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Beaujolais: Fruchtige Gewächse mit Struktur

Hier geschieht eine Qualitätsrevolution! Im ostfranzösischen Beaujolais heben Winzer ihre Gewächse auf ein neues Level: Spitzen-Rotweine aus der raren Sorte Gamay überzeugen mit beeindruckender Frucht, Textur und Eleganz zugleich. Ein Ortsbesuch.

Hand aufs Herz: Wenn Sie an Weine aus der Appellation Beaujolais denken, fallen Ihnen dann sofort ernstzunehmende Gewächse ein? Rotweine, die man auch gut noch einige Jahre im Keller lagern kann, weil sie in der Flasche ihre Aromen verfeinern? Oder denken Sie nicht doch zuerst an den jung zu trinkende roten Beaujolais Nouveau, der bereits wenige Wochen nach der Lese auf den Markt kommt? Wobei Sie mit beidem übrigens goldrichtig liegen. Dass allerdings die hochwertigen Varianten noch echte Geheimtipps sind, liegt am "Papst des Beaujolais".

Dieser Papst war Segen und Fluch zugleich für die Region. Die Rede ist natürlich von Georg Duboeuf - Winzer und globaler Marketingstratege in einem. Denn er hat das Beaujolais international bekannt gemacht. Mit eben jenen leichten Roten, auch Nouveau oder Primeur genannt. Lediglich eine Handvoll von Experten und Neugierigen außerhalb der Gegend weiß, dass es daneben auch noch phantastische, strukturierte Beaujolais-Crus gibt. Weil Duboeufs Branding so erfolgreich war, dass für viele Weintrinker die Formel immer noch heißt: Beaujolais? Das ist doch dieser Partywein Beaujolais Nouveau! Um dieses Paradox zu verstehen, müssen wir den 2020 verstorbenen Winzer Duboeuf kennenlernen.

Ein Schild auf dem der Beaujolais Nouveau angekündigt wird, dahinter ein Weinberg.
So wird der Beaujolais Nouveau häufig angekündigt.

Beaujolais Nouveau und Duboeuf

Duboeuf war es, der die leichten Nouveau-Weine zum Event gemacht hat. Anfang der 1950er-Jahre hatte er den ehrgeizigen Plan, das bis dato im Schatten des berühmten Nachbarn stehende Beaujolais bekannter zu machen. Ein verrückter Plan, hieß und heißt doch der berühmte Nachbar im Norden Burgund. Eine Weinregion, die mit edlen Weltklasse-Chardonnay (Stichwort Chablis) und eleganten Pinot Noir schon lange vor dem vergangenen Jahrhundert berühmt war.

Nun, man hatte die Rechnung ohne Duboeuf gemacht. Er lud die Pariser Prominenz in einen Sonderzug ein, der sie zum Verkaufsstart des Primeurs ins Beaujolais brachte, Party inklusive. Duboeuf steigerte sich und jettete später mit einer Concorde und Medienrummel nach New York, um den Primeur zu bewerben. Die kleine Region südlich von Burgund war international bekannt. 

Rotwein wird aus einer Weinflasche in ein Weinglas eingegossen

Ein Beaujolais Nouveau ist seit Duboeuf ein Ereignis. An jedem dritten Donnerstag im November startet der Verkauf, meist mit Mitternachtspartys. Frisch und saftig sind diese Jungspund-Weine, die man am besten gekühlt mit Freunden genießt. Der Duft von reifen Himbeeren und Kirschen und kaum Tannine sorgen für sehr viel Trinkfluss. Sage und schreibe die Hälfte aller produzierten Trauben in der Appellation Beaujolais wurden 1992 als solche Jungweine verkauft.

Nur, wie so oft: Mit dem internationalen Boom sank die Qualität. Der Wein wurde zum billigen Massenprodukt, dessen schlechteste Vertreter überzuckert waren und intensiv nach Eisbonbons und Banane schmeckten. Wenig verwunderlich, dass die Nachfrage sank. Um die Preise trotz Überproduktion stabil zu halten, wurden etwa im Jahr 2002 über 100.000 Hektoliter in Destillieranlagen für industrielle Zwecke "zwangsdestilliert". Die Winzer vor Ort erkannten die Zeichen der Zeit und setzten verstärkt auf Qualität. Erweitern wir also unser Blickfeld und schauen auf die ganze Region.

Die Weinregion Beaujolais

Das Beaujolais liegt in Frankreichs Osten, im äußersten Süden des Burgunds. Obwohl die Appellation weinrechtlich zum Burgund gehört, sind die Weine vollkommen anders. Denn die Bedingungen unterscheiden sich, hauptsächlich durch die Topographie, die Böden und die Rebsorte für Rotwein. Das Gebiet erstreckt sich über rund 55 Kilometer von Mâcon im Norden bis nach Lyon im Süden, das nur 30 Minuten mit dem Auto entfernt ist. Die Ausläufer der Bergkette Monts du Beaujolais sorgen für sanfte Hügel und Berge. An einigen Stellen gehen diese bis auf 1.000 Meter Höhe hinauf. Dazwischen liegen Wälder, ebene Flächen und Schlösser, verbunden durch kurvige kleine Straßen. Kein Wunder, dass der Süden im goldenen Abendlicht an die Toskana erinnert.

Über Weinbergen geht die Sonne auf.
Ein Hauch Toskana in Frankreich: Weinberge im goldenen Sonnenlicht.

Das Klima ist gemäßigt kontinental mit dem ausgleichenden Einfluss mediterraner Winde. Fast alle Hänge bieten mit ihrer östlich bis südöstlichen Ausrichtung ausreichend Sonne für den Weinbau. Zudem sind einige Lagen durch die Bergkette Massif Central westlich vom Beaujolais vor allzu scharfem Wind geschützt. Im Osten ist die Region flacher, dort fließt der Fluss Saône, der heiße Sommer und kalte Herbsttage ausgleicht.

Die Böden im Norden des Beaujolais basieren auf nährstoffarmen Granit und Schiefer mit etwas Kalkstein. Der nährstoffarme Granit im Norden ist ideal für die Hauptrebsorte des Beaujolais: die Gamay-Traube. Dieser Boden sorgt dafür, dass die schnell wachsende Rebe weniger, aber dafür aromatischere Trauben produziert. Hier ist die Heimat der Crus. Im Süden sind die Böden reichhaltiger und von Lehm geprägt. Hier entsteht der Beaujolais Nouveau. 

Gamay Rebsorte Wein-Magazin-Artikel
Montepulciano-Weingarten in den Abruzzen.

Parade-Rebsorte im Beaujolais

Die Sorte Gamay ist eine Besonderheit. Kaum eine andere Weinregion baut sie so exzessiv an wie das Beaujolais. Ganze 98 Prozent der Weinberge sind mit Gamay bestockt. Die restlichen zwei Prozent sind Chardonnay für Weißweine. Gamay treibt früh aus und reift früh und ist unkompliziert in ihren Ansprüchen an den Boden. Weil sie sich im Burgund schon früh wohlfühlte, man dort aber lieber Pinot Noir wollte, verbot man sie kurzerhand. So kommt es, dass Gamay quasi die Monopolsorte im Beaujolais ist.

Der volle Name der Traube liefert einen ersten Hinweis, warum sie so wenig Tannine hat: "Gamay Noir à Jus Blanc" heißt übersetzt "schwarze Gamay mit weißem Saft". Ein weiterer Grund dafür liegt in einer speziellen Form der Weinbereitung, mit der traditioneller Beaujolais gemacht wird: die Vergärung ganzer Trauben anstelle von gemahlenen.

Weinernte im Beaujolais: vier Lesekisten mit Gamay-Trauben
Fertig zum Transport in die Kellerei: Gamay-Trauben in Lesekisten.

Ganztraubenvergärung

Es wird jetzt etwas technisch. Die meisten Rotweine werden hergestellt, indem gemahlene Trauben vergoren werden. Anders ist es im Beaujolais. Hier arbeiten Winzer, vor allem für den Nouveau, mit ganzen Trauben. Für die sogenannte Ganztraubenvergärung gibt es verschiedene Methoden. Die bekanntesten sind die Kohlensäuremaischung und die Macération semi-carbonique ("Halbkohlensäuremaischung"). Beide funktionieren ähnlich. 

Für beide Varianten werden die ganzen gelesenen Trauben in den Gärbehälter gegeben. Im Gärbehälter wird eine sauerstofffreie Umgebung geschaffen. Der Mangel an Sauerstoff löst in den Trauben eine gewünschte Reaktion aus: in den Zellen der ungemahlenen Beeren entsteht eine kleine Menge an Alkohol. Das nennt sich intrazelluläre Gärung. Durch diese bilden sich die charakteristischen Aromen von Kirsche, Banane und etwas Zimt, die die Weine so unverwechselbar machen. Zusätzlich werden durch diese Gärung zwar Farbstoffe aus den Beeren herausgeholt, aber nur sehr wenig Tannin. Die Frucht steht somit eindeutig im Vordergrund! 

Heller Rotwein wird in zwei Gläser gegossen
Wenig Tannine und trotzdem nicht zu blass: Ein Hoch auf die besondere Gärungsmethode!

Bei der Kohlensäuremaischung wird in den Gärbehälter Kohlensäure eingeleitet, bis kein Sauerstoff mehr vorhanden ist. Mit dieser Variante können Winzer ihre Weine sehr schnell erzeugen. Und verwenden sie daher häufig für Beaujolais Nouveau. Bei der Macération semi-carbonique erfolgt nur in einem Teil der Trauben die erwähnte intrazelluläre Gärung. Winzer der Beaujolais-Crus nutzen häufiger letztere Methode. Kommen wir also zu den Appellationen, inklusive der Crus.

Appellationen im Beaujolais

Die Region ist überschaubar und besteht aus zwölf Appellationen auf knapp 23.000 Hektar. Es gibt die regionale Appellation Beaujolais, in der Rotwein, Weißwein und Rosé vinifiziert werden dürfen. Diese befindet sich im unteren Teil der Region, südlich von Villefranche-sur-Saône und ist Heimat der berühmt-berüchtigten Primeurs. Die Appellation wurde 1937 gegründet.

Nördlich von Villefranche befindet sich die nächsthöhere Qualitätsstufe Beaujolais-Villages. Deren Weine bringen mehr Körper und Frucht ins Glas als einfacher Beaujolais. Innerhalb dieser Appellation liegen auch die zehn Crus-Appellationen: Kleine Inseln mit herausragenden Weinen, die die Region wieder zu einer der interessanten Adressen der Grande Nation gemacht haben.

Die Karte von Beaujolais im Osten Frankreichs
Her liegen die 12 Beaujolais-Appellationen. © Wine in Black

Die volle Frucht

Brouilly, Régnié und Chiroubles erzeugen Beaujolais-Weine, bei denen eindeutig die Frucht im Vordergrund steht. Brouilly ist mengenmäßig der größte Cru. Régnié ist eine Gegend mit der längsten Tradition im Beaujolais: Hier fand man Spuren römischen Weinbaus. Die höchsten und steilsten Weinberge finden Sie in Chiroubles, die Hänge gehen auf bis zu 600 Meter Höhe hinauf. Selbst heiße Sommer sind also kein Problem für die Reben, da es nachts immer deutlich abkühlt. 

Struktur, Eleganz und Frucht

Die drei Crus Saint-Amour, Fleurie und Chénas stehen für harmonische Beaujolais-Weine. Sie bringen Struktur und Frucht elegant in Einklang. In Saint-Amour, wo Reben auf Granit- und Lehmböden wachsen, gibt es die Einzellage mit dem klingenden Namen "En Paradis". Die karmesinroten Weine aus Fleurie gelten mit als die besten im Beaujolais: sie sind samtig-fruchtig und dennoch von guter Struktur und können bis zu vier Jahre reifen. Chénas ist der kleinste Cru und seine Weine können etwas nach kleinen dunklen Beeren schmecken.

Struktur und langes Leben

Diese vier Crus sind angetreten, um dem Nouveau die Leviten zu lesen. Denn sie gehören zu den kräftigsten Beaujolais-Weinen und können einige Jahre gelagert werden. Sie profitieren immer von einer Flaschenreife. Sie heißen Côte de Brouilly, Morgon, Juliénas und Moulin-à-Vent. Die Spitzen-Gewächse aus dem Cru Morgon werden sogar im Alter den benachbarten roten Burgundern so ähnlich, dass es ein eigenes Wort dafür gibt: "morgonner". (Ein Wein, der "morgonniert", schmeckt also ein bisschen wie ein Pinot Noir aus dem Burgund.) Der Cru Moulin-à-Vent ist die konzentrierteste Variante eines Beaujolais und kann über zehn Jahre lagern!

Die Windmühle in der Appellation Moulin-à-Vent
Erkennt man schon von Weitem an der Windmühle: Cru-Appellation Moulin-à-Vent.

Das neue Beaujolais

Alle zehn Crus sind dabei, dem Beaujolais ein neues Gesicht zu verleihen. Denn lange Zeit gehörte die Bühne dem einfachen Beaujolais Nouveau. Die schlechtesten - weil am schnellsten produzierten - Vertreter seiner Art schafften es, das Image der Region zu ramponieren. Zum Glück sind diese Zeiten vorbei! 

Und heute gehören die wunderbaren Cru de Beaujolais nicht nur zu den besten Crus der Grande Nation, sondern auch noch zu den preiswertesten. Am schönsten erfahren Sie das Beaujolais natürlich vor Ort. Am einfachsten geht das mit der Weinroute, die im Süden von Lyon ausgehend bis nach Norden ins Burgund führt. Auf über 140 Kilometern passiert die Route 39 Gemeinden, mit vielen Weingütern, toskanisch anmutenden Landschaften und Oingt, einem der schönsten Dörfer Frankreichs. Wo könnte Beaujolaistrinken mehr Spaß machen?

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