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Washington State: Wein aus dem hohen Norden Amerikas

Obwohl aus Washington State nur fünf Prozent aller Weine kommen, ist es das zweitgrößte Weinbaugebiet der Vereinigten Staaten. Hier entstehen fruchtbetonte Weine mit präziser Struktur.

Nördlicher als in Washington State wird in den Vereinigten Staaten kein Wein angebaut. Eingerahmt von der Grenze zu Kanada und dem Pazifik, verbindet man mit dem US-amerikanischen Bundesstaat spätestens seit dem Film "Schlaflos in Seattle" vor allem eins: Regen. Und tatsächlich: der Westen von Washington State gehört zu den feuchtesten Regionen der Welt. Wer dort Wein anbauen will, der hat es schwer. Deswegen findet man dort von den insgesamt gut 24.000 Hektar Rebfläche gerade mal 70 rund um der Bucht Puget Sound. Und der Rest? Dafür müssen wir die Cascade Mountains Richtung Osten überqueren. Diese Gebirgskette, die sich von Nord nach Süd durch den kompletten Bundesstaat zieht, hält Regen und Pazifik-Winde ab.

Hat man die Cascade Mountains erst einmal hinter sich gelassen, findet man sich praktisch in einer anderen Welt wieder. Denn der Osten von Washington State ist trocken. Trockener als die Wüste Gobi. Wobei die Böden trotzdem extrem fruchtbar und für den Weinbau geradezu ideal sind. Unter der sandigen Auflage verbirgt sich nämlich Vulkangestein. Hinzu kommen Sedimente, die reich an Mineralien und Nährstoffen sind. Diese sind Überreste der großen Missoula-Flut, die vor etwa 115.000 Jahren während der letzten Eiszeit das komplette Land überschwemmte, als die Gletscher schmolzen. Von all dem Wasser ist freilich nichts mehr übrig. Im Osten des Staates ist Weinbau nur mit Hilfe von künstlicher Bewässerung möglich.

Blick auf herbstliche Rebstöcke in Washington State
Im Osten von Washington State ist es nicht nur besonders schön, sondern auch besonders trocken.

Geschichte des Weinbaus in Washington State

Zum Glück schlängelt sich mit dem Columbia River die nötige Wasserquelle direkt durch die Rebflächen, die hauptsächlich in der AVA Columbia Valley (American Viticultural Areas - das amerikanische Pendant zu den französischen Appellationen) anzutreffen sind. Und in dieser befinden sich 13 weitere AVAs des Bundesstaates. Weinbau wurde hier bereits von europäischen Siedlern in der Mitte des 19. Jahrhunderts betrieben. Sie pflanzten die ersten Grenache-Reben, als Washington State offiziell nicht mal gegründet war. Doch im Zuge der legendären amerikanischen Prohibition war mit Wein dann auch schnell wieder Schluss. Statt Kulturreben wurde Concord angebaut. Eine Nutzrebsorte, aus der man vor allem Traubensaft und Gelee herstellte. Außerdem wichen die wenigen Rebflächen dann noch Apfelbäumen und Anlagen mit Hopfen. Concord, Äpfel und Hopfen prägen nach wie vor die Landwirtschaft.

Rotwein wird aus einer Weinflasche in ein Weinglas eingegossen

In den 1960er-Jahren gab es in Washington State gerade einmal zwei Weingüter. Dass es nur ein Jahrzehnt später einen regelrechten Boom gab, dem es zu verdanken ist, dass inzwischen über 850 Weingüter existieren, hat gleich mehrere Gründe. Alles fing 1965 damit an, dass sich die beiden einzigen Weingüter zusammenschlossen. Es war die Geburtsstunde von Chateau Ste. Michelle - einem der bis heute größten Weingüter der Region. Parallel dazu erlebte der Weinbau in Kalifornien einen großen Aufschwung. Amerikanische Weinliebhaber, die vorher lieber edle Tropfen aus der Alten Welt tranken, waren plötzlich ganz wild auf einheimische Produkte. Nur war es damals schon extrem teuer, in Kalifornien Rebflächen zu kaufen. Land in Washington State hingegen kostete nur ein Bruchteil. Es waren Pioniere wie etwa Professor Walter Core, die sich in den 1970ern gezielt gen Washington State orientierten und nach geeigneten Stellen suchten, um dort wieder Kulturreben zu pflanzen.

Karte von den einzelnen Weinregionen im amerikanischen Washington State
Wo liegt was in Washington State? Ein Überblick. © Wine in Black

Von Cabernet Sauvignon bis Syrah: Rote Rebsorten

Dass die europäischen Siedler vor allem Grenache in den nördlichen Bundesstaat brachten, war zu diesem Zeitpunkt vergessen. Da Washington State auf dem 46. Breitengrad liegt - auf einer Höhe mit dem Bordeaux - nahm man sich eben dieses als Vorbild. Und pflanzte vor allem Merlot. Die rote Rebsorte fühlte sich auf dem sandig-mineralischen Boden auch auf Anhieb wohl. Es entstanden ebenso fruchtige wie präzise Weine, die sich schnell großer Beliebtheit erfreuten. Es gab da nur ein Problem: Merlot ist sehr kälteempfindlich - und die Winter in Washington State schneidend kalt. Viel zu oft starben die Knospen an Spätfrost oder die Rebe selbst ging während des harten Winters ein. Das führte dazu, dass Merlot inzwischen nicht mehr in der Ebene, sondern auf höheren Lagen angebaut wird. Wobei auch hier Frostschäden oft nicht zu vermeiden sind. 1996 und 2004 wurde es bis zu -26 Grad Celsius kalt. Da hatten selbst robuste Reben keine Chance.

Auf der roten Rebenseite hat Cabernet Sauvignon Merlot inzwischen abgelöst - dicht gefolgt von Syrah. Cabernet Sauvignon spielt seine vollmundige Stärke vor allem in der AVA Red Mountain bestens aus. In der heißesten Appellation von Washington State entstehen opulente und extraktreiche Cabernet, die jedem Kalifornier spielend Konkurrenz machen können. Syrah indes wird in der AVA Walla Walla immer beliebter. Diese Appellation ist übrigens grenzüberschreitend, denn sie zieht sich rüber bis nach Oregon.

Walla Walla wurde durch die Weine von Charles Smith in Europa bekannt. In den Vereinigten Staaten schätzt man das kleine Anbaugebiet aber auch als kulturelles Epizentrum und Studentenhochburg. Die Weine sind von einer ebenso konzentrierten wie tiefgründigen Frucht und einer mineralischen Eleganz geprägt. Wer es noch feiner haben möchte, der wird in der direkt daneben liegenden AVA Horse Heaven Hills fündig. Hier entstehen aus Merlot, Cabernet Sauvignon und Syrah finessenreiche Rotweine - gerne auch im Stil eines Bordeaux-Blends. Nicht zu vergessen, dass in Horse Heaven Hills wieder Grenache angebaut wird. Und zwar nur dort.

Weinberge mit Merlot in Washington State
Merlot gedeiht in Washington State inzwischen nur noch in höheren Lagen.

Washington State: Riesling Superstar

Obwohl hierzulande vor allem über die Rotweine aus Washington State gesprochen wird, ist es eine weiße Rebsorte, die dort am häufigsten angepflanzt wird. Nämlich Riesling. Allerdings dicht gefolgt von Chardonnay. Beide Sorten finden auf dem vulkanischen Boden im Yakima Valley ideale Bedingungen. In der ältesten AVA des Bundesstaates ist es vor allem der Name eines Weinguts, der mit Riesling eng verbunden ist: Chateau Ste. Michelle. Das älteste und renommierteste Weingut in Washington State baute im Yakima Valley bereits in den 1960er-Jahren Riesling an. Und das mit phänomenalen Erfolg. Denn als im Jahr 1972 die "Washington Post" ein großes Riesling-Panel veranstaltete, hängte der Riesling von Chateau Ste. Michelle die Konkurrenz aus Deutschland, Österreich und dem französischen Elsass gnadenlos ab.

Zwei Weingläser mit Rotwein vor schwarzem Hintergrund

Im Yakima Valley folgte ein wahrer Riesling-Boom, der von Chateau Ste. Michelle zusätzlich befeuert wurde. Man hielt zum Beispiel Riesling-Symposien ab. Knapp 20 Jahre nach dem Panel-Tasting lancierte das Weingut seinen nächsten Coup. Anfang der 1990er-Jahre kam es zu einem Joint Venture mit dem Mosel-Weingut Dr. Loosen. Ernie Loosen war damals der junge Shooting-Star der deutschen Weinszene. Jeder wollte mit ihm zusammenarbeiten - Chateau Ste. Michelle bekam den Zuschlag. Das Ergebnis: der feinherbe Riesling 'Eroica'. Benannt nach Beethovens dritter Symphonie, ist der Wein eine wahrhaft grandiose Komposition. Ausgebaut in unterschiedlichen Eichenfässer-Größen besticht der Riesling mit seinem cremigen Mundgefühl, einer gebirgsbachklaren Struktur und einer üppigen Schiefer-Mineralik, die direkt von der Mosel importiert zu sein scheint.

Rebstöcke im Yakima Valley in Washington State.
Wo Riesling regiert: Blick ins Yakima Valley.

Kult-Weine aus Washington State

Inzwischen ist der Riesling 'Eroica' Kult - genauso wie 'Kungfu Girl' von Charles Smith. Nur, dass dieser ein Hauch gefälliger und frischer ist und dementsprechend eine sehr große Fangemeinde hat. Moment einmal! Charles Smith? Ist der nicht eigentlich in Walla Walla beheimatet? Und dann baut er trotzdem im Yakima Valley Riesling an? Ja! Denn das ist eine weitere Besonderheit in Washington State: die Weingüter beschränken sich nicht auf einzelne Appellationen sondern haben überall unterschiedliche Rebflächen. Da ist es dann auch durchaus üblich, die Trauben der verschiedenen AVAs für ein und denselben Wein zu nehmen.

Und das ist ganz einfach zu erkennen: steht als Herkunft nur Columbia Valley auf dem Etikett, dann stammen die Trauben aus den unterschiedlichsten Ecken dieser Region. Denn schließlich befinden sich alle Appellationen ja in Columbia Valley. Ist aber eine einzelne AVA wie etwa Walla Walla oder eben Yakima Valley abgedruckt, dann kommt der Wein tatsächlich auch nur aus dieser.

Auch ist es in Washington State noch durchaus üblich, dass Weingüter zusammenarbeiten. Die Columbia Crest Winery, der größte Betrieb des Bundesstaates, produziert zum Beispiel selbst jedes Jahr 24 Millionen Flaschen Wein - und versektet zusätzlich noch die Schaumweine von Chateau Ste. Michelle. Das ist schon eine sehr beeindruckende Größenordnung, die klarmacht, welche Dimensionen der Weinbau in den Vereinigten Staaten hat. Wenn man sich jetzt noch klar macht, dass aus Washington State gerade einmal fünf Prozent aller amerikanischen Weine kommen, obwohl es die zweitgrößte Weinregion in den Staaten ist, weiß man, wie gigantisch der Platzhirsch Kalifornien ist.

Weinberge in den Blue Mountain
Die Rebflächen der meisten Weingüter sind über alle Appellationen verteilt.

Wein-Vielfalt aus dem Norden der USA

Trotz der kalifornischen Übermacht ist es Washington State durch eine kontinuierliche Qualitätssteigerung (mehr Handarbeit, weniger Maschinen) gelungen, sich aus dessen Schatten herauszukämpfen. Und das innerhalb von nur knapp 50 Jahren! Washington State hat gegenüber Kalifornien aber auch noch einen entscheidenden Vorteil. Während im Napa Valley, Sonoma und Co. bereits jeder freie Quadratmeter mit Reben bestockt ist, gibt es in Washington State noch massig Platz für eine vinophile Expansion. Auch sind die Hektarpreise noch nicht derart explodiert wie in Kalifornien. Das wiederum schafft Freiraum für Experimente. Nämlich auch mal Sorten fernab der gängigen Marktgrößen wie etwa Cabernet Sauvignon oder Riesling anzupflanzen. Bestes Beispiel ist da wieder Charles Smith, der mit seiner 'CasaSmith'-Linie mit roten italienischen Rebsorten etwas vollkommen Neues in Walla Walla schafft. Vor allem mit Primitivo, Sangiovese und Barbera.

Mit dieser Experimentierfreude ist Charles Smith aber nicht allein. Wie bereits erwähnt, entdeckt man in Horse Heaven Hills gerade Grenache wieder für sich. Ebenso wie übrigens Malbec und Petit Verdot. Und selbst im Westen von Washington State, wo es dank des kühlen und sehr feuchten Klimas kaum Weinbau gibt, gibt es frühreife Sorten wie Müller-Thurgau oder sogar die weiße Siegerrebe. Über 40 unterschiedliche Rebsorten lassen sich in Washington State inzwischen finden. Ein eindeutiges Zeichen dafür, dass man hier Vielfalt hochhält. Für Weinliebhaber ist das eine höchst spannende Entwicklung, die man unbedingt weiter im Auge behalten sollte.

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