Drei Namen, drei Regionen, eine Rebsorte. Primitivo galt sehr lange als einheimische Rebsorte Italiens. Bis Gentechniker diese Gewissheit zerstörten. Sie ist eine Variante der kroatischen Rotweinsorte Crljenak Kaštelanski (auch Tribidrag genannt), die auch noch mit der amerikanischen Zinfandel-Rebe identisch ist. Aber das ist eigentlich egal, denn im süditalienischen Apulien fühlt sie sich ausgesprochen wohl, und das seit über 200 Jahren.
Von dort schafften es ihre Weine um die Jahrtausendwende nach Norden, über die Alpen, in die Weinbars von Freiburg bis nach Flensburg. Ja, auch wir mussten schmunzeln, als wir den Namen Primitivo irgendwann das allererste Mal gehört haben. Aber: Der Name hat etwas mit der Reife zu tun. Als ein Priester Ende des 18. Jahrhunderts in Apulien einen verwilderten Weinberg aufräumte, bemerkte er eine Rebsorte, deren Trauben früher reiften als die der anderen Weinstöcke. Um sie zu unterscheiden, nannte er die Sorte primativo, nach dem Lateinischen primativus, oder "zuerst reifend". Denn zumindest im Vergleich mit den anderen italienischen Rebsorten im Klosterweinberg reifte die Sorte früher.
Heute wächst sie als Primitivo in den Regionen Mittel- und Süditaliens. Die meisten und besten Primitivo gedeihen in Apulien im Süden - kein Wunder, dass er dort der beliebteste Rotwein ist. Die Weine sind fruchtig-aromatisch, körperreich und mit eher weichen Tanninen ausgestattet. Sie werden nicht nur im Verschnitt, sondern häufig auch reinsortig ausgebaut. Ideal entwickelt sich die Rebsorte auf kargen, gut wasserdurchlässigen Böden.
Herkunft und Anbau
Die weltweiten Anbauflächen sind asymmetrisch verteilt: Der Löwenanteil der Rebflächen befindet sich in den USA. Dort pflanzt man die Sorte als Zinfandel. An zweiter Stelle steht die südostitalienische Region Apulien. Hingegen bauen andere europäische Weinländer die Rebe nur vereinzelt an. Selbst in ihrer Heimat Kroatien war die Crljenak-Traube in den 1990er-Jahren so gut wie ausgestorben. Erst als herauskam, dass es sich bei Primitivo, Zinfandel und Crljenak um dieselbe Varietät handelt, die noch dazu aus Kroatien stammt, leiteten Winzer hier eine Wende ein. Außerhalb Europas sieht es wieder anders aus: Hier wächst sie vor allem in Chile, Südafrika und Australien.
In Italien wird Primitivo am häufigsten in Apulien angebaut. Apulien ist ein ausgedehnter Landstrich im Südosten des italienischen "Stiefels". Er liegt dem Bereich der kroatischen Küste gegenüber, in dem die Crljenak-Traube wiederentdeckt wurde. Nach Italien gelangte sie vermutlich im 18. Jahrhundert, allerdings ist bis heute unbekannt, auf welchem Wege. Bekannt ist aber umso mehr ihre neuere Geschichte vom anonymen Cuvée-Partner hin zur Trendsorte, die auch außerhalb Italiens begehrt ist.
Bis in die 1980er-Jahre hinein wurde aus Primitivo vor allem einfacher Alltagswein erzeugt, der dabei auch relativ schwer bis manchmal plump auftrat. Das lag auch daran, dass die früheren Vorgaben für Primitivo einen kopfschmerzerleichternden Mindestalkoholgehalt von 14 Volumenprozent vorschrieben. Lange wurde Primitivo daher gern als hochprozentiger Verschnittpartner für norditalienische Amarone-Weine eingesetzt, die leicht auf über 15 Volumenprozent kommen. Oder sie wurde ganz allgemein als Fassware nach Norditalien verkauft, um den dortigen Weinen zu mehr Farbe, Alkohol und Struktur zu verhelfen.
Italiens Primitivo heute
Das Image der Rebsorte als günstiger Charakterboost drehte sich Ende des 20. Jahrhundert. Von nun an begannen Apuliens Winzer, selbst auf Qualität zu setzen. Sie modernisierten Keller, begrenzten Erträge und machten fulminant bessere Weine: frisch, ausdrucksvoll und eigenständig. Auf einmal war Primitivo auch in Bars nördlich von Apulien als hochwertiges Getränk begehrt. Sogar unter eigenem Namen!
Primitivo und Apulien
Fällt der Blick am Tresen dann auf die Weinkarte, stechen immer wieder zwei Regionen heraus. Die bedeutendsten DOCs (Denominazione d’Origine Controllata) für apulischen Primitivo sind Gioia del Colle und Primitivo di Manduria. Der DOC-Wein Gioia di Colle erlaubt neben reinsortigen Primitivo auch Cuvées, in denen weitere italienische Sorten wie Sangiovese, Montepulciano und Negroamaro ergänzen dürfen.
Andere sehr gute Versionen stammen von der großen apulischen Halbinsel Salento. Hier entsteht der reinsortige Primitivo di Manduria. Das maritim geprägte Klima mit kühlendem Seewind und kühleren Nächten sorgt für komplexe und elegante Weine. Auch Süßwein wird hier unter dem Namen Primitivo di Manduria Dolce Naturale DOCG (Denominazione d’Origine Controllata) erzeugt. Dieser ist ebenfalls reinsortig, erinnert an Port und wird nach dem Appassimento-Verfahren hergestellt. Einfache fruchtige Varianten, die jung zu trinken sind, kommen als IGT Puglia (Indicazione Geografica Tipica) auf den Markt.
Weiteres Süditalien
Darüber hinaus wird Primitivo auch noch in weiteren süditalienischen Anbaugebieten kultiviert - wenn auch in deutlich geringerem Umfang als in Apulien. So findet man die Rebe noch in der etwas weiter westlich gelegenen Region Basilikata, wo traditionell viel rustikaler Landwein hergestellt wird. Auch auf der Insel Sizilien gibt es einige Weingüter, die mit der Primitivo-Traube Wein herstellen. Beide Regionen bringen ihn meist als IGT-Wein in den Handel. Aus der rund um die pulsierende Metropole Neapel gelegenen Region Kampanien, die sich im Nordwesten an die Basilikata anschließt, kommt der reinsortige DOC Falerno del Massico Primitivo.
So schmeckt Primitivo
Primitivo leuchtet im Glas in einem satten Rubinrot. Falls es sich um eine Cuvée mit kleinen Anteilen anderer Rebsorten handelt, kann er auch dunkler schimmern. Duft und Geschmack der Weine erinnern an Kirschen, Pflaumen und dunkle Waldfrüchte wie Blau- und Brombeeren. Kommt er aus kühleren Anbaugebieten, kann man auch Noten von Himbeeren und Erdbeeren wahrnehmen. Am Gaumen zeigen sich oft schöne Gewürzaromen wie Zimt, Anis und schwarzer Pfeffer.
Gute Primitivo werden häufig im Barrique ausgebaut, da sie über genügend Struktur und Komplexität verfügen, um von der Reife in den kleinen Eichenfässern zu profitieren. Sie verbessern dadurch ihre Alterungsfähigkeit, denn die Tannine aus dem Holz verlängern die Lebensdauer dieser Weine. Außerdem gewinnen sie durch den Barriqueausbau zusätzliche Aromen wie Schokolade, Kaffee, Rauch und Zedernholz.
Die meisten Weine sind sehr körperreich und haben einen hohen Alkoholgehalt, der bei bis zu 15 Prozent liegen kann. Erstaunlicherweise hinterlassen selbst trocken ausgebaute Primitivo im Mund einen restsüßen Eindruck. Hingegen ist die Weinsäure meist nur dann spürbar, wenn die Trauben aus einem kühleren Anbaugebiet oder einer Gegend mit deutlichen Temperaturunterschieden zwischen Tag und Nacht stammen. Da die Beeren dünnschalig sind, enthalten die späteren Weine meist relativ wenige, dafür aber ausgesprochen weiche Tannine, wodurch sie sehr geschmeidig, warm und rund schmecken.
Gute Begleiter
Die weiche Frucht und die samtigen Tannine machen Primitivo zu unkomplizierten Essensbegleitern. Ein leichterer Primitivo harmoniert mit Wildgeflügel wie Ente und Truthahn. Einen besonderen Kick gibt es, wenn Sie die dazugehörigen Saucen mit Cranberrys oder Preiselbeeren zubereiten. Mittelschweren Rotweinen empfehlen wir italienische Klassiker: Pasta mit Tomatensauce, Cannelloni und Pizza Salame.
Komplexe Varianten passen hervorragend zu anspruchsvollen Fleischgerichten. Gebratene Lammkeulen mit mediterranen Kräutern und aromatische Schmortöpfe mit Rindfleisch sind hier immer eine gute Wahl. Zu welchem Gericht auch immer Sie Ihren Primitivo öffnen, wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Entdecken der Aromen Süditaliens. Und wenn Sie ihn einfach so genießen, natürlich ebenfalls!
12 Antworten auf „Primitivo: Fruchtpower aus Süditalien“
[…] übrig geblieben ist. Doppio Passo hingegen findet man hauptsächlich dort, wo es Primitivo gibt: Süditalien. "Doppio passo" bedeutet "zweimal gehen". Und das müssen die Erntehelfer in […]
[…] mit roten italienischen Rebsorten etwas vollkommen Neues in Walla Walla schafft. Vor allem mit Primitivo, Sangiovese und […]
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[…] da also nicht um die Ecke kommen. Nach ein paar Versuchen mit Neuer Welt sind wir mittlerweile bei Primitivo gelandet. Das klingt vertraut, irgendwie nach Urlaub und gefällt mit der üppigen Frucht und den […]
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