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Touraine: Vielfältige Weinregion an der Loire

Will man sehen, was der Garten Frankreichs alles an Weinstilen zu bieten hat, führt kein Weg am Anbaugebiet Touraine vorbei. Im Loire-Tal gelegen, beeindruckt seine Auswahl an Weinen ebenso wie die Schlösser. Zeit, dass wir uns das genauer anschauen!

Noch immer prägen imposante Schlösser die malerische Flusslandschaft in der Touraine. Langsam treibt die Loire an ihnen vorbei, ganz als ob sie sich die unzähligen Balkone, Türmchen und Zinnen selbst anschauen wollte. Man möchte dem französischen Hof fast nachträglich dazu gratulieren, dass er im 15. und 16. Jahrhundert seine Hauptresidenz vom etwa 200 Kilometer entfernten Paris hierher verlegt hatte. Mit den Königen kamen Glamour und italienischer Stil nach Zentralfrankreich: König Franz I. lud 1517 den Künstler Leonardo da Vinci auf Château Amboise in die Touraine ein. Im Gegenzug revanchierte sich das Universalgenie mit spektakulären Renaissance-Festen, die er für den König entwarf und inszenierte. Da flogen Sänger via unsichtbarer Zugseile scheinbar über den Nachthimmel, dort stürzte ein mechanischer Löwe auf den Monarchen zu und entließ aus seinem Maul Lilien - Leonardos gigantische Show ließ das Publikum nicht mehr aus dem Staunen herauskommen und den Wein in Strömen fließen.

Aus dem Staunen kommt man auch heute nicht raus, wenn man sich für einen Wein aus der Touraine entscheiden möchte. Man gerät sogar ins Trudeln, weil man nahezu den Überblick verliert ob der überbordenden Fülle. Es gibt einfach unglaublich viel zu entdecken: fünfzehn Rebsorten und diverse Bodenarten erlauben es der Schatzkammer Touraine, so ziemlich alles anzubieten, was es an Stilen gibt: Trockene Weißweine konkurrieren um die Gunst der Genießer mit frischen Rosé, duftig-fruchtigen Roten und prickelnden Schaumweinen. Eine Vielfalt, die der Renaissance-Revue mit schwebenden Sängern auf jeden Fall würdig gewesen wäre. Für einen Überblick dröseln wir das hier mal auf und stellen Ihnen die wichtigsten Appellationen und ihre Weine entlang der Loire-Schlösser vor. Dazu müssen wir einen kleinen Abstecher zum Klima machen. Quasi als Grundlage. Es wird aber kurz, versprochen. 

Freunde im Grünen beim Sommerpicknick
Ideale Essensbegleiter: Weine aus der Touraine.

Von Klimata und Weinstilen

Die 1939 gegründete Appellation Touraine liegt in einer nördlichen Randzone für Weinbau. Grundsätzlich ist das Klima eher kühl, und so kann Frost im Frühjahr die spätere Ernte drastisch minimieren. Daher befinden sich die besten Lagen für den Weinbau an den Südhängen der Loire und ihrer Zuflüsse Cher, Indre und Vienne. Indem die Flüsse die Sonne reflektieren, wärmen sie die Reben. Das grundsätzlich kühle Klima ist ideal für Weinstile mit einem hohem Gehalt an Weinsäure. Weniger Sonne im Herbst lässt die Trauben weniger Zucker ausbilden und ergibt Weine mit weniger Alkohol. So entfallen in der Touraine dann auch 60 Prozent der jährlichen Gesamtproduktion auf trockene Weißwein und elf Prozent auf belebende Schaumweine. Dass aber auch Rotweine (22 Prozent) und Rosé (sieben Prozent) erzeugt werden, dafür sorgt dann der Atlantik.

Loire Flusslandschaft

Denn je weiter man der Loire von Osten aus flussabwärts folgt, desto mehr nähert man sich dem maritimen Einfluss des Atlantiks. Der mildert die Temperaturen: In der Stadt Chinon im Westen ist es im Durchschnitt 0,3 Grad Celsius wärmer. Klingt wenig, macht aber für die Reben einen Unterschied. Früh reifende rote Sorten wie Gamay und selbst die später reifende Cabernet Franc erhalten so auch im Herbst genügend Wärme. Und damit ist unser kleiner klimatischer Exkurs schon absolviert! Welche Rebsorten wo gedeihen und wie sich dabei die Appellationen unterscheiden, schauen wir uns jetzt genauer an. Auf geht’s!

Karte von Touraine an der Loire
Hier befindet sich die Weinregion Tourain an der Loire. © Wine in Black

Der Platzhirsch

Mit 5.000 Hektar unter Reben ist die Appellation Touraine eine der größten Appellationen im Loire-Tal. Im Westen schließt sie an die benachbarte Region Anjou-Saumur an und erstreckt sich von dort flussaufwärts über etwa 100 Kilometern bis in die französische Königsstadt Blois. Auch hier residierte in der Frührenaissance der Hof. Der für seine rauschenden Feste eben nicht nur Leonardo da Vinci holte, sondern auch den Weinbau vor Ort stärkte. So ließ König Franz I. 1519 in die Gärten der Loire-Schlösser 80.000 Rebstöcke pflanzen. Eigenproduktion statt Abhängigkeit lautete dabei die nachvollziehbare Devise des royalen Bonvivants. 

Bei heute fünfzehn erlaubten Rebsorten ist es nur folgerichtig, dass es in der Touraine kein einheitliches Geschmacksprofil gibt! Was die Weine jedoch eint: sie alle sind leicht, erfrischend und jung zu genießen - ideale Sommerweine! Dabei spielt die weiße, aromatische Sauvignon Blanc die Hauptrolle, deren beste Vertreter es sogar mit ihren Pendants ganz im Osten der Loire aufnehmen können: Sie sind knackig, frisch und mineralisch wie Sancerre und Pouilly-Fumé, dabei oft deutlich erschwinglicher. Das ist für Loire-Verhältnisse überraschend, gilt doch sonst Chenin Blanc als Leitrebsorte. In der Appellation Touraine hingegen ist letztere vor allem für die Schaumweine beliebt. In diese bringt sie Frische und Mineralität. Chardonnay ergänzt die Prickler, die nach der traditionellen Methode erzeugt werden und aromatisch an Apfel, Aprikose und Ananas erinnern.

Sauvignon-Blanc-Rebe in Nahaufnahme
Häufigste Rebsorte in der Touraine: Sauvignon Blanc.

Bei den Roten gibt die sanfte Gamay den Takt vor, fruchtig-würziger Cabernet Franc und kräftiger Malbec folgen, der hier Côt heißt. Die meisten Rotweine sind Blends. Von heller Farbe, leicht und fruchtig sind sie, wenn sie auf der Basis von Gamay gemacht werden. Entscheidet sich der Winzer für Côt oder Cabernet Franc als Basis, geraten die Weine dunkler und mit mehr Struktur und Körper. Im Vergleich mit Bordeaux-Roten sind sie jedoch immer noch auf der eleganten Seite. Für die Rosé-Weine sind insgesamt zehn Sorten erlaubt! Zu den Varianten für Rotwein kommen noch Pinot Noir, Pinot Meunier und lokale Sorten wie Grolleau und Pineau d'Aunis. Von zarter Farbe, duften sie nach roten Waldbeeren und Zitrusfrüchten. 

Weingläser mit Rosé auf einem festlich deckten Tisch

Böden in der Touraine und ihren regionalen Appellationen

Für diese ganze Vielfalt an Rebsorten und Weinstilen in der Touraine sorgen aber nicht nur die klimatischen Unterschiede. Sondern auch die Böden. Da gibt es Tonböden, die für Weine mit hoher Weinsäure sorgen, aber auch trockene und sich schnell erwärmende Sand- und Kiesböden, die ideal sind für die roten Sorten sowie Tuffeau-Kalk, der an den Hängen den Gewächsen mineralische Noten spendiert. Wie gesagt, eine Schatzkammer! Innerhalb der Touraine gibt es weitere fünf Sub-Appellationen, in denen einzelne Böden dominieren. Und die schauen wir uns jetzt von Osten kommend an. 

Eine Frau mit ihrem Fahrrad ruht sich am Ufer der Loire aus
An wenig Orten kann man Kunst, Kulinarik und Natur so entspannt verbinden wie an der Loire.

Touraine-Mesland und -Oisly

Beginnen wir ganz in der Nähe von Blois, wo Franz I. die Rebstöcke pflanzen ließ. Nur einen Katzensprung davon entfernt schließt sich flussabwärts Touraine-Mesland an. Mit 90 Hektar ist sie eine eher kleine Appellation, die sich entlang des rechten Ufers der Loire erstreckt. Und gleich mal mit einer Ausnahme aufwartet. Denn hier regiert der Rotwein. Ganze zwei Drittel der jährlichen Produktion sind rot! Auf den von Kies, Sand und Feuerstein geprägten Böden entstehen aromatische Rote aus Gamay, Cabernet Franc und Côt. Diese duften intensiv nach Kirsche und schmeicheln mit sanften Tanninen. Und wie es sich für Touraine gehört, ist auch ein Schloss nicht weit: Château de Chaumont thront wie eine Festung auf der anderen Seite der Loire und scheint die Rebstöcke und Winzer zu schützen. 

Bleiben wir auf der linken Seite der Loire und nähern uns dem kleinen Zufluss Cher: Hier erstreckt sich Richtung Süden ein Plateau, auf dem Reben wachsen. Willkommen in der 35 Hektar kleinen Appellation Touraine-Oisly. Diese ist eine Besonderheit innerhalb der Touraine. Zum einen gibt es hier kein Schloss. Zum anderen wird nur eine einzige Rebsorte angebaut! Es ist das Reich der weißen Sauvignon Blanc. Denn die nährstoffarmen sand- und kieshaltigen Böden begrenzen ihr Wachstum auf natürliche Weise und sorgen so für eine besonder intensive Aromatik in den Beeren. Zudem ist die südlichste der Touraine-Appellationen gleichzeitig die trockenste - auch das ist ideal für Sauvignon Blanc, die hier elegante, komplexe Weine mit Noten von Zitrus und tropischen Früchten ergibt. Sowohl Touraine-Oisly als auch -Mesland haben übrigens erst 2011 ihren AOC-Status erhalten und gehören damit zu den jüngsten Sub-Appellationen in der Touraine. Ein Zeichen dafür, wie dynamisch die Entwicklung der Region ist. 

Château Chaumont in der Touraine
Scheint die Reben in der jungen Sub-Appellation Touraine-Mesland zu schützen: Château Chaumont.

Feuerstein in Touraine-Chenonceaux und Amboise

Westlich von Oisly treffen wir entlang der Cher in der Appellation Chenonceaux wieder auf ein Schloss. Und was für eins! Château Chenonceau ist dank seiner einzigartigen Architektur nach Versailles das meistbesuchte Schloss Frankreichs - weltberühmt für seine einzigartige Wasserschloss-Architektur. Wer einmal vor Ort ist, wird sich auch in die Weine verlieben. Der Schwerpunkt liegt mit zwei Drittel bei den weißen Gewächsen aus Sauvignon Blanc. Sie duften aromatisch nach Zitrus und reifer Mango und sind etwas fülliger als die in Oisly. Dafür sorgt die Lagerung auf der Feinhefe, die für mindestens fünf Monate Pflicht ist. Eleganz und Komplexität kommen auch durch die sogenannten Perruches, steinige Böden auf Feuersteinbasis. Richtig, Feuerstein, das erinnert an die beiden Loire-Appellationen ganz im Osten: Sancerre und Pouilly-Fumé. Gibt es aber eben auch hier in Chenonceau. Und im benachbarten Amboise.

Ganz im Norden von Chenonceaux schließt die 180 Hektar große Appellation Touraine-Amboise an. Damit wechseln wir den Fluss und kommen von der Cher wieder zur Loire, zu einem Schloss, das wir schon kennen. Auf Château Amboise haben wir unsere Reise mit Franz I. begonnen. Die Südhänge der Loire sind hier von Kalk, Ton und Feuerstein geprägt. Insgesamt ist es etwas wärmer und die Böden sind schwerer, so dass der Fokus auf den roten Sorten liegt: Côt, Gamay und Cabernet Franc ergeben frische Rosé mit Noten von Kirsche und roter Johannisbeere. Eine Besonderheit sind die Roten auf der Basis von Côt. Denn die Weine scheinen untypisch für die Rebsorte, denkt man an Cahors oder Argentinien. Sie haben sanfte Tannine, sind geschmeidig und bereits jung zu trinken!

Château Amboise an der Loire
Schauplatz zahlreicher Renaissance-Spektakel: Château Amboise.

Touraine-Azay-le-Rideau 

Lassen wir uns weiter flussabwärts treiben, in die nur 40 Hektar kleine Appellation Touraine-Azay-le-Rideau. Sie hat eine große historische Bedeutung für die Weinregion. Denn sie beweist, dass in der Touraine schon lange vor Franz I. Wein gemacht wurde. Bereits seit dem 2. Jahrhundert! Aus dieser Zeit stammen die Überreste einer römischen Weinpresse, die man hier gefunden hat. So richtig in Fahrt kam der Weinbau aber erst durch die Loire-Könige. Heute gedeihen auf den kies- und kalkhaltigen Tonböden fünf verschiedene Rebsorten. Daraus entstehen zu gleichen Teilen Weiß- und Rosé-Weine. Bei Rosé-Weinen gibt Grolleau den Ton an. Mit ihrem hohen Gehalt an Weinsäure ergibt sie sehr erfrischende Varianten, die oft mit Gamay, Côt und Cabernet Franc verschnitten werden. Bei den Weißweinen spielt Chenin Blanc die Hauptrolle, mit lebendigen trockenen, halbtrockenen und süßen Weinen.

Sie sehen: von einer reinen Weißwein-Appellation, die sich auf eine einzige Sorte spezialisiert hat, bis hin zu einem Bereich, in dem es alle Farben gibt, ist in den Touraine-Appellationen alles dabei. Trotzdem bewegen sich ihre Weine hierzulande eher unter dem Radar. Als bekennende Fans fühlen wir da mit dem Schriftsteller Honoré de Balzac, der zwar kein Schlossherr, aber Bewunderer der Weine war. Und sich 1830 schier entrüstet gab über mögliche Ignoranten: "Schande über jeden, der sie nicht bewundert: meine strahlende, meine schöne, meine kühne Touraine, deren sieben Täler fließen mit Wasser und Wein!" Wir wollen hier natürlich niemanden beleidigen. Aber ans Weinherz legen möchten wir Ihnen die Gewächse von der Touraine dann doch. Denn es gibt viel frischen Genuss zu entdecken! 

Weine aus unserem Shop, die zu diesem Artikel passen:

5 Antworten auf „Touraine: Vielfältige Weinregion an der Loire“

[…] Kurzum: die Weinbauern im Beaujolais schenkten der verstoßenen Gamay nicht nur ein neues Zuhause, sondern bereiteten auch noch fruchtig-frische Weine aus ihr, die schnell sehr beliebt waren. Bereits im 17. Jahrhundert liebte man die Kreszenzen auch in Paris. Im 18. Jahrhundert wurde sie sogar mal wieder hier und dort im Burgund willkommen geheißen, bevor man sie auch in anderen französischen Regionen haben wollte. Bis heute findet sich ein beträchtlicher Bestand an der oberen Loire in der Appellation Touraine. […]