Als Nicolás Catena Zapata seinen ersten Weingarten auf gut 1.500 Metern über dem Meeresspiegel anlegte, fassten sich die anderen Winzer im Valle de Uco fassungslos an den Kopf. Was sollte das denn? So weit oben ist es doch viel zu kalt! Da kann kein Wein gedeihen! Und erst recht nicht Malbec oder Cabernet Franc! Die Klimazone da oben ist schließlich mit dem Burgund vergleichbar, wo es für diese Rebsorten viel zu kalt ist. Da kam auch noch niemand auf so eine wahnsinnige Idee!
Sie sehen: Nicolás Catena Zapata sorgte für ziemlich viel Wirbel in der argentinischen Weinwelt. Das war im Jahr 1992. Und damals war man Wirbel in Argentinien nicht gewohnt, wenn es um Wein ging. Schon gar nicht in der Region Mendoza und erst recht nicht im Valle de Uco - einem ebenso beschaulichen wie fruchtbaren Tal, das vom gewaltigen Gipfel des Tupungato-Vulkans bewacht und von der Bergkette Cerro El Plata eingerahmt wird.
Startschuss für den neuen Weinbau in Argentinien
Natürlich gab es auch schon vorher Weinbau im Valle de Uco. Bereits seit über 200 Jahren, um genau zu sein. Aber eben nicht derart professionell. Oder gewagt. Wie in ganz Argentinien waren es eher Bauern, die nebenbei für den privaten Gebrauch ein paar Reben irgendwo wachsen ließen. Oder eben Großbetriebe, die massenhaft billigen Wein abfüllten. Bis zu jenem Jahr 1992 spielte Argentinien in der Weinwelt absolut keine Rolle. Doch dann kam eben Nicolás Catena Zapata mit seiner wahnwitzigen Idee, in derart großer Höhe Wein machen zu wollen. Heute ist Adrianna Vineyard, Nicolás Catena Zapata benannte den Weingarten nach seiner jüngsten Tochter, eine Legende.
Denn trotz aller Unkenrufe und der großen pessimistischen Schwarzmalerei gediehen die Reben dort oben prächtig! Ob nun Cabernet Franc, Malbec oder Chardonnay - die Höhe war ideal. Zwar ist es in dieser extremen Höhenlage tatsächlich sehr kühl, aber: es gibt enorm viel Sonne. Und die scheint hier besonders intensiv. Hinzu kommt, dass das Schmelzwasser der Anden eine ideale Bewässerungsquelle darstellt. Nicht zu vergessen, dass dank der Anden ein ständiger Wind weht. Durch ihn und die vielen Sonnenstunden wird es trotz der mangelnden Wärme in den Weingärten nicht zu feucht. Ergo können sich die üblichen Rebstockkrankheiten nicht ausbreiten. Der besondere Clou sind aber die Temperaturkontraste.
Schließlich können zwischen Tag und Nacht schon mal 20 Grad Celsius Unterschied herrschen. Die Trauben sind also extremen Schwankungen von warm zu sehr kalt ausgesetzt und reifen dadurch nicht nur besonders langsam, sondern entwickeln auch eine höchst intensive Aromatik. Kommt dann auch noch akribische Handarbeit hinzu, entstehen Wein-Legenden!
Spitzen-Önologen entdecken das Valle de Uco für sich
Genau das war dann der Fall, als Nicolás Catena Zapata seine ersten Weine vom Adrianna Vineyard abfüllte. Die Weinwelt stand Kopf vor Begeisterung: die Weine fanden reißenden Absatz und suhlten sich im Punkte-Regen der Kritiker. Und plötzlich gab es mächtig viel Bewegung im Valle de Uco, die so stark war, dass das komplette Weinland Argentinien von der nun vorherrschenden Weinbau-Euphorie mitgerissen wurde und aus ihrem vinophilen Dornröschenschlaf erwachte. Endlich erkannte man das Potenzial des eigenen Weinlandes!
Wobei aber nicht nur die Argentinier selbst eine Weinbau-Offensive im Valle de Uco starteten. Es waren vor allem internationale Investoren, die hier Weingüter gründeten und mit Spitzen-Önologen die neuartige Höhe erkundeten. Ob nun Cabernet Franc, Malbec, Pinot Noir, Grenache, Bonarda (auch als Charbono bekannt) und sogar Cabernet Sauvignon auf der roten oder Chardonnay, Torrontés und Sémillon auf der weißen Weinseite - angebaut wurden vor allem die internationalen Rebsorten, mit denen man sich auskannte. Ganz einfach, weil es sie seit Anfang des 19. Jahrhunderts dank spanischer und italienischer Einwanderer in Argentinien bereits gab.
Gigantisch große Weingüter im Valle de Uco
Während man sich im übrigen Mendoza durchschnittlich auf 900 Höhenmeter wagte, fing der neue Weinbau im Valle de Uco allerdings erst bei 900 Metern an - und ging hoch auf bis 2.000 Meter. Das war nicht nur Anfang der 1990er-Jahre eine absolute Neuheit, das ist auch heute noch etwas sehr besonderes. Aber nicht nur die extremen Höhen waren gewaltig, sondern auch die Ausmaße der Weingüter an sich. Das war vor allem den internationalen Investoren zu verdanken, die nicht kleckerten, sondern klotzten. Wobei eigentlich erst ins Valle de Uco investiert wurde, als sich der berühmte Önologe Michel Rolland, der weltweit ein Garant für Weine mit 100 Parker-Punkten ist, mit sechs weiteren wohlhabenden französischen Winzern zusammentat und das Projekt "Clos de los Siente" gründete, um in Argentinien Wein zu machen.
Danach folgten die Geldgeber in Strömen - und schufen gigantische Weingüter, deren Größe hierzulande auf Massenproduktion schließen lassen würde. Nicht aber im Valle de Uco. Dort gibt es zwar auch nach wie vor Billigbetriebe für den günstigen Supermarktwein, aber die deutliche Mehrheit der Weingüter beweist, dass Masse und Klasse in Argentinien sehr gut Hand in Hand gehen können. Nehmen wir nur einmal das Weingut Salentein. Die Zahlen sind schwindelerregend: von den 2.000 Hektar Land sind 800 Hektar unter Reben. Sage und schreibe zehn Millionen Liter Wein werden hier jährlich produziert, von denen allein zwei Millionen Liter für die hoch dekorierten Premiumweine entfallen. Das sind wahrlich ganz andere Dimensionen als hierzulande, wo es von so manch einem Großen Gewächs nur ein paar hundert Flaschen gibt!
Cool Climate-Stars: Malbec und Chardonnay
Die Welt entdeckte also dank des Valle de Uco und seinen Pionieren plötzlich den Genusswert von argentinischen Weinen. Und hier allen voran Malbec und Chardonnay, die dort besonders gut gedeihen, eben weil ihnen die Cool Climate-Bedingungen in Verbindung mit der enormen Sonnenkraft hervorragend stehen. Die Weine bestechen generell mit einer faszinierenden Feingliedrigkeit, die sie dem kühlen Klima zu verdanken haben, sind aber aufgrund der hohen Reife durch die Sonne trotzdem sehr vollmundig und höchst aromatisch.
Und dieser Kontrast aus Filigranität und Vollmundigkeit ist es dann auch, der die Weine aus dem Valle de Uco derart beliebt macht - und heiß begehrt. Einen zusätzlichen Schub gab es, als auch die Weinkritiker dieser Welt auf das kleine Anden-Anbaugebiet mit seinen drei Departements Tupungato, Tunuyán und San Carlos aufmerksam wurden - und mit Punkten sowie Lobeshymnen geradezu überhauften - allen voran Robert Parker’s Wine Advocate, bei dem Bewertungen im hohen 90-Punkte-Bereich keine Seltenheit waren (und sind). Plötzlich war Argentinien durch das Valle de Uco im Zentrum des Interesses. Jeder wollte diese außergewöhnlichen Weine ins Glas bekommen. Argentinien war der neue Star der Weinwelt. Und das in weniger als 20 Jahren! Ein nie dagewesener Qualitätsaufstieg!
Die Böden im Valle de Uco
Was folgte, war der zweite Booster, der dem Valle de Uco einen dauerhaften Platz unter den weltweiten Stars der Weinregionen sicherte. Denn die Gewächse, von denen die Weinwelt so schwärmte, machten auch renommierte Weingüter aus anderen Teilen der Region Mendoza neugierig. Wie zum Beispiel die Familie Zuccardi, die bereits seit den 1960er-Jahren Weinbau im nördlichen Teil Mendozas betrieb. Die Familie wollte in den Höhenlagen vom Valle de Uco so rund um die Jahrtausendwende eigentlich nur ihr Bewässerungssystem ausprobieren. Sie begann, mit verschiedenen Weingärten zu experimentieren - und stieß auf etwas, das noch faszinierender war als die extreme Höhe: der Boden.
Oder besser gesagt: die Böden. Denn das Valle de Uco hat da eine enorme Vielfalt zu bieten. Ob nun Schwemmland, Lehm, Sand, Ton, Stein oder Vulkangestein - insgesamt wurden 60 unterschiedliche Bodenarten identifiziert. Bis jetzt. Die Forschungen dauern nämlich noch an. Das Besondere dieser ohnehin schon besonderen Besonderheit: die Bodenarten wechseln sich zum Teil alle paar Meter ab. Dadurch reifen die Trauben derart unterschiedlich, dass sie zu unterschiedlichen Zeitpunkten gelesen werden müssen.
Große Weine zum fairen Preis
Genau diese Mehrarbeit nehmen die Winzer aber gerne in Kauf, wenn es um den idealen Reifegrad geht. Aber nicht nur das! Denn durch die Forschunghaben sich einige Önologen bereits zu echten Bodenspezialisten entwickelt, die bestimmte Rebsorten in bestimmten Parzellen ausbauen. Daraus entstehen dann entweder reinsortige Weine in klitzekleinen Mengen oder aber einzigartige Blends, die das Beste der unterschiedlichen Böden miteinander vereinen. Diese Fokussierung auf das Terroir hatte in den vergangenen zehn Jahren zur Folge, dass die Weine aus dem Valle de Uco noch besser und vor allem: noch unverwechselbarer wurden.
Und an genau dieser Stelle wird es für jeden Weinliebhaber interessant. Denn die enormen Qualitäten ändern nichts daran, dass der Weinbau in Argentinien noch keine so lange Tradition hat wie in Europa. Warum das interessant ist? Weil man das an der Preisgestaltung merkt! Während die Spitzen-Gewächse aus dem Bordeaux oder dem Burgund ein kleines Vermögen im hohen dreistelligen Bereich kosten können, sind die Icon-Weine aus dem Valle de Uco für ein Bruchteil dieser exorbitanten Summen zu haben.
Ähnlich sieht es auch aus, wenn man gen Italien blickt. Ob nun Edel-Barolo aus dem Piemont oder legendärer Supertuscan aus der Toskana: die Preise sind aufgrund der langen Tradition immer weiter hoch gegangen. Natürlich krabbeln sie auch im Valle de Uco ein wenig nach oben. Aber längst nicht so schnell. Deswegen kann man dort noch zahlreiche Flaggschiff-Weine zu einem erstaunlich fairen Preis erstehen. Ein Blick ins Valle de Uco lohnt sich also allemal.