Beeindruckende 3.850 Meter ragt der Monte Viso im Nordwesten Italiens in die Höhe. Von hier fallen die Alpenhänge jäh ab, bis in die Po-Ebene mit berühmten Barock-Städten wie Turin. Schon hier sind Genießer gut aufgehoben: historische Kaffeehäuser und unzählige Delicatessenläden lassen das Gourmetherz schneller schlagen. Willkommen in Italiens Genussregion Piemont. Wein von Weltruf der dazu passt, wird weiter südlich vinifiziert: im sanften Hügelland der Langhe.
Genau hier fühlen sich die Reben pudelwohl: Das Klima ist gemäßigt kontinental, mit heißen und trockenen Sommertagen. Dafür sorgt zum einen die Alpenkulisse im Norden, die wie ein schneebedecktes Hufeisen die Region umfängt. Denn das sieht nicht nur malerisch aus, sondern tut eben auch den Reben gut. Schließlich halten die Berge Wetterunbilden aus dem Norden ab. Ganz nebenbei wissen wir jetzt auch, warum die Gegend Piemont heißt - also "am Fuß der Berge". Im Süden kommen weitere Wetterzähmer hinzu: Der mediterrane Lago Maggiore und die Flüsse Po und Tanaro mildern das Klima rebenfreundlich ab, der Herbst taucht die Weinberge in mystischen Nebel.
Piemont: Wein-Juwelen aus Nebbiolo
Die renommiertesten Appellationen für Piemont-Wein befinden sich in der Mitte und im Süden der Provinz, im sanft gewellten Hügelland Langhe mit seinen hingetupften mittelalterlichen Dörfern und kleinen Schlössern. Hier, südlich der Barockstadt Turin, bauen Winzer Weltklassewein an, dass einem schwindlig wird. Die bekanntesten Appellationen sind die beiden DOCGs (Denominazione di Origine Controllata e Garantita) Barolo und Barbaresco, deren gleichnamige Weine die Puls von Weinliebhabern deutlich erhöhen.
Und vor allem die Nebbiolo-Weine aus Barolo und Barbaresco haben Piemont-Wein zu dem gemacht, was er heute ist: In keiner anderen Region der Welt bringt Nebbiolo so spektakulär duftig-komplexe Versionen hervor wie hier. Nirgendwo erzielen sie so hohe Preise wie in den Bergen um Turin, Asti und Alba. Vorhang auf für die Piemont-Weine Nummer 1, Barolo und Barbaresco!
Piemont: Wein-Stars Barolo und Barbaresco
Nahe der verträumten Stadt Alba gehört die Bühne Barolo und Barbaresco, beide gekeltert aus der lokalen Rebsorten-Diva Nebbiolo. Auch wenn sie nur in einem relativ kleinen Teil angebaut wird, sind ihre Weine umso beeindruckender: kräftig und dennoch elegant mit fester Tanninstruktur und ausdrucksvollen Rosen- und Trüffelaromen. Diese komplexe Stilistik ist weltweit besonders.
Im Glas kontrastiert der helle orange-braunrote Farbschimmer eines Barolo mit dem vollen Körpergefühl im Mund. Ein Piemont-Wein, der definitiv Raum und Zeit braucht. Vor der Freigabe muss ein Barolo drei Jahre reifen, davon 18 Monate im Eichenfass. Bevor sie ihre volle Aromatik ausspielen, profitieren sie von einer weiteren Flaschenreife.
Wenn Sie dafür zu ungeduldig sind oder einfach eine zugänglichere Nebbiolo-Version suchen, wenden Sie sich zwanzig Kilometer weiter nach Barbaresco. Die Weine dort weisen einen fruchtigen, etwas leichteren Charakter auf. Er muss nur zwei Jahre reifen, bevor er freigegeben wird, davon neun Monate in Eiche.
Der Erfolg dieser Piemont-Weine liegt auch im einzigartigen Terroir, das Nebbiolo in Barolo und Barbaresco findet. Charakteristisch sind in beiden Appellationen die Gebirgsausläufer. Die Weinberge liegen auf Höhen von 150 bis 600 Metern, in verschiedenen Ausrichtungen. Kalkhaltiger Mergel und Sandstein dominieren die Böden. Und Piemonts Winzer blicken auf eine lange Erfahrung der Rebsorte zurück. Sie beginnt mit dem Barolo, zunächst glamourös und dann revolutionär!
Von Königen und Kreissägen
Bereits 1730 wurde Barolo erstmals in einem Brief erwähnt. Dieser war jedoch ein restsüßer Wein aus Nebbiolo. Erst ungefähr 100 Jahre später wird aus dem süßen Getränk ein trockener Weinstil. Das entzückte das ansässige Königshaus Savoyen, denn endlich konnte man am Bankett der europäischen Höfe zeitgemäßen Wein einschenken. Der Wein der Könige war geboren!
Über ein Jahrhundert lang verkaufte sich dieser traditionelle Piemont-Wein hervorragend in Italien, bis er in den 1980er-Jahren ein veritables Image-Problem bekam. Er erfüllte nicht mehr den Geschmack der Zeit und war zudem in einen Methanolskandal verwickelt. Da schlug die Stunde der Barolo Boys, angeführt vom Winzer-Rebell Elio Altare. Der Legende nach stieg er mit einer Kreissäge in den väterlichen Keller hinab und zersägte die großen alten Holzfässer. Der moderne Stil, den die Barolo Boys einführten, war eleganter und früher trinkbereit. Die Preise explodierten und das verschlafene Piemont war in die internationale Weinszene katapultiert. Vielleicht ein Grund, warum sich Winzer vor Ort wieder verstärkt ihren eigenen Rebsorten zuwandten.
Spektakuläre Rebsorten-Fülle für Piemont-Wein
Wie in ganz Italien scheint im Piemont jedes Dorf seine eigene Rebsorte zu haben, die Anzahl an autochthonen Sorten ist unglaublich. Bei einigen muss man erst googeln, um zu erfahren, ob es sich um eine rote oder weiße Rebsorte handelt. Versuchen Sie es: Moscato Bianco (zugegeben, das war noch einfach), Cortese, Arneis, Favorita, Erbaluce, Tomorasso, Nascetta, Brachetto, Freisa, Grignolino, Uvalino, Ruchè, Spanna, Uva Rara. Wir lösen auf: die ersten sieben sind weiße Rebsorten, ab Brachetto folgen die roten. Fun Fact: Spanna ist der Piemonteser Name von Nebbiolo. Um es noch komplizierter zu machen, gibt es im Piemont Wein aus über 60 DOCs (Denominazione di Origine Controllata) und DOCGs, in denen geregelt ist, welche Sorten Winzer in welcher Menge verwenden dürfen.
Wie Sie sich da zurechtfinden? Wir stellen Ihnen eine Auswahl der wichtigsten vor. Zum oben genannten Rebsorten-Star Nebbiolo gesellen sich die roten Rebsorten Barbera und Dolcetto. Die berühmteste Weiße ist Moscato Bianco, aus der in Asti die erfrischenden Moscato-Schaumweine entstehen. Einen regelrechten Boom haben die weißen Sorten Cortese und Arneis erlebt. Zeit, Ihnen weitere exzellente Piemont-Weine vorzustellen!
Die fruchtbetonte Nummer zwei: Barbera
Die zweitwichtigste Rotweinsorte des Piemont nach Nebbiolo ist die Barbera-Traube. Sie wurde hier bereits im Mittelalter kultiviert und insbesondere in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts verstärkt gepflanzt. Lange wurden aus ihr massenhaft Alltagsweine erzeugt, die mit wenig Tanninen, aber umso mehr Weinsäure das Ansehen der Varietät ramponierten. Vollends hinüber war das Image, als sie in den 1980er-Jahren auch noch in einen ruchlosen Weinpansch-Skandal verwickelt war. Aber ist der Ruf erst ruiniert, lässt sich herrlich etwas Neues aufbauen.
Also gingen kurz darauf ehrgeizige Winzer daran, der Barbera und ihren Weinen eine Frischekur zu verpassen. Sie reduzierten die Erträge, unterzogen ihre Weine einer so genannten "malolaktischen Gärung", um die scharfe Weinsäure abzumildern und begannen, sie in Barriquefässern auszubauen. Und auf einmal waren sie da wieder, die fruchtbetonten, konzentrierten und harmonischen Weine, die Spaß machen. Die besten von ihnen entstehen in der piemontesischen Anbauzone Monferrato in der Nähe des kleinen Städtchens Asti. Sie werden meist sortenrein ausgebaut und begeistern mit intensiven Pflaumen- und Kirscharomen. Und wie ist es außerhalb des Piemont? Wein aus Barbera findet man noch in der Lombardei sowie in der weiter südöstlich gelegenen Region Emilia-Romagna.
Dolcetto: Der trockene "kleine Süße"
Dolcetto ist die drittwichtigste Rotweinrebe des Piemont. Sie ist ebenfalls eine autochthone Sorte aus der Region. Wörtlich übersetzt führt sie in die Irre: "Kleiner Süßer" lässt natürlich sofort an restsüße Weine denken. Dem ist nicht so, Dolcetto wird fast immer trocken ausgebaut. Ihr Geschmack ist durch eine milde und zugleich volle Frucht sowie leichte Mandel- und Bitternoten gekennzeichnet. Dolcetto gilt als ausgesprochen genügsame Rebsorte, deren Trauben sogar auf den Nordhängen der Piemonteser Weinberge vollständig ausreifen. Sie wird daher überall dort angebaut, wo sich die anspruchsvolle Nebbiolo-Rebe unwohl fühlt.
Darf Dolcetto dann doch einmal in besseren Lagen wachsen - wie in den DOCGs Dolcetto di Diano d’Alba und Dolcetto d’Ovada Superiore - zeigt sie ihr ganzes Potenzial. Sie ergibt dann elegante, dichte und vollmundige Weine mit intensiven Fruchtaromen, die auch länger im kleinen Eichenfass lagern können.
Prickelnder Piemont-Wein Asti
Seinen Spitzengewächsen zum Trotz verbindet das Piemont eine kleine Leidensgenossenschaft mit den Weinen des Chianti. Geben Sie es zu: Irgendwie denken Sie bei Chianti an Bastflaschen und bei Asti an Kopfschmerzen. Fatal, sind doch die Weine in beiden Regionen viel besser geworden. Die süßen Schaumweine Moscato d’Asti und Asti Spumante vor Ort haben nichts mit den Produkten gleichen Namens im Supermarkt Ihres Vertrauens gemeinsam. Beides ist Schaumwein par excellence. Auch wenn Moscato streng genommen nicht als Frizzante zählt, aber wir wollen nicht kleinlich sein, denn er ist großartig zart schäumend, fruchtig-floral und leicht.
Beide Piemont-Weine werden aus der weißen Rebsorte Moscato Bianco (Muscat Blanc à Petits Grains) vinifiziert. Besonders gut gedeiht sie in den Langhe-Bergen um die Stadtgemeinde Canelli, das Zentrum der Schaumweinindustrie. Perlende beziehungsweise schäumende Weine gab es hier schon im Mittelalter. Die Gärung erfolgt ab einem bestimmten Punkt in geschlossenem Tank, um die Kohlensäure zu erhalten. Ist der Wein süß genug, wird abgekühlt und so die Gärung und die Produktion von weiterem Alkohol gestoppt. Beim Moscato wird früher gestoppt, dadurch sind Alkoholgehalt und Kohlensäuredruck geringer als beim Spumante.
Wird Moscato erneut vergoren, erhält man Asti Spumante, der auch nichts mehr mit dem süßen Kopfschmerz der 1980er-Jahre zu tun hat. Heute ist Spumante feinperlig und seit 2017 gibt es ihn auch in den trockeneren Varianten secco, demi-sec und extra-secco. Nach Champagner und Cava ist Spumante auf Platz 3 der weltweiten Schaumweinproduktion. Moscato kommt hauptsächlich von kleineren Weingütern (ausschließlich erlaubt in den Provinzen Asti, Cuneo und Alessandria) und gilt als hochwertiger. Beide Schaumweine sind großartige Dessertweine und passen hervorragend zu einer zartschmelzenden Piemonteser Panacotta.
Italiens Chabli: Cortese di Gavi
Neben dem Moscato, der ja überwiegend für die Schaumweinproduktion verwendet wird, ist Cortese die wichtigste weiße Rebsorte des Piemont. Wein aus Cortese wird hier bereits seit mehreren Jahrhunderten vinifiziert. Es sind fruchtige, säurebetonten, mineralische Weißweine mit zarten Aromen von Äpfeln, Birnen und Zitrusfrüchten, die zum Teil sogar im Barrique ausgebaut werden können. Kein Wunder, dass manche ihn auch "Chablis Italiens" nennen. Berühmt ist er in der DOCG Cortese di Gavi. Kommt er aus Gavi selbst, heißt er Gavi di Gavi. Er passt hervorragend zu den Fischgerichten, die in den Restaurants der nahe gelegenen ligurischen Küste serviert werden.
Weiße Spezialität Arneis
Eine echte Spezialität des Piemont-Weins ist die weiße Rebsorte Arneis, die außerhalb ihrer Heimat kaum anzutreffen ist. Früher machte sie als Verschnittpartner rote Nebbiolo-Weine weicher. Als man dann im 20. Jahrhundert damit begann, fast nur noch reinsortige Nebbiolo-Weine zu vinifizieren, ging die Anbaufläche der Arneis-Rebe kontinuierlich zurück. Erst in den 1980er-Jahren erkannten junge Winzer ihr ganzes Potenzial und retteten die anspruchsvolle Sorte vor dem Aussterben.
Seitdem erlebt die Arneis-Traube eine Renaissance und bereichert die Auswahl an weißem Piemont-Wein. Die meisten Weine entstehen in der DOCG Roero, einer Appellation nordwestlich der Stadt Alba gelegen. Hier bringt Arneis frische, nach Blüten duftende Weine mit Pfirsich- und Aprikosenaromen hervor, ergänzt um einen feinen Mandelgeschmack und eine zarte Bitternote. Auch in Schaumweinen und edlen Süßweine glänzt sie.
Natürlich ist dies nur eine kleine, feine Auswahl. Diese und weitere großartige Weine aus dem Piemont entdecken Sie am Besten vor Ort. Und wenn Sie sich nicht solange gedulden möchten, erhalten Sie bei uns einen vinophilen Vorgeschmack. Chinchin.