Wenn man sich der roten Rebsorte Blaufränkisch nähern will, kommt man um ein Land einfach nicht herum. Österreich. Und dort um das Burgenland, wenn man ganz genau sein will. Denn von den knapp 3.000 Hektar umfassenden Rebflächen in der Alpenrepublik befinden sich sage und schreibe 97 Prozent im Burgenland. Kein Wunder, dass die Weinregion den Spitznamen "Blaufränkischland" trägt! Vom Neusiedlersee übers Mittelburgenland bis hin in den Süden gen Eisenberg - Blaufränkisch fühlt sich in dem pannonischen Burgenland-Klima dort pudelwohl. Heiße Tage, die durch die feuchte Luft des Neusiedlersees oder den kühlenden Bergwinden abgemildert werden, sind ideal für die Rebsorte. Hinzu kommen dann natürlich noch die Böden, die gerne von Lehm (Mittelburgenland) oder Kalk und Schiefer (Leithagebirge) geprägt sind. Auf Lehm gedeiht ein eher tiefgründig-würziger Blaufränkisch, Kalk und Schiefer indes spendieren mineralisch-frische Komponenten.
Wobei Klima und Böden wahrlich nicht die einzigen Gründe sind, warum mit Blaufränkisch automatisch das Burgenland assoziiert wird. Das ist nämlich seit dem legendären Weinskandal 1985 quasi historisch gewachsen. Nachdem die Glykol-Pantscher (jepp, einige Winzer mischten damals tatsächlich Frostschutzmittel bei) von der Bildfläche verschwanden, erfanden sich die österreichischen Winzer mit ihren Weinen neu. Sie setzten verstärkt auf internationale Rebsorten wie Cabernet Sauvignon, Merlot oder auch Pinot Noir. Aber im Burgenland machten sich in den 1990er-Jahren einige Winzer wie etwa Hans Nittnaus daran, wieder verstärkt auf einheimische Rebsorten zu setzen. Und da war Blaufränkisch ganz vorne mit dabei. Zuerst als Cuvée-Partner für Cabernet oder Merlot, dann als reinsortig ausgebauter Wein.
So schmeckt Blaufränkisch
Nun reicht so ein Wille, eine Rebsorte qualitativ groß zu machen, nicht aus. Sie muss auch schon das Potenzial dazu haben. Und genau das ist bei Blaufränkisch der Fall. Die Beeren reifen spät, wodurch sie die volle Kraft des Sommers bis zu den letzten Sonnenstrahlen auskosten können. Dadurch entwickelt sich eine sehr intensive Aromatik. Diese ist in der Regel von einer satten Kirschfrucht und tiefgründigen roten Waldfrüchten geprägt. Das Besondere: trotz der Fruchtigkeit besitzt Blaufränkisch eine sehr ausgeprägte Weinsäure. Und weil die kleinen, runden Beeren, die in der kegelförmigen Traube locker beieinander liegen, eine recht dicke Schale haben, ist auch der Gerbstoffgehalt recht hoch. Die Verbindung von hoher Weinsäure und viel Tannin sorgt dafür, dass Weine aus Blaufränkisch sehr lange gelagert werden können.
Die Reifezeit ist tatsächlich erstaunlich und steht der von hochwertigen Pinot Noir in nichts nach. Nur mit dem Unterschied, dass Blaufränkisch-Weine, die auch noch im Holz ausgebaut wurden, gerade in jungen Jahren noch etwas ruppig sein können. Im Laufe der Zeit werden die Gerbstoffe aber immer runder und samtiger, sodass man nach einigen Jahren einen äußerst komplexen, tiefen und sehr, sehr harmonischen Wein hat. Auch hier ist dann wieder der Vergleich mit Pinot Noir angebracht. Zwar ist die Struktur eines gereiften Blaufränkisch wesentlich tiefer und intensiver, aber die ebenso erdigen wie auch feinen Laubnoten sind der Eleganz eines Spätburgunders dann recht ähnlich. Allerdings ist die Farbe dank der Gerbstoffe dann doch anders. Denn selbst nach zehn oder gar zwanzig Jahren ist das tiefdunkle Rubinrot noch immer sehr präsent.
Bitte kein Frost im Frühjahr!
Obwohl Blaufränkisch also per se alles mitbringt, um daraus Weine zu machen, die für eine kleine Ewigkeit gedacht sind, müssen Winzer trotzdem ein Händchen für die Rebsorte haben. Denn auch sie hat eine Achillesferse: Spätfrost. Blaufränkisch treibt nämlich sehr früh im Jahr aus. Frost im Frühjahr kann da zu immensen Verlusten führen. Umso wichtiger ist da der richtige Standort. Womit wir dann wieder in den sanften Hügeln des Burgenlands wären. Und dem warmen Klima dort. Das herrscht übrigens auch in der Nachbar-Region Carnuntum vor. Rund um den Spitzerberg gedeihen hier außergewöhnliche Blaufränkisch-Qualitäten.
Dass die Rebsorte mit Österreich derart verbunden ist, kommt übrigens nicht von ungefähr. Obwohl ihr Ursprung nicht einem Land, sondern einer Person zuzuordnen ist. Angeblich soll Karl der Große im 8. Jahrhundert daran beteiligt gewesen sein, dass es sie gibt. Denn damals befahl er, dass die "guten fränkischen Sorten von den schlechten heunischen Sorten zu trennen" sein sollten. Heunisch war damals ein Sammelbegriff für qualitativ minderwertiges Rebgut, während die fränkischen Sorten (Stichwort Pinot Noir) aufgrund ihres edlen Geschmacks sehr geschätzt wurden. Also machte man sich daran, hauptsächlich fränkische Sorten miteinander zu kreuzen. Aus dieser Selektion soll sich dann die blaue, fränkische Traube entwickelt haben. Wodurch jetzt auch geklärt ist, woher der Name stammt. Eine frühe Blaufränkisch-Form soll bereits im 10. Jahrhundert in Österreich aufgetaucht sein, amtlich dokumentiert wurde sie allerdings erst Mitte des 18. Jahrhunderts durch die Habsburger-Dynastie.
Von Blaufränkisch zu Kékfrankos
Auf den ersten Blick scheint das nicht besonders wichtig zu sein, auf den zweiten indes aber schon. Denn die Habsburger regierten über die Grenzen des heutigen Österreichs hinaus. Sie sorgten dafür, dass sich die Rebsorte in ihrem Reich verbreitete. Zum Beispiel in Ungarn. Hier findet man bis heute mit etwa 8.000 Hektar die größte Blaufränkisch-Rebfläche der Welt. Und zwar nicht nur rund um den ungarischen Teil des Neusiedlersees, sondern vor allem in der Region Sopron und am Balaton. Hier heißt die Rebsorte allerdings Kékfrankos. Einer Sage nach soll der Name im 18. Jahrhundert entstanden sein, als Napoleon mit seinen Truppen durch Ungarn zog. Er bezahlte seine Soldaten mit "roten" Francs, die etwas weniger wert waren als die "blauen" Francs - der offiziellen Währung Frankreichs. Nun mochten die Truppen den ungarischen Rotwein sehr und sprachen ihm auch rege zu. Die gewieften Winzer allerdings forderten für den Genuss deswegen konsequent blaue ("kék") Francs ("Frank") ein.
Es ist aber nicht nur der Name, der den ungarischen Kékfrankos von dem österreichischen Blaufränkisch unterscheidet. Obwohl gerade in der Region Sopron, die direkt ans Burgenland grenzt, die Böden und das Klima recht ähnlich sind, entstehen hier schlankere Blaufränkisch, die noch ein wenig mehr Weinsäure, dafür aber weniger Tannin haben. Zudem sind die Weine oft etwas fruchtiger.
Blaufränkisch in Österreich, Lemberger in Deutschland
Auch in Deutschland zeigt die Rebsorte ein anderes Geschmacksprofil. Hier ist sie vor allem als Lemberger bekannt. Benannt nach dem Ort Lemberg, der einst zu Österreich gehörte und ergo auch unter den Fittichen der Habsburger-Monarchie stand. In Deutschland sind knapp 2.000 Hektar mit Lemberger bestockt. Über 1.700 Hektar davon findet man in Württemberg, wo die Reben in Muschelkalk- und Keuperböden wurzeln und von dem kontinentalen Klima mit seinen heißen Sommern profitieren. Es gibt auch hier gewisse Parallelen zum Burgenland. Doch man kann trotzdem sofort erkennen, dass man einen Lemberger und keinen Blaufränkisch im Glas hat. Die Weine sind runder und samtiger. Auch schon in ihrer Jugend. Sie verbinden den schlanken ungarischen Körper mit der fruchtigen Tiefe aus Österreich.
Ähnlich verhält es sich, wenn man gen Kroatien, Slowakei, Slowenien oder Rumänien blickt. Auch hier wird Blaufränkisch angebaut, erreicht aber nicht die tiefgründige und komplexe Struktur des burgenländischen Stils. Und der hat die Rebsorte, die aufgrund der geographischen Ost-Ausrichtung gerne mal liebevoll "Pinot Noir des Ostens" genannt wird, in der Welt berühmt gemacht hat. So berühmt, dass Blaufränkisch inzwischen sogar in kleinen Mengen in Chile oder Peru angebaut wird. Selbst in Kanada lassen sich vier ambitionierte Hektar finden. Ungarn mag flächenmäßig mit Kékfrankos die Nase vorn haben. Aber dass es jetzt auch fernab der osteuropäischen Heimat diese Blaufränkisch-Experimente gibt, ist ausschließlich den langlebigen Qualitäten des Burgenlands zu verdanken. Falls Sie die Rebsorte im Glas genauer kennenlernen möchten, empfehlen wir daher, Ihre Genussreise genau hier zu beginnen. Im Burgenland.
8 Antworten auf „Blaufränkisch: Rebsorte für eine kleine Ewigkeit“
[…] diese ganz wunderbar mit den Fleischaromen harmonieren. Vom Malbec aus dem Valle de Uco über einen Blaufränkisch aus dem Burgenland bis hin zu einem kraftvollen Napa-Cabernet oder einem australischen Shiraz aus […]
[…] ist. Ein Pinot Noir mit seiner dünnen Schale sollte zum Beispiel länger mazeriert werden als ein Blaufränkisch, der sehr farbintensiv ist und eine dicke Schale […]
[…] auch ruhig kräftigere Gerbstoffe sein. Wie zum Beispiel in einem Barolo aus dem Piemont oder einem Blaufränkisch aus dem Burgenland oder […]
[…] Riesling, Weiß-, Spät- und Grauburgunder, Chardonnay sowie Lemberger (nur an der Badischen Bergstraße und im […]
[…] den Weinbau. Zweigelt. Und zwar derart, dass im gesamten Burgenland tatsächlich mehr Zweigelt als Blaufränkisch zu finden ist. Wobei es natürlich auch Blaufränkisch gibt. Ebenso wie St. Laurent. Damit sind die […]
[…] von Grünem Veltliner, sondern von einer der beiden roten Parade-Rebsorten Österreichs dominiert. Blaufränkisch. Was aber nichts daran ändert, dass auf den Kalk- und Schieferböden rund um das Leithagebirge […]
[…] ab. Da denken wir dann wieder automatisch in Richtung Cabernet Sauvignon oder Syrah. Aber auch ein Blaufränkisch aus dem Burgenland ist hier durchaus eine Überlegung wert. Dank der etwas höheren Weinsäure […]
[…] nicht zu verachten: ein Blaufränkisch aus dem österreichischen Burgenland. Oder das deutsche Pendant Lemberger. Vorzugsweise aus […]