Seit 2018 leitet Christiane von Arnim das Weingut Warwick Estate im südafrikanischen Stellenbosch. Neben ihrem Wirtschafts- und Management-Studium blickt die Geschäftsführerin auf über fünfzehn Jahre Erfahrung in der Weinindustrie zurück. Bereits mit ihrer vorherigen Position fiel sie in der Branche auf, leitete sie doch mit Boekenhoutskloof eines der berühmtesten und ältesten Weingüter am Kap.
Bei Warwick trat die Deutsche Christiane von Arnim in große Fußstapfen. Denn das Weingut wurde 1964 von Norma Ratcliffe gegründet, die als erste Frau im südafrikanischen Weinbau für Furore sorgte. Bis heute gehören die Gewächse von Warwick zu den besten Südafrikas. Im Interview erzählt uns Christiane von Arnim, wie es ist, ein Haus mit einer so bedeutenden Geschichte zu übernehmen, warum sie froh ist, keine Schrauben zu verkaufen und welche Ziele sie für die Zukunft hat.
Christiane von Arnim, Sie sind im Rheintal aufgewachsen und haben in Südafrika studiert. Wieso ausgerechnet Südafrika?
Christiane von Arnim: Das war zum größten Teil die Idee meiner Eltern. Sie waren schon immer Südafrika-Liebhaber, mochten den Wein und wollten dort gern ein paar Jahre verbringen. Also sind wir während meiner Schulzeit nach Stellenbosch umgezogen. Ich habe dann an der deutschen Schule in Kapstadt das Abitur gemacht und dort studiert. Während meiner Zeit in Stellenbosch und Kapstadt habe ich mich viel mit Wein beschäftigt, habe etwa an Wochenenden bei Verkostungen gearbeitet.
Was fasziniert Sie an Wein?
Christiane von Arnim: Wein ist einfach ein super interessantes Produkt, das lebt, das eine Geschichte hat! Keine Flasche, kein Jahrgang ähneln sich. Außerdem sind die Menschen, die hier auf den Weingütern arbeiten, eine extrem tolle Community - obwohl wir natürlich Wettbewerber sind, sind wir untereinander befreundet. Während meines Studiums hat einer meiner Professoren gesagt: "Diejenigen von euch, die das Glück haben, später ein tolles Produkt zu vermarkten - ihr seid die 'lucky few'! Die meisten von euch werden Schrauben verkaufen."
Also Wein statt Schrauben! Gibt es eine Geschichte, die für Sie exemplarisch für diesen besonderen Bereich steht?
Christiane von Arnim: Bei Warwick haben wir einen Weinberg, der 1978 bepflanzt wurde. Der bringt nur noch ganz wenig Ertrag: nur zwei Tonnen pro Hektar. Wirtschaftlich gesehen macht das da wenig Sinn, die Reben im Boden zu lassen. Aber die Winemakerin Estelle Lourens ist auf der Farm aufgewachsen und hat sich quasi an die Reben gefesselt, damit sie nicht herausgerissen werden. Sie hat uns davon überzeugt, daraus Wein zu machen. Seit 2019 produzieren wir von diesen Chenin-Blanc-Weinberg Wein. Estelle ist die glücklichste Frau der Welt! Diese Verbundenheit finde ich einfach genial. Das gibt dem Wein Persönlichkeit. Die kann man an den Endverbraucher gar nicht kommunizieren.
Wie würden Sie diesen Chenin Blanc beschreiben?
Christiane von Arnim: Der hat Gravitas! Man merkt, dass er von alten Reben kommt. Da ist mehr dran, als an einem, der von jungen Reben stammt. Man merkt, dass er froh ist, noch da zu sein.
Kommen wir wieder zu Ihnen. War Ihnen schon immer klar, dass Sie ein Weingut leiten möchten?
Christiane von Arnim: Nein. Aber: Für meine Abizeitschrift sollte jeder für einen Mitschüler ein Horoskop verfassen. In meinem stand, dass ich auf einem Weingut leben und lateinische Liebesgedichte zitieren werde. Das mit den Gedichten stimmt nicht ganz, kommt aber daher, dass ich in Deutschland auf einem humanistischen Gymnasium war. Das mit dem Weingut stimmte.
Mein erster Job nach dem Studium war im Weinbereich, im Verkauf. Da habe ich mich schnell in eine General-Manager-Position hochgearbeitet und habe früh viel Verantwortung für ein ganzes Unternehmen bekommen. Danach habe ich einen MBA (Master of Business Administration) gemacht und bin anschließend in das Familienunternehmen meines Mannes eingestiegen. Von seinem Vater habe ich die Geschäftsführung übernommen und da habe ich gemerkt: das ist ein größeres Unternehmen, das macht richtig Spaß!
Dann kam die Möglichkeit, bei Warwick anzufangen. Das gehört zwei Amerikanern und ich mag den amerikanischen Führungsstil, dieses "hands-off". Ich kann mich völlig ausleben, muss um keine Erlaubnis bitten, es sei denn, es sind wirklich richtig große Projekte.
Aber mal ein Etikett ändern, einen neuen Wein ins Sortiment bringen, einen neuen Markt eröffnen - da muss ich niemanden fragen! Es kommt allein auf die Ergebnisse an. Außerdem habe ich ein tolles Team. Das macht mir Spaß.
Christiane von Arnim, was sind Ihre nächsten Ideen?
Christiane von Arnim: Erstmal langsam angehen ... Von den 700 Hektar sind momentan 120 unter Reben. Über die letzten drei, vier Jahre haben wir ungefähr 50 Hektar neu bepflanzt, die in den nächsten Jahren Trauben liefern werden. Außerdem haben wir das Sortiment im mittleren Bereich erweitert und mit der Linie 'Professor Black' und dem Cape Blend 'Three Cape Ladies' neue Marken kreiert. Da kann man Wachstum erreichen, ohne die Qualität einzuschränken. Für weitere Weine werden wir über die nächsten Jahre die Trauben von den neuen Reben nutzen.
Haben Sie neue Rebsorten hinzugenommen?
Christiane von Arnim: Wir haben Cinsault neu angepflanzt, das ist in Stellenbosch eine ganz traditionelle Rebsorte. Sie wurde in den 1950er- und 1960er-Jahren sehr viel angebaut und in Weinklassikern wie 'Chateau Libertas' verwendet. Es ist eine schöne fruchtige Sorte, die tolle Weine macht, die man gut lagern kann. Inzwischen hat sich der Trend zu den Bordeaux-Sorten gewandelt, sprich Cabernet Sauvignon und Cabernet Franc. Um die alte Tradition da wieder mehr reinzubringen, haben wir den Cinsault, der gibt den Weinen wie 'Professor Black Pitch Black' ein anderes Flair. Er ist nicht ganz so streng und bringt Frische dazu.
Christiane von Arnim, haben Sie einen Lieblingswein von Warwick?
Christiane von Arnim: Ich habe mehrere! Bei den Roten ist 'Professor Black Pitch Black' mein absoluter Favorit. Bei den Weißen finde ich 'Professor Black Sauvignon Blanc' ziemlich gut und 'White Lady Chardonnay'.
Die Gründerin von Warwick, Norma Ratcliffe gilt als innovative "First Lady vom Kap". Ist das für Sie Ansporn oder Einschüchterung?
Christiane von Arnim: Das Lustige ist, dass ich Norma schon lange kenne! Sie war eine der Ersten, die anrief, um mir zu meinem neuen Job zu gratulieren. Das hat mich sehr gefreut und beruhigt. Denn so ein Erbe geht man nicht ohne Vorbehalte an. Anfangs hat mich das vielleicht eingeschüchtert, bis sie gesagt hat: "Ich kenne dich schon so lange, du bist die Top-Frau, du kannst das machen!" Mit Norma verbindet mich, dass wir beide aus dem Ausland kamen und beide keinen traditionellen Weinhintergrund hatten. Norma kam aus Kanada und hat sich das Winzerhandwerk selbst beigebracht. Trotzdem haben wir beide die Fähigkeit, ein Business zu führen und eine Marke zu entwickeln. Zu sehen, dass man ohne den traditionellen Background so viel erreichen kann, das ist Ansporn!
Was waren denn Ihre Befürchtungen am Anfang?
Christiane von Arnim: Dass der Übergang von einem Familienunternehmen zu einem managergeführten Unternehmen mit 120 Mitarbeitern nicht ohne Schaden geschieht. Ein Familienunternehmen hat ja immer eine besondere Kultur, die in der Marke mitlebt. Etwa, wie Entscheidungen getroffen werden. Das bin ich sehr vorsichtig angegangen. Dadurch, dass ich vorher selbst in einem Familienunternehmen gearbeitet habe, hatte ich da Erfahrungen. Außerdem bin ich selbst nicht der Corporate-Typ, der mit rigorosem Management rangeht. Auch wenn ich Geschäftsführerin bin, sehe ich mich nicht als Big Boss. Die angestellten Manager können ihre Entscheidungen treffen, wir besprechen das und letztendlich bin ich bereit, für alles die Verantwortung zu übernehmen, wenn mal was nicht so läuft, wie es laufen soll. Ansonsten stehen bei uns die im Rampenlicht, die was geleistet haben.
Christiane von Arnim, wie würden Sie die Philosophie von Warwick beschreiben?
Christiane von Arnim: Für uns ist Qualität kein einzelnes Element. Da müssen alle Elemente zusammenkommen, jeder spielt seine Rolle: Egal, ob das der Finanzchef ist, der Kellner, die Putzfrau oder der Winemaker.
Was sehen Sie als Ihre größte Herausforderung, seitdem Sie bei Warwick angefangen haben?
Christiane von Arnim: Anfänglich war meine größte Herausforderung, ein neues Team zu bilden. Das habe ich geschafft, das hat ungefähr ein Jahr gedauert. Jetzt habe ich das perfekte Team! Wir haben JD Pretorius als Önologen und Estelle Louren, die Chenin-Blanc-Liebhaberin, als Winzerin. Unser Sales- und Marketing-Manager ist Tom Orpen, er kommt vom Weingut Vergelegen und einen neuen Finanzmanager haben wir auch. Das läuft wunderbar. Jetzt ist meine persönliche Mission, Warwick auf dem globalen Markt zu etablieren. Wir haben bisher 80 Prozent unserer Weine in Südafrika verkauft, 20 Prozent exportieren wir. Meine Vision sind fünfzig-fünfzig! Das ist natürlich in Zeiten von Corona besonders schwierig, aber das sitzen wir ja alle im gleichen Boot.
Christiane von Arnim, welche Länder stehen auf Ihrer Wunschliste ganz oben?
Christiane von Arnim: Natürlich möchte ich den deutschen Markt weiter erschließen. Außerdem interessiert mich der asiatische Markt, Indien finde ich spannend und einige afrikanische Länder. Afrika ist relativ unentdeckt. Im niedrigpreisigen Segment gibt es zwar einiges, aber im hochpreisigen ist noch viel Luft nach oben.
Welche Visionen haben Sie noch?
Christiane von Arnim: Ich möchte, dass Warwick in die Geschichte eingeht! Als Ikone der südafrikanischen Weingeschichte, über die auch die nächsten Generationen noch reden werden. Über unsere Weine und wie wir unser Erbe weitergeführt haben. Als eine der ersten Weinmarken aus Südafrika mit globalem Renommée!
© Titelbild: Warwick Estates
3 Antworten auf „Christiane von Arnim: "Ich möchte, dass Warwick in die Geschichte eingeht"“
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