Campania Felix, "glückliche Landschaft", nannten die antiken Römer die schon damals beeindruckend schöne Gegend rund um Neapel. Die süditalienische Hafenstadt an der tyrrhenischen Küste bot Zuflucht für gestresste Cäsaren, die sich bei Meeresbrisen, Essen und Wein auskurierten. Kein Wunder, dass Kampanien als Weingarten des Römischen Reichs galt. Wie berühmt einige dieser Weine waren, kann man auch einer Weinkarte entnehmen, die bei Ausgrabungen in den Ruinen der Stadt Pompeji gefunden wurde. Dort legten Archäologen über 200 Tavernen frei, inklusive einer Weinliste. Ganz oben stand der hochwertige Falerner, ein roter oder weißer Wein, der als "Wein der Cäsaren" galt und laut Karte viermal so viel kostete wie der normale Landwein.
Ein Grund für die hohe Qualität der Weine Kampaniens lag bereits damals in den fruchtbaren Vulkanböden. Auf denen wuchsen nicht nur Zitronen, Orangen und Tomaten, die besser schmeckten als in Rom. Sondern auch die Vorfahren heutiger süditalienischer Rebsorten wie die rote Aglianico und die weißen Greco und Fiano. Leider verschwanden letztere Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts etwas in der Versenkung. Denn da lautete das Rebsorten-Credo für italienische Weingärten: Sangiovese und Montepulciano. Deren Weine ließen sich international einfach besser vermarkten. Aber dank engagierter Winzer, die sich wieder für die uralten Rebsorten vor ihrer Haustür interessierten, erleben diese heute eine Renaissance. Und das sogar über das Mittelmeerland hinaus, denn die Trauben, die es so nur in Kampanien gibt, machen die Weine einzigartig. Und da sie Klima und Boden widerspiegeln, von denen sie stammen, schauen wir uns die zunächst an.
Klima in Kampanien
Die 41.000 Hektar Rebflächen der süditalienischen Weinregion erstrecken sich zwischen dem Apenninen-Gebirge im Osten und dem Mittelmeer im Westen, entlang der spektakulären Amalfiküste mit ihren Schluchten, Buchten und nahezu ins türkisblaue Meer hinabstürzenden Kalksteinklippen. Capris blaue Lagune klingt nach heißen Sommertagen und tropischen Nächten, in denen das Thermometer nicht unter laue 20 Grad fällt. Bei so viel Wärme könnte man vermuten, dass hier Weinbau eher schwierig ist. Das stimmt nur zum Teil. Denn die Meeresluft und bis auf 500 Metern hoch gelegene Weinterrassen sorgen dafür, dass die Trauben etwas Kühlung erhalten und ihre Fruchtfrische bewahren. Noch besser geeignet für den Weinbau ist jedoch das Landesinnere.
Denn etwa 100 Kilometer östlich von der Küste ragt in Kampanien das Gebirge bis auf 1.800 Meter hinauf. Vor allem in Avellina, der Hauptstadt der grünen Provinz Irpinien. Das Klima ist dementsprechend kontinentaler, mit Schnee im Winter und kürzeren Sommern. Obwohl es im Sommer bis zu 40 Grad heiß sein kann, ist es im Durchschnitt grüner als an der Küste. Denn so warm wird es meist nur an den tiefsten Stellen. Die meisten Rebflächen befinden sich jedoch auf kühleren Höhenlagen, manche sogar auf 700 Metern Höhe. Zudem sorgen Abendwinde und große Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht dafür, dass die Trauben abkühlen und nicht so schnell reifen wie an der Küste. Der Herbst ist lang und trocken und so können die Reben trotz südlicher Lage in einer langen Reifephase Fruchtaromen mit hoher Weinsäure ausbilden. Die rote Sorte Aglianico etwa wird mitunter sogar erst im November gelesen!
Vulkanisches Land
So vielfältig wie die kampanische Landschaft sind auch ihre Böden. Von leichtem Sand und porösen Kalkstein reicht die geologische Palette über schwere Lehm- und Schwemmland- bis hin zu fruchtbaren Vulkanböden. Und von denen gibt es in Kampanien viele. Der berühmteste ist der noch aktive Vesuv im Westen Kampaniens. Hier hat der Tafelwein Neapels, der legendenreiche Lacrima Christi (die "Tränen Christis") seinen Ursprung. Eine dieser Legenden lautet so: Als Gott Luzifer aus dem Himmel warf, ließ dieser rachsüchtig ein Stück davon mitgehen, das er am Vesuv versteckte. Als Christus dies entdeckte, weinte er und benetzte durch seine Tränen die Erde. Eine paradiesische Frischkur. Ob man ihr Glauben schenkt, oder nicht - diese Legende versucht nur eine Erklärung dafür, warum hier alles so hervorragend wächst.
Die Rebstöcke in der Nähe des Vesuvs stehen an manchen Stellen sogar auf fast schwarzem Untergrund - unverkennbares Zeichen für Aschereste. Im Gegensatz dazu sehen die Vulkanböden an anderen Stellen in Kampanien anders aus. Statt dunkler Asche besteht die Erdoberfläche hier aus Gesteinen wie Basalt und Tuff. Aber auch diese sind aus Eruptionen entstanden: In der Glutasche verschmolzen Teilchen und lagerten sich als Gestein ab. Das ist härter und heller als die Weinberge um den Vesuv, aber ebenfalls reich an Mineralien und mit guter Entwässerung für die Reben. Die bekanntesten dieser Böden finden sich vor allem im Nordosten Kampaniens, in der Nähe des Dorfes Taurasi. Daneben finden sich dort in der Nähe auch Kalkstein, Lehm- und Sandböden. Weiter nördlich dominieren Schwemmlandböden. Das macht die Weine von diesen etwas gehaltvoller.
Kampaniens uralter Rebsortenschatz
Man sagt, dass es heute bis zu einhundert lokale Varianten gibt. Darunter so sprechende Namen wie die rote Casavecchia. Denn sie bedeutet übersetzt "altes Haus". Es heißt, sie wurde nur vorm Aussterben gerettet, weil jemand einen einzelnen Rebstock im Garten eines verlassenen Hauses fand. Ihr Schicksal teilte sie mit vielen anderen Sorten, die im 19. Jahrhunderte vergessen wurden. Kampaniens Weinbau hatte seinen Zenit überschritten. Die Gründe für den Niedergang des einst glorreichen Weingartens im Römischen Reich sind vielfältig.
Einer hat mit Konkurrenz zu tun: Die Weine aus dem französischen Bordeaux erreichten Mitte des 19. Jahrhunderts einen Höhepunkt und verlagerten die internationale Nachfrage nach Frankreich. Bordeaux-Weine waren en vogue, Kampanien kannte man schon. Zudem schien Weinbau in Süditalien keinen so großen Stellenwert mehr zu haben. Als dann Ende des 19. Jahrhunderts auch noch die Reblaus viele Rebstöcke vernichtete, gerieten kampanische Rebsorten eben in Vergessenheit. Denn man bestockte die Weingärten jetzt entweder mit Sorten wie der roten Sangiovese aus der Toskana. Schließlich begeisterte deren Weine dort gerade das Herz von Genießern. Und versprachen höheren Absatz. Oder man pflanzte gleich ganz andere Gewächse wie Haselnusssträucher, die ebenfalls mehr Geld einbrachten.
Das hätte bis heute so bleiben können. Doch dann kam Antonio Mastroberardino. Der Winzer war davon überzeugt, dass die Sorten vor seiner Haustür mindestens genauso spannend seien wie Sangiovese, Cabernet Sauvignon und Co. Spannender als die Haselnuss auf jeden Fall. So bestockte er Mitte des 20. Jahrhunderts die besten Parzellen, die er finden konnte, mit der rote Aglianico und den weißen Fiano und Greco. Er wollte der Welt zeigen, wie einzigartig Weine aus Kampanien schmecken können. Einer davon war der Rotwein Taurasi, ein reinsortiger Aglianico. Der eigenständige Geschmack von Mastorberardinos Rotwein sorgte für Furore in der internationalen Weinkritik. So beschreibt Antonio Galloni, amerikanischer Weinkritiker und Spezialist für italienische Weine, deren 1968er-Edition als legendär.
Mehr Rebsorten, mehr Qualität!
Die wiederentdeckten Weine faszinierten. Mehr Winzer widmeten sich jetzt den Rebsorten in ihrer Umgebung. So gibt es heute neben Aglianico bei den roten Piedirosso, Casavecchia. Bei den weißen ist, neben Fiano und Greco, Falanghina die bekannteste. Daneben gibt es auch noch Biancolella, Coda di Volpe, Caprettone - die Liste der klangvollen Namen ließe sich auf beiden Seiten lang fortführen. Diese vielen Sorten werden fast zu gleichen Teilen zu Rot- und Weißwein gekeltert, mit etwas mehr Rotwein. Vor allem in Küstennähe erzeugen Winzer auch einige Roséweine, Spumante und Passito.
Mastroberardino hatte aber nicht nur das Interesse an den alten Rebsorten befeuert. Er inspirierte mit seiner detailverliebten und qualitätsversessenen Art auch die Winzer in seiner Umgebung. Auch diese legten die Messlatte für die Qualität ihrer Weine sehr hoch. Und so wurden sie 1993 mit der ersten kampanischen DOCG (Denominazione di Origine Controllata e Garantita) belohnt, der DOCG Taurasi. Heute besitzt Kampanien vier DOCGs und fünfzehn DOCs (Denominazione di Origine Controllata), hinzu kommen zehn IGPs (Indicazione Geografica Protetta).
In allen zusammen entstehen ungefähr 260.000 Hektoliter Wein jährlich, was rund 1,5 Prozent des italienischen Weines entspricht. Damit ist man mengenmäßig eher ein kleiner, aber feiner Produzent. Denn Weine aus den DOCGs Taurasi, Fiano di Avellino und Greco di Tufo sind auch über die Grenzen Italiens hinaus bekannt. Und die schenken wir uns jetzt mal ein.
Barolo in Kampanien: Taurasi
Rotweine aus Aglianico sind komplex, kraftvoll-elegant und können sich jung etwas spröde zeigen. Ein hoher Gehalt an Tannin und Weinsäure sorgt dafür, dass diese Weine unglaublich langlebig sind. Mehrere Jahrzehnte sind keine Seltenheit. Um die Tannine etwas zu glätten, profitieren die Weine von einer Fass- und Flaschenreife. Daher schreibt die DOCG neben mindestens 85 Prozent Aglianico auch drei Jahre der Reife vor, davon ein Jahr im Holzfass. Sicher ist sicher. Soll der Wein als Riserva auf den Markt, muss er sogar vier Jahre auf dem Weingut lagern.
Und richtig, bis auf die Rebsorte erinnert das an den berühmten Rotwein aus dem norditalienischen Piemont. Deswegen wird Aglianico auch "Barolo des Südens" genannt. Anders als beim Barolo ist aber die Farbe beim Taurasi intensiver. Schimmert ein Barolo eher leicht transparent, leuchtet der süditalienische Wein dicht und dunkelrot im Glas. Seine Aromen reichen von roten und dunklen Früchten über Kräuter, Tabak, Rauch, Schokolade und Pfeffer. In der nahe gelegenen DOCG Aglianico del Taburno wird Aglianico ähnlich ausgebaut - und ist zudem noch etwas erschwinglicher. Aromatische Weißweine finden Sie in den beiden angrenzenden Appellationen, Fiano die Avellino und Greco di Tufo. Gehen wir zunächst nach Avellino.
Im Schatten der Haselnuss: Fiano di Avellino
Die Rebsorte Fiano war tatsächlich fast ausgestorben. Denn mit der Ankunft der Reblaus zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts schrumpften ihre Bestände drastisch. Aufgeforstet wurde dann hier nicht mit anderen Rebsorten, sondern mit Haselnusssträuchern. Die Böden sind in der Nähe von Avellino nämlich von viel Ton mit einem kleinen Lehmanteil geprägt. Und das tut auch der Haselnuss gut, die sich damals einfach besser verkaufen ließ. Ebenfalls hier hat Mastroberardino der Weinwelt wieder gezeigt, was für ein Verlust es wäre, wenn man Weine aus Fiano nicht mehr genießen könnte.
Im Glas schimmern diese Weine strohgelb. Interessanterweise erinnert ihr Duft manche an die lange in der Umgebung angepflanzten Haselnusssträucher. Hinzu kommen Blüten, Birne und etwas Muskat und eine salzige Mineralität. Am Gaumen intensivieren Noten von Honig und eine belebende Weinsäure den Geschmack. Definitiv ein spannender Weißwein! Und so nehmen seit den 1990er-Jahren die Pflanzungen und die Qualität der Weine zu. Seit 2003 ist Fiano di Avellino eine eigene DOCG. Die Weißweine bestehen zu mindestens 85 Prozent aus der Sorte, assembliert werden kann sie mit den weißen Sorten Coda di Volpe, Trebbiano Toscano und Greco.
Griechisches Kampanien: Greco di Tufo
Greco di Tufo leuchten meist sonnengelb im Glas. Sie duften nach Zitrusfrüchten und reifem Steinobst. Eine hoher Gehalt an Weinsäure macht den Greco sehr lebendig. Besonders ist das Gaumengefühl. Denn im Mund macht sich dieser so breit, dass er sich fast wie Olivenöl anfühlt. Kein Wunder, dass Einheimische ihn scherzhaft den "Rotwein unter den Weißweinen" nennen. Bei so viel Körperfülle könnte man meinen, dass die Weine im Holzfass ausgebaut wurden und so mehr Struktur erhalten haben. Tatsächlich aber wird Greco die Tufo meist im Edelstahl ausgebaut. Die Fülle kommt aus den Schalen der Trauben selbst.
Vor allem der Sortenname Greco, "der Grieche", lässt darauf schließen, dass der kampanische Weinbau noch viel weiter zurückreicht als bis zu den Römern. Ganz genau bis zu den Griechen, die bereits im 8. Jahrhundert vor Christi erkannten, wie gut sich die Gegend für Wein eignete. Aber auch wenn die Rebsorte vermutlich von den Griechen importiert wurde, wächst sie nun mittlerweile seit 2.600 Jahren im heutigen Italien - man kann sie also getrost als einheimische Sorte bezeichnen.
Am häufigsten findet man ihre Reben in der Nähe des Dorfes Tufo, das auf 300 Metern Höhe im Osten Kampaniens liegt. Tufo ist außerdem der italienische Name des porösen Kalkgesteins, auf dem die Reben hier wachsen. Daher heißt der Wein, der hier in der DOCG entsteht eben auch Greco di Tufo. Und in den darf noch ein Schuss von maximal 15 Prozent der goldgelben Coda di Volpe hinzugegeben werden.
Terroir-Weine aus Kampanien
Heute hat sich die ehemalige Hochburg für römische Weine wieder einen Namen gemacht. Mit einem neugierigen Blick auf die eigenen Rebsorten, aus denen charaktervolle Weine entstehen. Ein weiteres der führenden Weingüter in Kampanien ist Feudi di San Gregorio. Wie Mastroberardino experimentiert man hier mit Rebflächen in verschiedenen Terroirs. Man pflanzt Reben auf unterschiedlichen Höhen und Böden, um zu ermitteln, wo die heimischen Rebsorten ihren Geschmack am besten entfalten können. Eines dieser Projekte ist Feudi Studi, bei dem Weine aus den besten Einzellagen entstehen, deren Qualität mit Großen Gewächsen vergleichbar ist.
Diese Experimentierfreude ist bis heute ungebrochen. Für Weinliebhaber eine spannende Entwicklung, die man unbedingt im Auge behalten sollte. Ob auf vulkanischen Böden oder Kalkstein gewachsen, ob auf Bergeshöhe im Landesinneren oder auf etwas tiefer gelegenen Weingärten an der Küste - die Weine Kampaniens sind so vielfältig wie die Gegend, in der die Reben gedeihen. Erleben Sie süditalienische Charakterweine aus Aglianico, Greco, Fiano und Co!
3 Antworten auf „Kampanien: Charakterweine zwischen Küste und Vulkanen“
[…] wie Soave oder Lugana aus Venetien sowie ein fruchtbetonter, aromatischer Greco di Tufo aus Kampanien passen […]
[…] so ganz verwunderlich ist das nicht. Im Gegensatz zu den direkten Nachbarregionen Basilikata und Kampanien im Westen sowie Molise im Norden hat Apulien ausschließlich Hochebenen und ebene Flächen zu […]
[…] weil Neapel in der Region Kampanien liegt, sind natürlich auch die Weine von dort ideal dazu. Vor allem die rote Rebsorte Aglianico […]