weingüter "Masse statt Klasse". Noch in den 1970er-Jahren hatten Weine aus der Pfalz eher den Ruf süßlicher Massenprodukte und die Südliche Weinstraße wurde schon mal als "Süßliche Weinstraße" sprachlich abgewatscht. Es waren Weine, die im günstigsten Fall bei einer Unterhaltung nicht groß störten und kein Loch ins Portemonnaie rissen. Stichwort aromatische Sorten wie Scheurebe, die mit reichlich Restzucker ausgebaut wurden und so für Kopfschmerzalarm sorgten. Vor allem Weine aus dem Süden und Norden der Pfalz waren weit entfernt von den Deidesheimer Edel-Rieslingen, die früher die Welt begeistert hatten.

Genug, dachte sich dann in den folgenden zwei Jahrzehnten eine junge Winzergeneration, die Erfahrung bei großen Weingütern im Ausland sammelte und setzte wieder auf Klasse statt Masse. Sie begrenzte nicht nur das Wachstum der Reben, sondern sortierte auch das Lesegut sorgfältiger. So war schon mal die Kopfschmerzgefahr gebannt. Zudem schaute sie über den damaligen Rebsorten-Tellerrand. Statt der weißen Sorte Müller-Thurgau baute man verstärkt Riesling an, so dass diese eben dann in den 1990er-Jahren Müller-Thurgau überholte. Auch Burgundersorten (Weiß-, Grau- und Spätburgunder), die Riesling-Kreuzungen Scheurebe und Rieslaner sowie die roten Sankt Laurent und Dornfelder wuchsen auf einmal häufiger in der Pfalz. Knapp ein Viertel der Pfälzer Fläche ist heute mit Rotwein-Sorten bestockt. Das ist beachtlich, denn vor rund 35 Jahren waren das noch zehn Prozent. An der Spitze steht dabei heute die Dornfelder mit zwölf Prozent. Für den Qualitätsweinbau ist dann aber eher Spätburgunder wichtig.

Burgunder in rot und weiß 

Die Sorte ist anspruchsvoll und als Winzer muss man sich schon Mühe geben, um die tiefgründige Aromatik aus ihr herauszukitzeln. Mit sieben Prozent der Anbaufläche belegt sie Platz Zwei der roten Sorten. Winzer in der Pfalz orientieren sich bei ihren Weinen am Burgunder Weinstil. Heißt: minimale Erträge, lange Maischestandzeiten und oft ein Ausbau im Barrique für kraftvoll-elegante Weine.

Spätburgunder gedeiht in der Pfalz besonders dort gut, wo es kalkhaltige Böden gibt. Damit können beide Bereiche aufwarten, sowohl Mittelhaardt-Deutsche Weinstraße als auch die Südliche Weinstraße. Tendenziell gibt es jedoch mehr Kalkböden im Süden, deswegen kommt etwas mehr Menge von hier. Schaut man im Weinführer Gault & Millau Deutschland nach Rebsorten in der Pfalz, dann findet man dort hochbewertete Spätburgunder aus beiden Regionen. Auch für zwei weitere Verwandte ist der kalkhaltige Untergrund ideal. So wundert es nicht, dass Grau- und Weißburgunder mit jeweils mehr als fünf Prozent der Rebfläche weit vorn im weißen Rebsorte-Ranking sind: Grauburgunder auf Platz zwei und Weißburgunder auf Platz fünf.

Franzosen und Italiener in der Pfalz

Für deutsche Verhältnisse ist es in der Pfalz nahezu mediterran. Der Klimawandel verstärkt dieses Sommergefühl zu Leiden der Reben, die es etwas kühler brauchen, um ihre Weinsäure nicht zu verlieren. Heißer und trockener werdende Sommer sind eher ungünstig für Riesling und Spätburgunder, und so haben einige Winzer bereits vor Jahren ihre Weinberge mit anderen Sorten bestockt.

So etwa das weitsichtige Weingut Emil Bauer & Söhne. Auf dessen Rebflächen wachsen die wärmeliebenden roten französischen Varianten Cabernet Sauvignon, Merlot und Cabernet Franc ebenso wie die italienischen Nebbiolo und Barbera. Letztere sind in der Pfalz noch nicht offiziell zugelassen und werden quasi als Versuchsanbau deklariert. Damit nicht genug, werden die Sorten munter gemixt. Mit Cabernet Sauvignon und Nebbiolo finden schon auch mal Bordeaux und Piemont gemeinsam in eine Flasche. So wie Emil Bauer & Söhne vinifizieren auch andere Spitzen-Weingüter internationale Sorten. Wie gut die mittlerweile gelingen, zeigt auch ein Blick in den jährlich stattfindenden Wettbewerb "Meiningers Rotweinpreis". Vor allem Cabernet Sauvignon und Merlot aus der Pfalz landen regelmäßig auf den vorderen Plätzen.

Retro-Fahrrad mit Picknickkorb und einer Weinflasche
Spannende Weine in malerischer Natur: In der Pfalz lässt sich beides genießen.

Auch auf der weißen Seite haben es internationale Sorten in den Pfälzer Boden geschafft: Sauvignon Blanc wächst und gedeiht und ist eine der Erfolgsgeschichte der Region schlechthin. Denn sie wurde erst im Jahr 2001 offiziell für Weine der Region zugelassen und wächst heute bereits auf 600 Hektar Fläche. Damit liegt sie noch vor den weißen Sorten Silvaner und Gewürztraminer. So gut wie jeder Pfälzer Winzer hat die markante Sauvignon Blanc in seinem Portfolio. Zum typischen Stachelbeeraroma der intensiv duftenden Sorte und zur mineralischen Frische kommt in der Pfalz noch ein Hauch von Holunderblüten oder Maracuja.

Drei Weingläser mit Weißwein vor schwarzem Hintergrund

Pfälzer Klassik und Moderne

Neben traditionellen Weingütern, die Jahr für Jahr klassische Rieslinge oder Spätburgunder erzeugen, gibt es in der Pfalz jede Menge Innovation, wie die Rebflächen von Emil Bauer & Co. zeigen. Mit dieser Experimentierfreude steht das Weingut aber nicht allein da. Sowohl in der Südlichen Weinstraße als auch in der Mittelhaardt testen Pfälzer Winzer das Potenzial internationaler Rebsorten aus.

Dabei ist traditionell arbeitenden und innovativen Weingütern eines gemeinsam: Sie machen individuelle Weine, die die Umgebung, in der die Reben wachsen, genussvoll zeigen. Da die Pfalz ein schier unendliches Mosaik an Bodenarten hat, lohnt sich also auch die Verkostung einer Sorte von verschiedenen Lagen. Oder eben einer Rotwein-Cuvée. Das alles macht die Pfalz für uns so lebendig und ist für Weinliebhaber eine extrem spannende Entwicklung, die man unbedingt weiter im Auge behalten sollte.

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