Ihr Spitzname wirkt wie der Dramentitel über ein untergegangenes Adelsgeschlecht: "Il Principe Siciliano" - der "Sizilianische Fürst". So nennen die Bewohner Siziliens ihre berühmteste rote Rebsorte. Außerhalb Italiens größter Insel kennt man sie aber eher als Nero d’Avola. Dabei ist auch das noch nicht einmal ihr richtiger Name. Denn amtlich wurde sie am 17. Juni 1970 im Register der italienischen Rebsorten als Calabrese vermerkt. An zweiter Stelle folgt dort Nero d’Avola, immerhin eingetragen als Synonym. Warum aber ist einem die Zweitregistrierte so viel geläufiger?
Das hat mit ihrer Verbreitung zu tun. Die offizielle Variante Calabrese legt nahe, dass sie vom italienischen Festland eingewandert ist und ursprünglich aus Kalabrien (italienisch "Calabria") stammt. Also von Sizilien aus Luftlinie zehn Kilometer weiter gen Norden, auf der anderen Seite der Meeresenge von Messina. Dort wird sie aber kaum angebaut. Im Jahr 2016 waren es lediglich 230 Hektar. Da kam Sizilien auf knapp 13.800 Hektar. Was dann auch fast ihrem gesamten Flächenanteil in Italien entspricht, nämlich knapp über 14.100 Hektar. Und eben ihren populärsten Namen - Nero d’Avola - erklärt. Denn der heißt übersetzt: der "Schwarze aus Avola". Also aus einem Dorf in Sizilien. Genau hier ist sie die rote Leitrebsorte schlechthin. Warum sie jetzt aber von der Behörde auf Platz zwei verwiesen wurde, ist nicht bekannt. Macht aber nichts. Schließlich kommt es ja nicht auf den Titel an, sondern auf den Inhalt.
So schmeckt Nero d‘Avola
Weine aus Nero d’Avola changieren irgendwo zwischen würzigem Power-Paket à la Rhône-Syrah aus der Hermitage und duftend-komplexem Barolo aus dem Piemont. Im Glas schimmern sie intensiv, in dunklem Rubinrot. Taucht man die Nase ins Glas, entfaltet Nero d’Avola ihre volle Strahlkraft mit Aromen von Schwarzkirsche und dunkler Pflaume. Auch Noten von mediterranen Kräutern, Pfeffer und Backgewürzen bis hin zu dunkler Schokolade und Tabak sind typisch für die Rebsorte. In einigen Gegenden Siziliens kommen dann noch florale Anklänge oder erdige und salzige Noten hinzu.
Am Gaumen gibt sich ein Nero d’Avola mittelkräftig und äußerst anschmiegsam. Denn obwohl aus der dicken Beerenschale viele Farbstoffe und Tannin in den Wein gelangen, geraten diese sanft und bestechen durch ein samtiges Volumen. In allen Varianten findet man überraschend eine erfrischende Weinsäure. Ja, viel Weinsäure. Das mag man bei einer Durchschnittstemperatur von über 30 Grad Celsius im Sommer kaum vermuten. Denn das legt eher viel Fruchtzucker und wenig Säure nahe. Zusammen mit den Tanninen sorgt die Weinsäure aber nicht nur für vollmundigen und saftigen Genuss. Beide bewirken auch, dass Sie die besten Nero d’Avola bis zu zwanzig Jahre lagern können. Ob der Wein eher ein Power-Paket ist oder eleganter daherkommt, hängt dabei von einigen Faktoren ab.
Stilistische Unterschiede: Höhe, Böden, Ausbau
Einen großen Unterschied macht die Höhe. Bis auf 500 Meter Höhe kann die Rebe angebaut werden. Darüber wird es ihr zu kalt und die Beeren bilden krautige Aromen aus. In der Ebene geraten die Weine kräftiger und tanninhaltiger. Um die Tannine zu bändigen und eben den typischen Nero-d’Avola-Schmelz zu erreichen, werden Weine aus der Ebene meist im Holzfass ausgebaut. Ein erwünschter Nebeneffekt: Dadurch werden die Aromen noch ausgefeilter, denn Tabak, Lakritz und Leder kommen so hinzu. Je höher die Reben angepflanzt werden, desto eleganter und leichtfüßiger geraten die Weine. Denn weiter oben bilden die Trauben dünnere Schalen und somit weniger Farbstoffe und Tannine aus. Dadurch sind die Weine heller im Glas. Aromatisch sind sie oft von feiner Frucht und dabei würziger und mineralischer als andere. Um die Frische zu betonen, reifen diese oft im Edelstahl.
Einen besonderen Boden gibt es im Südosten Siziliens, der einen spannenden Effekt hat. Hier erinnern die Weine im Geschmack stärker als woanders an Pflaumen und bestechen neben Kräuterwürze durch ihre Salzigkeit. Das liegt am hohen Gehalt von Natriumchlorid im Boden, das von den Reben aufgenommen wird und dann tatsächlich im Wein zu schmecken ist. Nero d’Avola reagiert auch auf andere Böden sehr unterschiedlich. Daher wundert es nicht, dass Winzer zunehmend mit Cru-Weinen experimentieren. Also die Sorte in Einzellagen anpflanzen, um besser zu verstehen, wie sie sich in unterschiedlichen Terroirs entwickelt.
Nun wird Nero d’Avola nicht nur reinsortig ausgebaut. Man findet sie in so ziemlich allen Kombinationen, die auf der Insel denkbar sind. Cuvées mit internationalen Sorten wie Merlot oder Cabernet Sauvignon sind gängig. Die betonen mal mehr die fruchtig-samtige Seite (Merlot) oder mal eher die Struktur (Cabernet Sauvignon). Seine eleganteste Form aber findet Nero d’Avola zusammen mit einer anderen Insel-Sorte. Die roten Frappato, die ein floral-fruchtiger Flankengeber ist und Nero d’Avola zur noblen Leichtigkeit verhilft.
Der sizilianische Fürst erwacht
Die Sorte Nero d’Avola hat viel zur neuen Wein-Identität der Insel beigetragen. Denn bis in die 1980er-Jahre noch legten Winzer den Fokus auf Menge. Sprich Masse statt Klasse. Dann aber setzte ein Umdenken ein. Erfolgreich reduzierten qualitätsorientierte Winzer den Ertrag der Rebstöcke und lasen die Trauben früher. Dadurch enthielten die Trauben weniger Zucker und mehr Weinsäure. Man erhielt also Weine, die nicht marmeladig-süß schmeckten wie ihre Vorgänger, sondern frisch-fruchtig. Dabei entdeckte man das Potenzial von Nero d’Avola für hochwertige und eigenständige Rote.
Im Jahr 1984 kam der erste reinsortige Wein aus Nero d’Avola auf den Markt. Da gab es in Sizilien zwar schon eine Reihe an DOCs (Denominazione di Origine Controllata), in denen auch Nero d’Avola erlaubt war. Was es aber noch nicht gab, war eine eigene sizilianische DOCG (Denominazione di Origine Controllata e Garantita). Also die Qualitätsspitze im italienischen Weinbau. Ansporn für die Winzer, sich noch mehr ins Zeug zu legen und noch bessere Weine zu machen. Knapp zwanzig Jahre lang später war es dann endlich soweit: 2005 wurde Sizilien mit einer ersten eigenen DOCG gekrönt, der Cerasuolo di Vittoria. Genau die ist dann auch eine Hommage an die häufigste rote Rebsorte der Insel, die hier als Leitsorte vorgeschrieben ist.
Merkmale von Nero d’Avola
Grundsätzlich ist Nero d’Avola unkompliziert und kommt mit einer Reihe von Umgebungen klar. Sie ist recht unempfindlich gegen Hitze und Trockenheit. Tatsächlich braucht sie sogar die Wärme. Ihre dicken Schalen benötigen eben ausreichend Sonne, um optimal ausreifen. Auch für ihre lange Wachstumsphase sind hohe Temperaturen von Vorteil. Denn ihre Reben treiben früh aus und ihre Trauben reifen recht spät. Erst Mitte September haben die Beeren ihre charakteristisch dunkle, fast schwarz schimmernden Farbe entwickelt. Weil sie früh austreibt und spät ausreift, ist sie anfällig für Frost im Frühjahr und Spätherbst. Zum Glück kommt das in Sizilien nur an wenigen Orten vor. Daher findet man sie eben fast überall.
Ein paar Allüren hat die Sorte dann aber doch. Sie mag keine Staunässe und wächst am liebsten auf trockenen Böden, die einen guten Wasserabzug gewährleisten. Sand, Kies und Kalk sind daher ideal. Will man hochwertige Nero-d’Avola-Trauben haben, pflanzt man am besten auf kargen Böden. Denn bei vielen Nährstoffen wuchern die Reben leicht und breiten sich sehr schnell aus, wodurch die Aromen verwässern. Wo die Böden mehr Nährstoffe haben, hilft es, den Ertrag zu reduzieren. Auch so erhält man intensiv duftende Beeren, die im Wein dann mit den typischen Nuancen von dunklen Früchten verführen.
Nero d’Avola im Rest der Welt
Jetzt kann man sich fragen, ob die Sorte eigentlich auch außerhalb Italiens angebaut wird? Ja. Mit einem ganz großen Aber. Also eigentlich nein. Denn die Flächen sind mikroskopisch klein. Zwar kommen Australien, Ungarn und Südafrika Rebflächen mit der Sorte, aber die sind so klein und die Weine so beliebig, dass sie international nicht wahrgenommen werden. Wahre Strahlkraft entwickelt die Rebsorte tatsächlich nur in ihrer Heimat Sizilien.
Dort brilliert sie aber umso mehr! Mit Weinen, die die Sonne und die kühlenden Meeresbrisen der Insel erahnen lassen. Überzeugen Sie sich einfach selbst davon! Probieren zum Beispiel einen reinsortigen Nero d’Avola, der im Stahltank ausgebaut wurde, neben einem, der Holz gesehen hat. Und dann vielleicht noch als Cuvée aus internationalen Sorten oder als leichtere Variante mit Frappato, die man im Sommer am besten leicht gekühlt genießt. Wir versprechen Ihnen eine aufregende Zeit!
6 Antworten auf „Nero d’Avola – Siziliens Rebsorten-Fürst“
[…] konnte man sich den eigenen Rebsorten widmen. Zum regelrechten Star wurde die rote Sorte Nero d’Avola. Genau die intensiv-schmeckende Sorte, aus der früher die Massenweine gemacht wurden. Aber […]
[…] trockenen, nicht zu tanninhaltigen Rotweinen. Allrounder sind Barbera d'Asti, leichte Sangiovese, Nero d’Avola, Merlot. Auch Rosé mit mittlerem Körper und frische, trockene Weißweine mit kräftigem Körper […]
[…] glänzt. Und sie brachten italienische Rebsorten ins McLaren Vale. Ob nun Sangiovese, Barbera und Nero d’Avola auf der roten oder Vermentino und Fiano auf der weißen Rebsortenseite – in so manchem Weingarten […]
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[…] und Nerello Cappuccio an, die am Fuße des Ätnas ihre ganze Aromenpracht entwickeln. Aber auch ein Nero d’Avola harmoniert mit seiner intensiven Kirsch- und Beerenfrucht hervorragend. Je schärfer die […]
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