Vermutlich war es für ihn Segen und Fluch zugleich. Als der Salzburger Komponist und Vizekapellmeister Leopold Mozart (1719 bis 1787) das Talent seines Sohnes erkannte, schraubte er seine eigenen künstlerischen Ambitionen drastisch zurück. Stattdessen förderte er das Wunderkind Wolfgang Amadeus Mozart, wo er nur konnte. Wenig Eltern standen und stehen wohl so im Schatten ihrer Nachkommen wie Leopold Mozart. Eine, die dieses Schicksal teilt, ist die Rebsorte Cabernet Franc.
Obwohl man ihre Weine schon im 16. Jahrhundert in Frankreich rühmte, steht sie heute im Schatten ihres Kindes: Cabernet Sauvignon. Denn das ist der unangefochtene Weltstar unter den Rebsorten. Während dieser 2016 weltweit etwas über 300.000 Hektar belegte, wuchs Cabernet Franc auf knapp 50.000 Hektar. Also gerade mal einem Sechstel. Dabei sind Weine aus Cabernet Franc nicht nur duftig, sondern auch Weltklasse. Stichwort Cheval Blanc, eine Ikone mit großem Anteil an Cabernet Franc. Denn die hat immerhin schon mehrmals die Schallmauer von 100 Parker-Punkten durchbrochen. Bringen wir also etwas Licht ins Dunkel und stellen Erstaunliches fest. Denn an manchen Orten leuchtet Cabernet Franc gleißend hell. Dort überstrahlt sie sogar Cabernet Sauvignon.
Cabernet Franc im Bordeaux
Dafür springen wir in Frankreichs Weinherz. Im Bordeaux wimmelt es von weltberühmten Châteaux, die exzellente Gewächse machen. Genau hier residiert Cheval Blanc, dessen Weine zu den gesuchtesten (und teuersten) der Welt gehören. Legendär sind sie für ihre Harmonie aus Kraft und Finesse - schon oft hat man sie als Eisenfaust im Samthandschuh gepriesen. Für den einflussreichen us-amerikanischen Weinkritiker Robert Parker gilt der 1947er Cheval Blanc sogar als "wahrscheinlich größter Wein des Jahrhunderts". Solch einen Ritterschlag erhalten nun wirklich nicht viele Gewächse.
Was ist das Geheimnis hinter diesem Genusserlebnis? Eines davon ist auf jeden Fall ein großer Teil an Cabernet Franc, die Himbeer- und Cassis-Frucht, Würze und Struktur in den Wein bringt. Bis zu 60 Prozent assembliert der Kellermeister hier gemeinsam mit Merlot, die Samtigkeit beisteuert. Cabernet Sauvignon hingegen findet man bei Cheval Blanc nur im einstelligen Prozentbereich. In manchen Jahren aber auch gar nicht. Ähnlich ist es zehn Kilometer weiter südöstlich. Denn auf einem anderen Spitzen-Château in der kleinen Appellation Saint-Émilion setzt man ebenfalls auf das Duo aus Cabernet Franc und Merlot. Etwa je zur Hälfte gelangen die beiden in den Top-Wein von Château Ausone. Cabernet Sauvignon wird hier sogar komplett außen vor gelassen.
So schmeckt Cabernet Franc
In den benachbarten Weingärten findet sich dann schon etwas weniger Cabernet Franc. Sowohl in Saint-Émilion selbst als auch in den angrenzenden Appellationen Pomerol und Fronsac ist der Anteil mit etwa einem Drittel geringer. Der Rest ist hauptsächlich mit Merlot bestockt, die auch hier mit Cabernet Franc genussvolle Verbindungen eingeht. Beide gedeihen eben auf den kühlen Böden rechts des Flusses Gironde hervorragend. Sprich ton-, lehm- und kalksteinhaltiger Untergrund. Einen Nachteil haben diese fruchtbaren Bodentypen allerdings für Cabernet Franc. Sie lassen die wuchsfreudigen Reben schon mal ins Kraut schießen und Beeren mit einer flachen Aromatik ausbilden. Für hochwertige Qualitäten begrenzen Winzer daher den Ertrag.
Natürlich schätzt man aber auch ihren Charakter! Die dunklen Beeren sind etwas heller als die von Cabernet Sauvignon. Dadurch sehen ihre Weine entsprechend zarter aus, am Gaumen treten sie leichter und weicher auf als die stark tanninherben Weine von Cabernet Sauvignon. Genau, das erinnert ein wenig an Merlot. Allerdings bringt Cabernet Franc eine ordentliche Portion Schwung in die auch mal mollig wirkenden Merlot-Weine. In der Aromatik ist die Verwandtschaft zu Cabernet Sauvignon dann offensichtlich: beide weisen Nuancen von Cassis, Brombeere und Paprika auf, wobei Cabernet Franc eben noch Himbeer- und Erdbeernoten mitbringt. Cabernet Franc hat also ein paar Dinge gemein mit Merlot und Cabernet Sauvignon. Es wundert daher nicht, dass genau diese drei die Hauptrebsorten in den Bordeaux-Cuvées sind. Während man sie am rechten Ufer durchschnittlich ein Drittel der Cuvée einnimmt und eine gefragte Nebendarstellerin ist, ist ihr Repertoire auf der anderen Seite der Gironde begrenzt.
Eine Diva fordert heraus
Am linken Ufer belegt Cabernet Franc nur durchschnittlich 15 Prozent der Rebfläche. Denn hier hat ihr Kind seine älteste und treueste Fangemeinde. Es ist das Reich von Cabernet Sauvignon. Der Grund: im Médoc dominiert Kiesboden, der schnell trocknet und sich rasch erwärmt. Ideal für Cabernet Sauvignon, die mit den kühlen Böden auf dem rechten Ufer nicht zurechtkommt. Traurig, aber wahr: Cabernet Franc hingegen ist hier vor allem eine Absicherung gegen schlechtes Wetter. Denn sie blüht und reift etwa eine Woche vor Cabernet Sauvignon. Zeigt sich der Herbst mal von seiner regnerischen Seite - was im Bordeaux keine Seltenheit ist - und lässt Beeren aufplatzen, greifen Winzer gern auf Cabernet Franc zurück.
Warum aber wird sie geringer geschätzt? Schließlich kommt Cabernet Franc so gut wie mit allen Böden zurecht. Nun, sie ist dann doch etwas divenhaft. Sie ist anfällig für Grauschimmelfäule, Echten und Falschen Mehltau. Zudem verliert sie bei Wind im Frühjahr schnell ihre Blüten. Und im Médoc ist es oft windig. Manche Winzer finden außerdem, dass die Weine von jungen Reben wässrig schmecken. Erst ab 15 Jahren erzeugen die Rebstöcke verlässlich aromatische Trauben. Es dauert also eine Weile, bis man exzellente Gewächse vinifizieren kann. Als wäre das nicht schon genug, ist das Lesezeitfenster sehr gering: Reife Beeren sollten innerhalb von wenigen Tagen geerntet werden. Man braucht also Geduld und ein gutes Händchen. So scheuen einige vor dem großen Aufwand zurück. Eigentlich schade, dachten sich die Winzer weiter nordöstlich und begannen, an einem Solo zu schreiben.
Loire: Solo für Cabernet Franc
Ins malerische französische Loire-Tal gelangte die Rebsorte im 17. Jahrhundert. Hier hatte kurz zuvor der königliche Hof nicht nur imposante Schlösser errichten lassen. Sondern auch die Weinproduktion mächtig angekurbelt. In dem Zuge hatten auch die Klöster erkannt, dass sich die Böden um die Städtchen Tours, Chinon und Bourgueil hervorragend für den Rebanbau eigneten. Daher wandte sich Abbé Breton 1631 an den Kardinal de Richelieu. Der weilte immerhin im Bordeaux und schickte tausende Rebstöcke bester Sorten gen Loire-Tal. Darunter befand sich auch Cabernet Franc.
Wie sich herausstellte, fühlte die sich auf den kühlen Böden an der Loire pudelwohl. Es zeigte sich sogar, dass sie sensibel auf ihr Terroir reagiert: auf Kiesböden in Bourgueil und Saint-Nicolas-de-Bourgueil geraten die Weine besonders duftig. Enthält der Untergrund Kreide, reifen die Trauben langsamer und die Gewächse fallen dichter und komplexer aus. Die sandigen Kiesböden in Chinon hingegen erzeugen sehr saftige, lebhafte Rotweine. Der Clou: In allen drei Appellationen spielt Cabernet Franc die Hauptrolle. Sehr oft zeigen sich Loire-Cabernet-Francs seidig, mit einem Hauch von Graphit. Wenn überhaupt, darf Cabernet Sauvignon hier lediglich zu zehn Prozent hinein. Die Mutter steht hier unangefochten im Rampenlicht.
Die Winzer in den drei Bereichen erzeugen aber nicht nur spannende Rotweine. Sie lassen eine weitere Seite von Cabernet Franc strahlen: Rosé! Auch hier ist sie meist als One-Woman-Show zu erleben. Erlaubt sind maximal zehn Prozent Cabernet Sauvignon. So erhalten die zarten Beerenaromen von Cabernet Franc die volle Aufmerksamkeit. Eine Besonderheit ist Cabernet d’Anjou - ein lachsfarbener, halbtrockener Rosé mit Noten von roter Johannisbeere. Beide Cabernet-Sorten spielen hier im Duett, ihr Anteil ist nicht festgelegt. Eine weitere Spielart zeigt die Wandelbarkeit von Cabernet Franc. In den berühmten Crémants de Loire nimmt sie mit der weißen Chenin Blanc die Hauptrolle ein. Sie sehen: diese Sorte ist extrem facettenreich!
Cabernet Franc weltweit
Bis jetzt haben wir uns nur mit den Weinen von der Loire und aus dem Bordeaux beschäftigt. Aus gutem Grund. Denn hier schöpft Cabernet Franc ihr stilistisches Repertoire voll aus. Außerdem belegt Frankreich Platz eins in der Statistik: 32.000 Hektar der internationalen Rebflächen liegen hier. Auch im Südwesten und Süden Frankreichs findet man die Rebsorte, etwa in Bergerac, Madiran und im Languedoc. Dort verhilft sie mediterranen Cuvées zu Lebendigkeit. Ähnlich verhält es sich überall dort, wo sich Winzer vom Bordeaux inspirieren lassen. Zum Beispiel in Italien: Im Bolgheri sorgen Supertuscans für französisches Wein-Flair mit toskanischer Prägung. In den berühmten Blends zu finden: Cabernet Franc! Auch im Nordosten des Landes gedeiht die Varietät, in Venetien und im Friaul. Seit die Winzer die Erträge begrenzen, werden die Weine immer besser und zeigen keine grünen Aromen mehr. Insgesamt sind in Italien knapp 6.000 Hektar mit der Sorte bestockt.
Eine Besonderheit stellt Ungarn dar. Dort finden sich 1.200 Hektar an Cabernet Franc, die in den eleganten Rotwein-Blends oft den Ton angibt. Außerhalb von Europa belegt die Sorte in den Vereinigten Staaten knapp 2.200 Hektar. Hier ist sie ebenfalls ein Frische-Kick für Cuvées, die in den USA Meritage heißen. Im eher kühlen Washington State experimentieren Winzer mit reinsortigen Gewächsen aus der Varietät. In Chiles stark französisch geprägtem Weinbau lag es auf der Hand, die Rebsorte anzupflanzen. Auf 1.600 Hektar gedeihen die Rebstöcke, ihre Trauben bringen Spannung und Würze in die Rotwein-Cuvées. Reinsortig ausgebaut müssen sie die Weine in Chile jedoch mit der Lupe suchen. Dafür empfehlen wir ganz klar die Loire. Und warum nicht mit einem chilenischen Bordeaux-Blend im Vergleich? Oder mit einem Original aus dem Bordeaux? Denn Cabernet Franc ist sowohl solo als auch in ausbalancierten Cuvées ein großer Genuss.
16 Antworten auf „Cabernet Franc: Rebsorte mit Duft, Finesse und Würze“
[…] Sauvignon den größten Teil aus. Nämlich ungefähr 75 Prozent! Die anderen drei sind Merlot, Cabernet Franc und Petit Verdot. Die Langlebigkeit kommt hier aber eindeutig von Cabernet Sauvignon, denn die […]
[…] kann. Inzwischen hat sich der Trend zu den Bordeaux-Sorten gewandelt, sprich Cabernet Sauvignon und Cabernet Franc. Um die alte Tradition da wieder mehr reinzubringen, haben wir den Cinsault, der gibt den Weinen […]
[…] sehen wir sie bei Cheval Blanc in einer Cuvée mit einer anderen roten Rebsorte. Hier gehen Cabernet Franc und Merlot eine genussvolle Liaison ein. Noch häufiger als mit dieser verschneidet man Merlot aber […]
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[…] unter dem Label nicht nur ein reinsortiger Malbec, sondern auch eine Cuvée aus Malbec, Syrah und Cabernet Franc sowie eine aus Malbec und Petit Verdot vinifiziert. Zeitgleich entstand damals die 'Crios'-Linie: […]
[…] System in Saint-Émilion klassifiziert die Erzeuger trockener Rotweine, die von Merlot und Cabernet Franc dominiert sind. Die sechste und letzte Klassifizierung wurde 2012 veröffentlicht und fand zum […]
[…] So weit oben ist es doch viel zu kalt! Da kann kein Wein gedeihen! Und erst recht nicht Malbec oder Cabernet Franc! Die Klimazone da oben ist schließlich mit dem Burgund vergleichbar, wo es für diese Rebsorten […]
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