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Chianti Classico: Legendäres aus der Toskana

Ist Chianti Classico denn nun eine Region oder ein Wein? Beides! Und zwar mit einer bewegten Geschichte. Schauen wir uns das mal genauer an. Auf ins Chianti Classico!

Es ist schon eine Krux mit der Region Chianti Classico. Gehört sie denn nun zur Chianti-Großzone in der mittelitalienischen Toskana oder nicht? Die Antwort ist eindeutig. Nein! Zwar war das Chianti Classico lange Zeit tatsächlich nur eine Subregion im Chianti-Gebiet, erhielt aber im Jahr 1996 den Status einer eigenen Appellation. Und das ist auch gut so. Denn schließlich ist die Region äußerst geschichtsträchtig. Hier nahm der Toskana-Qualitätsweinbau im Jahr 1716 seinen Anfang. Denn damals definierte Großherzog Cosimo III. (der übrigens zum Medici-Clan gehörte) die Grenzen des Gebiets, das wir heute als Chianti Classico kennen - was es zur ältesten Weinregion Europas macht.

An dem Gebiet, das sich zwischen Florenz und Siena über die Dörfer Radda, Gaiole und Castellina erstreckt, hat sich bis heute kaum etwas geändert. Lediglich die Ortschaft Greve kam irgendwann hinzu. Seitdem wird dort Chianti produziert. Nun ist Chianti aber keine Rebsorte, sondern eine Herkunftsbezeichnung - und damit ein eigener Weinstil. Allerdings hat unser heutiger Chianti mit dem damaligen nicht mehr viel zu tun. Denn bis 1872 bestand ein Chianti hauptsächlich aus der roten Rebsorte Canaiolo, der lediglich ein Spritzer vom roten Sangiovese hinzugefügt wurde.

Karte der Weinregion Chianti Classico samt Chianti in der Toskana
Hier ist das Chianti Classico geographisch zu finden. © Wine in Black

Ein "Rezept" für Chianti

Erst Baron Bettino Ricasoli, der zeitweise übrigens auch Premierminister von Italien war, änderte das, als er 1872 ein "Rezept" für Chianti kreierte, das Sangiovese mit 70 % als Hauptrebsorte vorsah. Hinzu kamen dann noch 20 % Canaiolo und 10 % Malvasia. Ja, genau. Eine weiße Rebsorte. Diese sollte den Wein nämlich noch trinkiger machen.

Der Erfolg des Chianti gab dem Baron Recht: Überall landete der Wein in den Gläsern von Genussmenschen. Der Absatz stieg - und immer mehr Winzer außerhalb des Chianti-Gebiets wollten auf den Erfolgszug aufspringen. Kurzerhand vinifizierten sie einfach ihren eigenen Chianti - und brachten ihn auch unter diesem Namen auf den Markt. Selbst die markanten strohumflochtenen Fiasco-Flaschen, die damals erstmals eingesetzt wurden, um den Wiedererkennungswert zu erhöhen, wurden nachgemacht. Dieses Vorgehen stieß den Winzern aus dem Original-Gebiet natürlich bitter auf. 1924 reichte es den ursprünglichen Chianti-Winzern dann. Sie schlossen sich zusammen und gründeten ein Konsortium, um mit rechtlichen Mitteln die Geschmacks-Plagiate zu bekämpfen.

Aus dem Chianti wird Chianti Classico

Es sollte bis 1932 dauern, bis die Regierung dem Konsortium endlich Gehör schenkte und die sogenannte Dalmasso-Kommission ins Chianti schickte, die sich um die geographischen Grenzen des Gebiets kümmern sollte. Sehr zur Enttäuschung der Chianti-Winzer wurden ihre wildernden Kollegen aber nicht ihrer Schranken verwiesen. Im Gegenteil! Das Chianti-Gebiet wurde kurzerhand einfach vergrößert!

Von der eigentlichen Kernzone hatte sich das Anbaugebiet nach Norden über die Florentiner Berge, nach Osten bis Arezzo, nach Süden weit über Siena hinaus und nach Westen bis nach Pisa an die thyrrhenische Küste ausgebreitet. Das ursprüngliche Chianti wurde kurzerhand als Chianti Classico betitelt und dem neuen Chianti als Unterregion einverleibt. Um der schieren Größe des neuen Chianti-Gebiets Herr zu werden, folgten weitere Unterregionen. Aber diese Geschichte erzählen wir an anderer Stelle.

Zwei Weingläser mit Rotwein vor schwarzem Hintergrund

Qualitätsverfall im Chianti Classico

Als ob diese Vergrößerung nicht schon schlimm genug gewesen wäre, wurden in den 1960er-Jahren auch noch die DOCG-Statuten (Denominazione di Origine Controllata e Garantita) eingeführt. Und die setzten auf Masse statt Klasse in Sachen Chianti-Produktion. Die Fiasco-Bastflaschen sollten die Welt erobern. Und das bedeutete: Ertragssteigerung. Leider zulasten der Qualität. Schnell verkam der Chianti zum billigen Massenwein, der meist weniger Beachtung fand als die strohumflochtene Flasche, aus der man wenigstens noch ein trendiges Tropfkerzen-Arrangement machen konnte.

Bastflaschen mit Chianti
Ebenso berühmt wie berüchtigt: Fiasco-Flaschen.

Der Qualitäts-Verfall war in vollem Gange, die ersten Winzer revoltierten zudem gegen die Regelung, dass ein Chianti nicht zu 100 % aus Sangiovese bestehen durfte. Und dann kamen auch noch die sogenannten Supertuscans auf den Markt, die dem Chianti endgültig den Rang abliefen und die neuen Superstars wurden. Die Region war dabei, ihre Wein-Identität zu verlieren. Mit der Reform der DOCG-Statuten im Jahr 1996 wurde dieser Abwärtsspirale aber endlich Einhalt geboten. Und zwar mit vielen unterschiedlichen Änderungen.

Sangiovese Superstar

Zunächst einmal behielt die ursprüngliche Chianti-Region zwar weiter den Namen Chianti Classico, durfte aber fortan als eigenständige Appellation in der Toskana firmieren. Und das bedeutete vor allem: die Winzer bekamen eigene DOCG-Statuten. Während im "anderen" Chianti-Gebiet der Sangiovese-Anteil bei 70 % lag, den ja schon gut 100 Jahre zuvor Baron Bettino Ricardi so definierte, musste ein Chianti Classico nun mindestens 80 % Sangiovese vorweisen. Die anderen 20 % wurden mit einer oder mehreren der 49 zugelassenen roten Rebsorten aufgefüllt. Auch ein Schuss Weißwein durfte nach wie vor hinein.

Außerdem erfolgten neue Gesetze zur Ertragsreduktion, um die Qualität wieder zu steigern. Die meisten Sangiovese-Rebflächen waren aber derart runtergewirtschaftet, dass sich da nichts mehr steigern ließ. In einer groß angelegten Aktion wurde ein Großteil der 7.200 Hektar umfassenden Rebfläche mit neuen Sangiovese-Klonen bestockt. Im Chianti Classico begann eine neue Qualitäts-Ära. Im Zuge dessen wurden dann auch endlich die mit Stroh umflochtenen Fiasco-Flaschen eingemottet und durch einen schwarzen Hahn, den "Gallo Nero" ersetzt, der seitdem auf Flaschenhals oder Banderole sitzt. Er garantiert, dass der Wein tatsächlich komplett aus dem Chianti Classico kommt. An ihm erkennt man noch heute auf den ersten Blick, ob es sich um einen echten Chianti Classico handelt.

Der berühmte Gallo Nero des Chianti Classico
Und das ist er, der berühmte schwarze Hahn.

Annata, Riserva und Gran Selezione - die drei Qualitätsstufen

Da es auch nach der DOCG-Änderung von 1996 nach wie vor verboten war, einen Chianti Classico reinsortig aus Sangiovese zu keltern, gingen die Winzer des Konsortiums Chianti Classico, das damals wie heute seinen Sitz im Stadtteil Tavarnelle Val di Pesa in Florenz hat, erneut auf die Barrikaden. Das Ergebnis war eine weitere DOCG-Änderung im Jahr 2006. Seitdem ist es verboten, Weißwein in einen Chianti Classico zu mischen. Eine weitere Neuerung: auch ein reinsortiger Ausbau mit 100 % Sangiovese ist erlaubt.

Außerdem wurden 2006 zwei unterschiedliche Qualitätsstufen eingeführt: Chianti Classico, auch Annata genannt, und Chianti Classico Riserva. Während der Chianti Classico 12 Monate reifen muss, bevor er verkauft werden darf, sind es beim Chianti Classico Riserva 24 Monate - mindestens drei davon auf der Flasche. Seit 2013 gibt es mit Chianti Classico Gran Selezione auch noch eine dritte Qualitätsstufe. Hier kommen die Trauben entweder von einem einzigen Weinberg oder sind die Selektion der besten Trauben eines Betriebs. Außerdem muss der Wein mindestens 30 Monate reifen - wie bei der Riserva drei davon auf der Flasche.

Was übrigens bei allen drei Qualitätsstufen im Chianti Classico nicht erlaubt ist, dafür aber in der Chianti-Großzone: das Governo-Verfahren. Bei diesem wird ein Teil der Trauben nicht sofort fermentiert, sondern zuvor angetrocknet (Appassimento lässt grüßen). Ist die erste Gärung der anderen Trauben abgeschlossen, wird der Most der rosinierten Trauben hinzugegeben, um eine zweite Fermentation auszulösen. Dadurch wird der Wein voller und alkoholreicher.

Rotwein wird aus einer Weinflasche in ein Weinglas eingegossen

Böden und Klima im Chianti Classico

Nun möchte man meinen, dass aufgrund dieser strengen Qualitätseinteilung selbige theoretisch auch deutlich schmeckbar ist. Also ein eher fruchtiger Annata, eine etwas vollmundigere Chianti Classico Riserva und eine Gran Selezione, die mit enormer Komplexität und Tiefe aufwarten kann. Dem ist praktisch aber nicht so. Denn die Übergänge zwischen den einzelnen Stufen sind oft fließend. Und das liegt meistens daran, dass die etwa 2.700 Winzer inzwischen meisterhaft mit ihrem Terroir umzugehen und die Unterschiede zum Chianti-Gebiet zu ihrem Vorteil zu nutzen wissen.

Denn obwohl die Böden mit ihrem harten Kalkmergel (Galestro) und dem verwitterten Sandstein (Alberese) sowie den Auflagen aus Kieselsteinen durchaus denen in der großen Chianti-Region ähneln, gibt es zwei entscheidende Vorteile. Zum einen liegt das Chianti Classico höher. Nämlich zwischen 250 und 700 Metern. Dadurch reifen die Trauben langsamer und können so eine intensivere Aromatik entwickeln. Zum anderen bestechen die Rebflächen im Chianti Classico mit einer Vielzahl an Mikroklimata. Was diese eint: sehr viel Sonne und der mediterrane Einfluss vom Thyrrenischen Meer. Auch das sorgt für einen besonders intensiven Geschmack.

Sangiovese-Trauben direkt nach der Lese
Sangiovese spielt als Rebsorte im Chianti Classico die Hauptrolle.

Hinzu kommt dann natürlich noch die Ausbauart. Hat der Chianti Classico Holz gesehen? Und wenn ja: Wurde er im großen Fass oder im Barrique ausgebaut? Ist er reinsortig oder kommt er als klassische Cuvée daher? All das ist für die große Geschmacksvielfalt eines Chianti Classico mitverantwortlich. Gesetzliche Regelungen gibt es hierfür nicht, was die Genussbandbreite fördert.

Von Rebsorten und Stilistiken

Trotzdem gibt es drei grundsätzliche Stilrichtungen, die sich bei Annata, Riserva oder Gran Selezione wie ein roter Faden durch das Geschmacksprofil ziehen. Am häufigsten findet man den traditionellen Chianti-Stil. Es ist ein eher hellroter Wein, der nicht nur sehr fruchtig, sondern auch sehr säure- und tanninbetont ist. Der zweite Stil wird vor allem durch die Zugabe von internationalen Rebsorten wie Merlot oder Cabernet Sauvignon und dem Ausbau im Holz geprägt. Hier findet man neben den typischen Kirsch-Aromen dann auch Noten von Lakritz, Tabak oder Vanille. Der dritte Stil indes singt ein Loblied auf die Rebsorte Sangiovese an sich: Weniger Gerbstoffe, dafür viele facettenreiche Geschmacks-Nuancen von Kirschen und Johannisbeeren. Doch ganz egal, welche Qualitätsstufe der Chianti Classico hat und welchem Stil er sich verschrieben hat, er bleibt stets lebendig und vielschichtig.

Die drei unterschiedlichen Stilrichtungen des Weins Chianti Classico lässt es bereits vermuten: Im Chianti Classico-Gebiet sind die roten Rebsorten Trumpf. Allen voran natürlich der Sangiovese, der aus kaum einen Wein mehr wegzudenken ist. Selbst die Supertuscans, die in dieser Appellation vinifiziert werden, haben ihn meistens mit drin. Neben Sangiovese werden auf der roten Seite aber auch noch Colorino und Canaiolo angebaut. Und eben die aus Frankreich bekannten Rebsorten Merlot, Cabernet Sauvignon und Syrah. Malvasia ist eine der wenigen weißen Reben, die man noch findet. Wobei die Weißweine hier tatsächlich keine große Rolle spielen.

Weinreben im Chianti Classico
Und auch hier: Alles Sangiovese!

Unter-Appellationen für Chianti Classico Gran Selezione

Nun mag man meinen, dass im Chianti Classico so weit alles geregelt wäre. Die großen Qualitätsrevolutionen sind vorbei, der Wein ist wieder an der Weltspitze angekommen. Doch die Ruhe täuscht. Denn seit einigen Jahren wird hinter den Kulissen an einem System gefeilt, damit die Herkunft noch deutlicher schmeckbar ist. Im Juni 2021 gab das Konsortium deswegen einige Änderungen für die Chianti Classico Gran Selezione bekannt. Zum einen wurde der Sangiovese-Anteil von 80 auf 90 Prozent angehoben - internationale Rebsorten sind jetzt komplett verboten.

Zum anderen definierte man aber auch elf Sub-Appellationen, zu denen unter anderem Radda, Greve oder Castellina gehören. Stammen die Trauben ausschließlich aus einem dieser Gebiete, darf man es als Winzer namentlich auf dem Etikett erwähnen. Diese Differenzierung soll es den Weingütern ermöglichen, das unterschiedliche Terroir besser in den Vordergrund zu stellen. Aber wie gesagt: diese Änderungen gelten für die Gran Selezione. Erst einmal. Denn das Konsortium stellte bereits in Aussicht, dass Annata und Riserva folgen könnten. Es bleibt also spannend im Chianti Classico.

Chianti Classico in Italien und dem Rest der Welt

Wussten Sie übrigens, dass nur 30 % der jährlich etwa 350 Millionen Chianti Classico-Flaschen in Italien selbst getrunken werden? Weitere 30 % werden direkt in die Vereinigten Staaten exportiert, wo sich der Chianti Classico einer wachsenden Beliebtheit erfreut. Damit haben die USA Deutschland als Chianti-Liebhaberland den Rang abgelaufen! Denn hierzulande kommen 10 % an - ebenso wie in Großbritannien, Kanada und der Schweiz.

Dass der Import von Chianti Classico in Deutschland derart stark zurückgegangen ist, liegt tatsächlich immer noch an der unterirdischen Qualität aus den 1960er-Jahren. Deutsche Weinliebhaber scheinen da entweder ein gutes Gedächtnis zu haben oder etwas nachtragend zu sein. Das ist bedauerlich, denn die Qualitäten wurden in Sachen Chianti Classico derart gesteigert, dass einige Weine inzwischen sogar schon den gehypten Supertuscans den Rang ablaufen - und dabei auch noch preislich auf dem Teppich bleiben. In diesem Sinne: Geben Sie diesem ganz besonderen Wein eine Chance. Sie werden es nicht bereuen!

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